Zenit Nr. 3, September 2020

VON FRANÇOIS HÖPFLINGER * Die letzten drei Jahrzehnte (vor der Corona-Krise) haben die negativen Bilder vom Alter nicht grundsätzlich verän- dert, aber in wesentlichen Bereichen aufgeweicht. Zentral waren vor allem zwei Entwicklungen: Erstens wurde Altwerden immer weniger als passiv zu erleidender Prozess gesehen, sondern als Prozess, der durch einen geeigneten Lebensstil (genügend Bewegung, ausge- wogene Ernährung, lebenslanges Lernen, soziale Engage- 8 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 20 ments und Kontakte) positiv gestaltet werden kann. Auch medizinische Entwicklungen haben beigetragen, dass sich die Lebenschancen alter Menschen verbessert haben (etwa dank Hüftoperationen usw.). Neuere Studien belegen zudem, dass auch alte Menschen ihre kognitiven Funktio- nen wesentlich verbessern können. Altwerden wird weniger bedrohlich, wenn Altwerden gestaltbar wird. Zweitens haben soziale und wirtschaftliche Verbesse- rungen (inkl. Aufbau der AHV) zur Ausdehnung eines langen und gesunden Rentenalters beigetragen. Die Pensio- nierung ist nicht mehr End- und Stillstand, sondern für immer mehr Frauen und Männer der Beginn einer neuen aktiven Lebensphase. Unbeschwert von beruflichen Ver- pflichtungen profitieren mehr (wenn auch sicherlich nicht alle) pensionierten Menschen lange von der späten Freiheit eines gesunden und wirtschaftlich abgesicherten Renten- alters. Damit entstanden neue Altersbilder, etwa das Bild der «jungen Alten», die in ihrem Benehmen, ihrer Kleidung Negative, defizitorientierte Vorstellungen zum Alter haben eine lange Tradition. In der europäischen Kultur, die sich seit der Renaissance an die altgriechische Ästhetik junger Körper anlehnte, werden alternde Menschen speziell negativ beurteilt. In den letzten Jahrzehnten wurden negative Bilder zum Alter teilweise durch Diskussionen über Rentenkosten und Pflegenotstand verstärkt. *François Höpflinger, 72, em. Prof. Dr. phil., leitete bis 2008 die Forschungsdirektion des Universi- tären Instituts «Alter und Generati- onen (INAG) in Sion und war bis 2013 Titularprofessor für Soziologie an der Uni Zürich. Heute forscht er zu Alters- und Generationenfragen. Er ist verheiratet, Vater von zwei Kindern und vierfacher Grossvater. Altersbilder vor und nach der Corona-Krise

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