Zenit Nr. 4, November 2022

RUBRIK Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 22 27 WAS MACHT EIGENTLICH ... Die beiden Politiker begegneten sich zeitlebens immer wieder. Der Jurist Urs W. Studer machte sein Praktikum am damaligen Amtsgericht der Stadt Luzern, wo sein Vorgänger als Präsident amtete. Kurz zuvor hatte er sich während des Rechtspraktikums mit der Lehrerin Susi Bühlmann verheiratet. Schon sechs Monate nach seiner ersten Arbeitsstelle in Zürich wurde der junge Anwalt als Gerichtsschreiber ans Obergericht in Luzern berufen und amtete neun Jahre später als Präsident des damaligen Amtsgerichtes. Gespräche in der Verwandtschaft motivierten ihn für die Politik. Mit 29 wurde er 1979 als Grossrat der Liberalen Partei gewählt. «Ich blieb 16 Jahre, zuletzt auch als Fraktionschef und Mitglied der Geschäftsleitung der Kantonalpartei und machte so die ganze Ochsentour eines Politikers. Dabei blieb wenig Zeit für die Familie mit den drei Kindern, was ich damals gar nicht richtig wahrnahm.» 1989 wäre er gerne Regierungsrat geworden, unterlag jedoch in der parteiinternen Ausmarchung gegen Ueli Fässler. Zweiter wurde er auch an der Nominationsversammlung für das Stadtpräsidium im Februar 1996, als sein politisch wenig bekannter Cousin Peter Studer zur Wahl vorgeschlagen wurde. Er erzählt von den politischen Ränkespielen und lacht: «Ich galt als politisch zu sensibel, zu wenig wirtschaftsnahe, zu ökologisch, zu links und bin wohl eine Vorwegnahme der heutigen Grünliberalen.» Geprägt hatte ihn seine Kindheit. Er war fünf, als der Vater nach einem Hirnschlag krank war und halbseitig gelähmt blieb. Dank dem Einsatz der Verwandtschaft konnte dieser reduziert und zum halben Lohn weiterarbeiten, was sich auf den Familienalltag auswirkte. Zudem sprach er wenig und konnte mit der Familie kaum etwas unternehmen. Umso mehr schätzte der junge UrsW. die Schule, die Pfadi und trieb Sport im Ruderclub Reuss und im Judoclub. Gelassen erzählt er von den beiden politischen Niederlagen. Nach der Nichtnomination nahm er eine Woche Bedenkzeit, analysierte die Situation mit der Familie und fasste einen Entscheid. Im Bewusstsein um das berufliche Wagnis trat er aus der Partei aus, kandidierte als Unabhängiger fürs Stadtpräsidium und wurde mit 60 Prozent der Stimmen gewählt. «Ohne Netz muss man nahe bei den Leuten sein, sie gernhaben und ihnen unabhängig vom Stand auf Augenhöhe begegnen», beschreibt er seine Grundhaltung. Zu den wichtigsten Ereignissen seiner Präsidialzeit (1996–2012) gehören die Eröffnung des KKL 1998, zwei Jahre später auch jene von Luzerner Saal und Museum, die Fusion mit der Bürgergemeinde, der Aufbau der Swissporarena und die Fusion mit Littau. Noch heute bedauert er, dass die geplante grössere Fusion mit den Agglomerationsgemeinden nicht zustande kam. Neben Politik und Sport war ihm auch die Unterstützung der Kultur sehr wichtig. Seit seinem Rücktritt möchte er den Menschen, die ihn gewählt hatten, durch verschiedene Engagements unter anderem im Vorstand des Verkehrshauses Luzern, als Mitglied des Stiftungsrates und als Präsident des Beirates der Weihnachtsaktion der «Luzerner Zeitung» etwas zurückgeben. Dabei stimmt ihn nachdenklich, dass in der reichen Schweiz manche Menschen oft nach Schicksalsschlägen und bei harter Arbeit in relativer Armut leben müssen. Er ist am liebsten mit dem Velo unterwegs und geniesst das Zusammensein mit den sechs Enkelkindern im Generationenhaus, wo er mit seiner Frau in einer DreieinhalbZimmer-Wohnung über dem Doppeleinfamilienhaus von Sohn und Tochter wohnt. MONIKA FISCHER Foto: Monika Fischer Nach 12 Jahren als Luzerner Stadtpräsident wechselte er vom Büro im Stadthaus in jenes im altehrwürdigen Haus an der Münzgasse 5. Wie zuvor Franz Kurzmeyer, darf Urs W. Studer, 72, nun als Präsident der Gemeinnützigen Gesellschaft der Stadt Luzern GGL Einzelpersonen in Not sowie Organisationen und Projekte finanziell unterstützen. «Ich wollte zu meiner Haltung stehen» «Täglich wird mir bewusst, wie privilegiert ich lebe», hält Urs W. Studer, Präsident der GGL, dankbar fest.

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