Zenit Nr. 3, September 2020

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 20 7 IM ZENIT ihrem Leben teilhaben, das finde ich megaschön und ist mir mehr wert als Ruhm und Erfolg.» Darum ist Vera Kaa auch nicht der grosse Star gewor- den, den sich viele damals erhofft hatten. Das wollte sie auch nicht, sondern blieb sich vielmehr treu und probierte verschiedene Stile aus, sang mal auf Deutsch, Englisch oder Mundart. Dass diese Offenheit nicht ein Makel, sondern eine Stärke ist, erfuhr sie durch ihren Urgrossonkel. «Er sagte, es gehe nicht darum, berühmt zu werden, sondern um das Kombinieren von verschiedenen Musikstilen und darum, die Musik weiterzugeben. «Als ich das hörte, hatte ich Tränen in den Augen, das bin genau ich, dachte ich.» Mit ihrer Musik setzt sie sich bis heute für die gleichen Werte ein: Frauenanliegen, Gleichberechtigung, Tier- und Umweltschutz. «Da stehe ich dahinter.» Sie steht auch zum Alter, zu alten Menschen. Und zum Tod als unvermeidlichem Teil des Lebens. Ihren Vater haben sie und ihre Nächsten liebevoll gepflegt im letzten Jahr. «Meine Kinder haben ihn am Schluss im Sarg aus der Wohnung getragen. Für mich war es enorm wertvoll, dass wir das miterleben und ihn in den Tod begleiten konnten.» Dass die Alten in der Coronazeit derart isoliert und aus- gegrenzt wurden, lässt ihr noch heute die Zornesröte ins Gesicht steigen. «Das hat mich extrem wütend gemacht.» Sie habe mitansehen müssen, wie ältere Leute in der Migros aufs Übelste beschimpft wurden, weil sie sich nicht zu Hause einsperren lassen wollten. «Eine verdammte Frech- heit.» Deshalb organisierte sie mithilfe der Stadt Zürich Konzerte vor Altersheimen, 28 Mal sangen sie und andere Künstler vor Alterszentren, sprachen den Menschen Mut zu. «Die Situation in den Heimen hat mich geschmerzt, da hätte man offener sein sollen», ist sie überzeugt. Seit sie 24 Jahre alt ist, lebt Vera Kaa in Zürich. Luzern liegt ihr aber sehr am Herzen. Das Misstrauen gegen «die Zürcher» versteht sie nicht. «Die Zürcher mögen die Luzer- ner, umgekehrt ist es etwas schwieriger, was ich seltsam «Es war mir enorm wichtig, dass wir meinen Vater in den Tod begleiten durften.» finde, schliesslich ist Zürich in den letzten Jahren zu einer offenen, spannenden Stadt geworden.» Sie liebt das Leben in der Stadt, zieht sich aber auch gern in ihr Häuschen im Allgäu zurück, das völlig «in der Pampa» liege. Heute gibt sie rund zwei Konzerte pro Monat und verbringt viel Zeit im Studio, wo sie an Songs arbeitet. Früher konnte sie von der Musik leben, heute ist sie froh, dass ihr Mann gut ver- dient und sie sich keine materiellen Sorgen machen muss. Über das Leben im Alter hat sie klare Vorstellungen: Isoliert und einsam leben, wie das heute leider viele ältere Menschen tun, will sie auf keinen Fall. «Diese Vorstellung macht mir Angst. Deshalb diskutieren wir heute schon mit Freunden, dass wir unsere Häuser den Jungen überlassen und uns eine grosse Wohnung nehmen wollen, in der wir zusammenwohnen können. Möglich auch, dass wir in einer Siedlung wohnen werden, wo Jung und Alt durch- mischt zusammenleben.» Auch das Publikum von Vera Kaa ist älter geworden. «Die meisten sind rund 10 Jahre älter als ich.» Das passt, schliesslich sei sie die Erste gewesen, die über Cellulitis ge- sungen habe. Ihr jüngstes Album, «Längi Zit», ist keine Hommage ans Altwerden, aber ein Bekenntnis zu ihren Wurzeln. «Ich bin immer noch stark verbunden mit meiner Mutter, die in Adligenswil lebt, zudem bin ich viel im Muotathal, im Kanton Schwyz, wo ich Verwandte habe.» Einen Ruhestand plant sie nicht. Sie werde, so wie jetzt auch, im Moment leben. «Und mich für das einsetzen, was mir wichtig ist. Sie will weiterhin komponieren und Musik machen. Vielleicht mit etwas mehr Ruhepausen. Vera Kaa sieht sich inmitten einer neuen Generation von Alten. «Wir sind die Punks von damals», sagt sie und lacht. «Wir sind selbstbewusst und lassen uns nicht einfach wegsperren, wir haben etwas zu sagen.» Sie habe Freude, wenn sie 80-jährige Frauen sehe, die farbig angezogen sind. «Das gefällt mir, ich setze mich für ein neues Selbstbewusstsein im Alter ein. Ich möchte zu denen gehören, die ihr Alter farbig gestalten.»

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