Zenit Nr. 2, Juni 2020

Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 20 19 LEBEN IN DER CORONAKRISE – EIN TAGEBUCH Foto: Peter Lauth Wie sich eine Welle von Verbunden- heit, von Solidarität und Hilfsbereit- schaft über das Land ausbreitet. «Für- einander da sein», lautet die Devise. Ist es der Anfang einer neuen Gesellschaft, bei der die Sorge fürMensch undNatur im Zentrum steht anstelle von Mach- barkeitswahn und dem Streben nach immer besser, schneller, mehr? Ich will nicht weiter in Angst leben. Will keine Bilder mehr sehen von beatmeten Menschen, von überfor- dertem medizinischem Personal und von Sälen voller Särge. Ich will mich aufs Leben konzentrieren, auf das, was für mich wichtig ist, und will weiter- hin eigenständig denken. Deshalb beschränke ich meinen Medienkon- sum auf wenige Nachrichten aus ver- schiedenen Quellen. Und doch erfasst mich Panik, als ich von der Ausgangs- Gespannt verfolge ich im Februar die Nachrichten. Das Coronavirus kommt immer näher. Unvorstellbar, dass es auch uns treffen könnte. Die Zahlen der infizierten Menschen steigen und steigen. MeinMagen zieht sich zusam- men, ein banges Gefühl erfasst mich. Am 16. März verlassen die letzten Arbeiter unsere Gartenwohnung. Vier Wochen lebte ich wegen eines Wasser- schadens auf einer Baustelle. Endlich wieder ungestört zu Hause woh- nen, welch ein Geschenk! Am gleichen Tag wird der Lockdown ausgerufen. Schulen, Läden, Restaurants werden geschlossen. «Bleiben Sie zu Hause! Besonders wenn Sie zu einer Risiko- gruppe gehören oder über 65 Jahre alt sind!» Beim vielfach wiederholten Auf- ruf des Bundesrats läuft es mir kalt den Rücken hinunter. Ich kann die Situa- tion nicht fassen. Alles scheint wie ge- wohnt – und ist doch ganz anders. Ich bin wie gelähmt, unfähig, ein Buch zu lesen oder einen Text zu schreiben. Zudem bange ich um die Rückkehr meines Mannes. Dieser versteht bei seinem Sprachaufenthalt in Sibirien nicht, was in der Schweiz los ist. Füreinander da sein Ich lebe zwischen Schock, Unsicherheit und Faszination. «Endlich hat die Ge- sellschaft die Bedeutung der Grossel- tern und der Care-Arbeit erkannt», freue ich mich. Fantastisch, was die Lehrpersonen aller Stufen für das Homeschooling in kürzester Zeit auf die Beine stellten. Welche Kreativität manche Geschäftemit Hauslieferdienst entwickelt haben. Wie schnell der Bund finanzielle Hilfe aufgegleist hat. Im Bewusstsein um seine Endlichkeit hat das Leben einen anderen Stellenwert. Covid-19 zeigt unsere Verletzlichkeit auf. Auch in unserer westlichen Welt ist nicht alles sicher, nicht alles machbar. Zenit-Redaktorin Monika Fischer will sich deshalb aber nicht von Angst lähmen lassen, sondern sich auf das Leben ausrichten. «Alles scheint wie gewohnt und ist doch ganz anders»

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