Zenit Nr. 1, März 2020

14 Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 20 VON MONIKA FISCHER «Es war für mich ein Chlapf an die Ohren», meinte der eine. «Scheisse», dachte der andere angesichts der Demenz- Diagnose mitten im Berufsleben. Rita Merz (1953) hatte schon früh mit ihrem Ehemann die Rollen getauscht und arbeitete Vollzeit als Lehrerin und Schulleiterin. Seit Länge- rem spürte sie, dass etwas nicht mehr stimmt. «Ich musste alles suchen und brauchte viel mehr Zeit für Vorbereitun- gen. Nach den Abklärungen in der Memory-Clinic war die Diagnose für mich auch eine Entlastung. Vorher hatte ich gedacht, ich spinne.» Ähnlich ging es Beat Vogel (1959), nachdem er mit der Arbeit in seinem anspruchsvollen tech- nischen Beruf nicht mehr zurechtgekommen war. Der Sekundarlehrer Ubald Zemp (1960) war 57, als er merkte: «Vieles funktioniert nicht mehr. Ich verlegte Dinge, vergass Termine. Es war mühsam und ärgerlich.» Als er beim Eröffnungsgottesdienst fürs neue Schuljahr kurz ohn- mächtig wurde, ergriff die Schulleitung die Initiative für eine Abklärung. «Als ich im Lehrerzimmer die Kolleginnen und Kollegen über die Diagnose Alzheimer informierte, haben wir alle geweint. Es war ein ganz spezieller Moment. Die Tränen meiner Kolleginnen und Kollegen gaben mir Kraft und Zuversicht, und so konnten wir auch wieder lachen.» Es hat ihm geholfen, überall offen über seine Krankheit zu informieren, ist er doch überzeugt: «Jammern und Selbstmitleid bringen nichts. Ich muss es akzeptieren. Es ist, wie es ist, ich kann es nicht ändern. Ich kann ja noch so viel machen und habe keine Schmerzen.» BeatVogel hat sich Zeit genommen für die Auseinandersetzung mit der neuen Situation und fragte sich: «Wie will ich mit der Krankheit umgehen?» «Es war mir ganz wichtig, mit mir ins Reine zu kommen und die Krankheit zu akzeptieren. Denn ich wollte meine Kinder nicht damit belasten.» Eine massgebende Hilfe waren für ihn die Gespräche mit seinem langjährigen Hausarzt. Dieser hat auf seinen Wunsch auch die Töchter informiert und beraten. «Es ist das Allerwichtigste, dass auch die Angehörigen jemanden haben, der sie auffängt und ihnen zeigt, wie sie mit der Situation umgehen können.» Rita Merz war froh, dass sie schon früh die Rollen geteilt hatten. Nach ihrer frühzeitigen Pensionierung änderte sich deshalb für sie und ihren Mann imAlltag wenig – ihr Mann ist weiterhin Hausmann. Wichtig ist ihr das tägliche mor- gendliche Joggen im Wald. «Dabei kann ich laut fluchen und schimpfen, wenn mich etwas bedrückt. Es hört mich ja niemand. Manchmal muss ich mir allerdings überlegen, warum ich eigentlich so schimpfe», sagt sie und lacht. Ungebrochene Lebensfreude Begeistert berichtet sie von den Reisen und den Berg- und Skitouren, die sie seit der Diagnose mit ihrem Mann und oft mit den Söhnen Linus und Julian unternimmt. «Jetzt haben wir dafür mehr Zeit, und ich bin körperlich total fit. Kurz nach der Diagnose hatte ich im Halbmarathon die Bestzeit in meinem Jahrgang. Das hat mich riesig gefreut.» Auch Ubald Zemp erzählt von einem Schlüsselerlebnis: «Ein ehemaliges Sandkastengspänli lud mich zu einem Sie wurden im berufstätigen Alter mit der Diagnose Demenz konfrontiert. Rita Merz, Beat Vogel und Ubald Zemp erzählen vom Umgang mit dem Schicksalsschlag und von ihrer Lebensfreude trotz Krankheit. Damit möchten sie anderen Menschen Mut machen: Mit der Diagnose Demenz ist das Leben nicht vorbei. Ein Beispiel für Lebenskunst. Fotos: Peter Lauth «Wenn etwas wegfällt, gibt es Platz für Neues» Monatlich treffen sich Menschen mit einer Demenzdiagnose im Alter zwischen 50 und 70 Jahren unter fachlicher Leitung zum Austausch und setzen sich aktiv mit ihrer Lebenssituation aus- einander. Weitere Informationen zu den von Alzheimer Luzern organisierten und von Pro Infirmis bzw. von pro audito unter- stützten Gesprächsgruppen gibt es unter: Infostelle Demenz, Telefon 041 210 82 82, E-Mail: infostelle@alz.ch GESPRÄCHSGRUPPEN FÜR JÜNGERE MENSCHEN MIT DEMENZ

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