Zenit Nr. 3, September 2020

Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 20 11 ALTERSPORTRÄTS «Das Leben muss doch einen Sinn haben» Seit vier Jahren wohnt sie in einer altersgerechten Zweizimmerwohnung in Luzern. Noch immer pflegt sie den Gartenteil einer frü- heren Nachbarin. «Das ist wichtig für mich, weil es mich erdet.» 50 Jahre lebte die Luzer- nerin in Rickenbach, wo sie zwei Töchter und einen Sohn aufgezogen, sich in der Gemeinde beimAufbau der Spitex engagiert, die regionale Musikschule mit- gegründet und geleitet, die Stelle der Krankenkasse geführt und sich auch poli- tisch betätigt hatte. Sie war Mitglied der Schulpflege, der Kreis- schulpflege und 16 Jahre im Grossen Rat. 1991 präsidierte sie diesen als zweite Frau. Seit je steht sie zu ihrer sozialliberalen Haltung, auch wenn sie damit nicht überall gut ankommt. Nach dem Tod ihres Mannes, den sie die letzten Jahre betreut hatte, zog sie vor zehn Jahren in die Stadt zu- rück. Das Einleben fiel ihr leicht, hatte sie doch ihren grossen Bekanntenkreis Es ist ihr wichtig, sich auch im Alter selbst- bestimmt und aktiv ein- zubringen. Deshalb enga- giert sich Alice Wey-Heini, 84, im Netzwerk Luzern 80plus. dem Balkon wohl, habe alle Be- quemlichkeiten und beim Essen interessante Tischnachbarn. Ich bin zufrieden und dankbar für mein rei- ches Leben.» Weil er nicht mehr lesen und fernsehen kann, schätzt er gute Gespräche, hört Radio oder sitzt bei schönem Wetter auf dem Balkon un- ter den Bäumen. Er freut sich, dass es ihm in seinem hohen Alter noch so gut geht. «Wohl bin ich langsamer ge- worden und habe die eine oder andere Einschränkung. Das ist normal und gehört zumAlter. Ich nehme dies ohne zu hadern und schaue gut zu mir. Täg- lich mache ich einen Spaziergang. Ich bin weiterhin neugierig, lebe gerne und nehme es, wie es kommt.»  stets gepflegt. Relativ spät wurde sie Grossmutter von zwei Enkelkindern, mit denen sie viel Zeit verbringt. «Wir haben ein wunderbares Verhältnis», freut sie sich. Neben der neuen Frei- heit schätzt sie die kulturellen Mög- lichkeiten in der Stadt, besucht klas- sische Konzerte und Angebote der Seniorenuni. Mit den Luzerner Grenzwanderern hat sie die ganze Grenze des Kantons abgewandert. Wie schon immer ist Alice Wey aktiv und interessiert am Austausch mit anderen. Gegen die Vereinsamung gründete sie vor zehn Jahren eine Spielgruppe für Seniorinnen. Beim monatlichen Treffen zu Suppe und Brot machen die Frauen Gemein- schaftsspiele. «Alle kommen gerne. Neben dem Spielen diskutieren wir über das Leben und das Altwerden.» Vermehrt Sorge für uns tragen Seit seiner Entstehung vor drei Jahren engagiert sie sich auch im Netzwerk Luzern 80plus, dem Projekt von inno- vage und der Stadt Luzern. Gemein- sam mit Vertretern der Stadt diskutie- ren die Mitglieder über Themen, die sie beschäftigen. Im Juni standen die Erfahrungen aus dem Lockdown der Corona-Pandemie und nötige Rück- schlüsse im Zentrum. Für Alice Wey besteht diesbezüglich gerade für die al- ten Menschen noch viel Unsicherheit. Sie selber fühlt sich nach wie vor wie blockiert und fragt sich, was die Pandemie für die Zukunft der Jungen bedeutet. Persönlich ist sie überzeugt: «Wir müssen lernen, wieder mehr Sorge für uns und die Umwelt zu tragen und mit weniger zufrieden zu sein. Die Pandemie und der damit verbundene Lockdown müssen be- und verarbeitet werden. Dies gelingt am besten, wenn wir darüber reden.» Wann immer möglich besucht sie den vom Netzwerk organisierten Stamm im Pflegeheim Wesemlin mit Referaten und Austausch zu selbst ge- wählten Themen. Zudem organisiert sie im Gemeinschaftsraum im Hause monatlich einen Mittagstisch.

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