Zenit Nr. 3, September 2020

10 Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 20 Das Alter hat viele Gesichter. Zenit-Redaktorin Monika Fischer zeigt anhand von vier Porträts, wie ältere Menschen, die in vier verschiedenen Jahrzehnten geboren wurden, ihren Alltag gestalten, womit sie sich beschäftigen und was sie vom Leben noch alles erwarten. «Bis vor vier Jahren verbrachte ich mit meiner Frau jedes Jahr die Ferien in Brasilien, stets im gleichen kleinen Hotel, im gleichen Zimmer nahe am Strand von Rio de Janeiro», erzählt Andreas Tarnutzer. Auch seinem lang- jährigen Hobby ist er treu geblieben. Seit der Pensionierung vor über 30 Jahren zählt er als Mitglied der Schweizerischen astronomischen Ge- sellschaft und deren Sonnenbeobach- tergruppe täglich die Sonnenflecken, bis vor Kurzem zu Hause mit seinem oder der Lupe mühsam lesen. «Ich fühle mich einsam, seit meine Frau im letzten Oktober nach 71-jähriger Ehe an den Folgen eines Hirnschlags ge- storben ist. Ich vermisse sie sehr, wir waren sehr aneinander gewöhnt. Alles war so selbstverständlich. Erst nach ihrem Tod habe ich realisiert, was meine Frau alles geleistet hatte, war ich doch früher beruflich als Maschi- neningenieur oft im Ausland unter- wegs.» Über das Alter hatte sich das Ehepaar wenig Gedanken gemacht. Die Enkelin als Bezugsperson «Wir waren beide gesund; das Leben ging nach meiner Pensionierung nor- mal weiter.» 60 Jahre hatte das Ehe- paar selbstständig in der gleichen Wohnung im dritten Stock ohne Lift in Luzern gewohnt. «Es ist ein Wun- der, dass das so lange möglich war», meint der Senior, der in den letzten zwei Jahren, als seine Frau schwächer wurde, einen Teil des Haushalts be- sorgt und eingekauft hatte. Von den drei Töchtern war kaum Unterstützung möglich. Eine war be- reits gestorben, eine weitere hatte sel- ber gesundheitliche Probleme, und die dritte ist seit Geburt beeinträchtigt und lebt in einem Heim. Die wich- tigste Bezugsperson ist seine Enkelin. Sie besucht ihn regelmässig und erledigt mit einer Vollmacht alles Administrative und Finanzielle. Dazu gehörte kürzlich die Räumung und Abgabe der Wohnung. Am Tag vor Weihnachten ist Andreas Tarnutzer nach einem Spital- aufenthalt im Dreilinden eingezogen. «Hier ist jetzt mein Zuhause. Ich fühle mich in meinem kleinen Zimmer mit «Ich bin weiterhin am Leben interessiert» Farbenfrohe Bilder vom Meer und von brasilianischen Landschaften erinnern Andreas Tarnutzer, 98, in seinem Zimmer im Dreilinden an das Land, in dem er einen Teil seines Lebens gewohnt und gearbeitet hat. im Fenster aufgestellten Fernrohr. Zudem vermass er mit diesem die Sonnenflecken und berechnete deren Positionen auf der Sonne. Die Ergeb- nisse wurden in Statistiken, Grafiken und Veröffentlichungen festgehalten. Seit dem Umzug ins Alters- und Pflegeheim verfolgt er die weitere Ent- wicklung der Sonnenflecken auf dem Laptop. Dies ist allerdings schwieriger geworden, hat doch seine Sehkraft in kurzer Zeit massiv abgenommen. Er kann nur noch mit einem Lesegerät Fotos: Peter Lauth

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