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Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 17

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Schweizer GeSchichte, teiL 18

gemäss Initiative allerdings nicht betroffen. Schwarzenbach

sieht folglich ein, dass Saisonniers und Ausländer im Spital-

und Pflegedienst unentbehrlich sind. Noch im Jahr der

Abstimmung (1970) erlaubt der Bundesrat den Saisonniers

einen Aufenthalt von 11,5 Monaten, womit diese – mit Aus-

nahme von zwei Wochen Ferien im Heimatland – faktisch

Jahresaufenthalter sind. Diese im Interesse der Wirtschaft

erlassene Regelung wird von vielen mit Argwohn betrach-

tet. Es gärt im Land, die Stimmung ist aufgeheizt. Die

Schweiz erlebt einen der härtesten Abstimmungskämpfe

ihrer Geschichte.

Die Angst vor der «Überfremdung» bewegt das Land.

Obwohl im Kanton Luzern – wie in der ganzen Inner-

schweiz – der Ausländerbestand unter den kritischen

zehn Prozent liegt, gehen auch hier die Emotionen hoch.

Am 25. April 1970 spricht James Schwarzenbach im über-

füllten Kunsthaus. Es gibt Tumulte. «Wenn das so weiter-

geht, werden wir eines Tages von Ausländern regiert»,

schreibt ein Leserbriefschreiber im Luzerner Landboten.

Ängste gibts auf beiden Seiten. Viele Italiener fürchten sich

vor einer «Ausschaffung».

Die Schweizer Jugend aber tickt anders: Laut einer Um-

frage des Jugendmagazins «team» unterstützen bloss 16%

der Jugendlichen die Initiative, wogegen 76% sie ablehnen

und viele aus Protest den Ansteckknopf «Schwarzen-

bachab» tragen. In vielen Städten organisieren die Initiativ-

gegner Demonstrationen. Das Ergebnis wird mit Hoch-

spannung erwartet. Fast 75% aller Stimmbürger – das

Frauenstimmrecht kommt erst 1971 – strömen am 7. Juni

1970 an die Urnen (im Kanton Luzern sind es gar 78,6%).

Das Resultat verblüfft alle. Ganze 46% sprechen sich für die

Überfremdungsinitiative aus, 54% lehnen sie ab. Acht Kan-

tone nehmen die Initiative an, darunter die meisten «Son-

derbundskantone» – Luzern mit 54,6% Jastimmen.

Zustimmung von links bis rechts

Die Zustimmung zur Initiative reicht über das ganze poli-

tische Spektrum hinweg, von rechts bis links und markiert

damit erstmals den Graben zwischen einem grossen Teil der

Bevölkerung und «Bundesbern», hatte doch das Parlament

einstimmig (mit Ausnahme von James Schwarzenbach) die

Initiative verworfen. 22 Jahre später – anlässlich der EWR-

Abstimmung von 1992 – werden 50,3% der Schweizer

gegen die Empfehlung aus Bern stimmen.

Vordergründig bleibt alles beim Alten: Die Italiener

dürfen bleiben, der Schweizer Wirtschaftsmotor ist nicht

James Schwarzenbach hatte erfolg mit den republikanern: Seine Partei holte 1971 auf Anhieb sieben Sitze im National-

rat und erreichte Fraktionsstärke. im Bild stehen fünf republikaner (Schwarzenbach: zweiter von rechts) anlässlich

der Abstimmung über den Numerus clausus für ausländische Studenten, aufgenommen am 1. Dezember 1971.