Zenit Nr. 2, Juni 2020

24 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 20 INTERVIEW HANS GRABER Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat im Zuge der Coronakrise alle über 65-Jährigen in die Risikogruppe eingeteilt. Diese «Grenzziehung» bei 65 Jahren war umstritten. Ihre Meinung? Die Grenze scheint mir in diesem Fall ziemlich zutreffend zu sein, denn alle Statistiken zeigen, dass das Alter auch ohne bestehende Vorerkrankungen der höchste und schwerwiegendste Risikofaktor für Covid-19 ist. Das Virus dockt sich nämlich in den Bronchialwänden an spezielle Fühler, den ACE2-Rezeptoren, an, die sich erst ab 35 bis 40 Jahren allmählich ausbilden. Im Alter von 65 bis 70 sind sie dann voll ausgeprägt. Je älter man also ist, desto mehr Andockmöglichkeiten hat das Virus und kann so am ehes- ten die gefürchteten Entzündungsreaktionen auslösen. Das relativ späte Heranbilden dieser Rezeptoren ist auch der Grund dafür, dass die allermeisten infizierten Kinder und Jugendlichen oft gar nicht richtig krank werden. Gleichzeitig hat auch unter den älteren Menschen die überwiegende Mehrheit der Betroffenen – selbst solche mit Vorerkrankungen – die Infektion über- standen, teils sogar mehr oder weniger problemlos. Welche Faktoren spielen da mit? Wenn wir das wüssten, könnten wir mit einer entsprechen- den Publikation für grosses Aufsehen sorgen. Tatsache ist, dass man das noch nicht schlüssig sagen kann. Wir wissen nicht, weshalb es 90- oder sogar 100-Jährige gibt, die bei einer Infektion nicht speziell schwer erkranken, während 50-Jährige daran sterben. Ein gesicherter Risikofaktor für einen schweren Verlauf ist starkes Übergewicht, also Fett- leibigkeit, was einem Body-Mass-Index von über 30 ent- spricht. Es gibt zwar noch andere Risikofaktoren, aber bei allen ist der Zusammenhang mit einem schweren Verlauf nicht so ausgeprägt. Welche Rolle spielt das Geschlecht? Frauen sind zwar häufiger von Covid-19 betroffen, aber schwere Verläufe und Todesfälle gibt es deutlich mehr bei Männern. Das war auch auf unserer Intensivstation sehr auffallend. Doch auch diesbezüglich weiss man nicht genau, weshalb das so ist. Die Vermutung liegt nahe, dass die Hormone Testosteron beim Mann und Östradiol bei der Frau den Krankheitsverlauf beeinflussen, aber gesichert ist das noch nicht. Geht aus dem bisher Gesagten hervor, dass man selber ausser dem Vermeiden von starkemÜbergewicht kaum Das in der Schweiz seit Februar grassierende Coronavirus hatte weitreichende Konsequenzen auf unser Alltagsleben. Nach den harten Einschnitten kehrt nun wieder vermehrt Normalität ein. Verschwunden ist das Virus aber nicht. Christoph Henzen*, Leiter des Departementes Medizin am Luzerner Kantonsspital, sagt, was vor allem für ältere Menschen wichtig bleibt. Gefragt ist Eigen- verantwortung * Prof. Dr. med. Christoph Henzen ist Leiter des Departementes Medizin und Chefarzt Innere Medizin & Endokrinolo- gie-Diabetologie am Luzerner Kantonsspital. Aufgewachsen ist der 60-Jährige in Lalden im Oberwallis. Christoph Henzen ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Als Hobbys nennt er Sport («Alles, was mit Bewegung zu tun hat, von Fussball bis Skifahren»), Lesen («von Klassikern bis Science- Fiction») und Musik. Er ist Gitarrist in einer Freizeitband mit vielseitigen Stilrichtungen, von Rock über Country bis zu Liedern von Mani Matter. Foto: Adobe Stock

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