Zenit Nr. 2, Juni 2021

CAFÉ MED 26 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 21 Das Café Med der Akademie Menschenmedizin (amm) in Luzern ist ein kostenloses Angebot für Patientinnen und Patienten und ihre Fragen. Pensionierte Ärztinnen und Ärzte beraten sie im persönlichen Gespräch ohne Zeitdruck und unterstützen die Entscheidungs findung. Wo der Mensch im Zentrum steht VON MONIKA FISCHER In unserem gut ausgebauten Gesundheitssystem ist sehr vieles möglich. Dies kann in Patientinnen und Patienten auch Unsicherheit auslösen. Brauche ich so viele Medika- mente? Ist die vorgeschlagene Operation wirklich nötig? Was geschieht, wenn ich sie verschiebe? Besonders ältere Menschen verstehen bei einem Arztbesuch manchmal nicht alles und getrauen sich nicht, nachzufragen. Im Wissen um diese Unsicherheiten hat die Akademie für Menschenmedizin (amm) das niederschwellige Angebot des Café Med aufgebaut. Das pensionierte Ärztepaar Ursula und Frank Achermann organisiert es nach ersten Erfahrungen in Zürich seit 2018 auch in Luzern. Das Ehe- paar Truniger stellt dafür sein Café Melissa’s Kitchen zur Verfügung. «Alles läuft praktisch und unkompliziert ab», beschrei- ben Ursula und Frank Achermann den Ablauf. Wenn die Ratsuchenden ab 14.30 Uhr das Café betreten, setzen sie sich an einen freien Tisch und konsumieren, was sie möch- ten. Bettina Blaser, die für die Triage zuständig ist, begrüsst sie und fragt, in welchem Bereich eine Beratung gewünscht wird. Sie gibt das Anliegen an die pensionierten Ärztinnen und Ärzte weiter, die hinten im Raum an einem grossen Holztisch sitzen. Vertreten sind neben der Allgemeinmedi- zin verschiedene Fachgebiete wie Gynäkologie, Diabeto- logie, Hormonkrankheiten, Rheumatologie, Schmerz- therapie, Orthopädie und Onkologie. Ebenfalls dabei sind eine Psychologin und eine Diabetesfachberaterin. Die für das jeweilige Anliegen zuständige Fachperson setzt sich zum Gast an den Tisch und kommt mit ihm ins Gespräch. Die pensionierten Ärzte und Ärztinnen sind auf dem aktuellen schulmedizinischen Level. Aber viel mehr geht es darum, zuzuhören und den Menschen in seiner Unsicherheit ernst zu nehmen, Verständnis zu haben für seine Fragen und Zweifel, ihn in seinen Entscheiden zu un- terstützen und zu bestärken. Sie wissen, dass der Praxis- alltag heute oft zielgerichtet und nach Computer-Algorith- men geführt verläuft. Im Mittelpunkt des Praxisalltags steht häufig nur die Krankheit und nicht der ganze Mensch. Anhand von ein paar Beispielen schildern sie, wie die Bera- tung ablaufen kann. Zusammenhänge erklären Dem 78-jährigen Mann mit Prostatakrebs hat der Arzt zu einer möglichst raschen Operation geraten. Der Patient ist unsicher, ob er die Operation wirklich machen soll. «Ich will zuerst mehr über die Lebenssituation des Ratsuchen- den erfahren und ihn verstehen», erklärt der beigezogene Facharzt. Der Senior erzählt von seiner neuen Freundin und möchte wissen, ob nach der Operation noch eine Erek- tion möglich sei. «So erfährt der Arzt, was sein eigentliches Problem ist. Ich sage ihm nicht, was er machen soll, son- dern rate ihm, noch einmal mit dem Urologen zu reden und erst dann einen Entscheid zu fällen.» Ursula Achermann berichtet von der Mutter mit Proble- men im psychosomatischen Bereich und vom betagten Mann, der wissen will, ob alle die zehn verschriebenen Medikamente wirklich nötig sind. «Wir gehen die Medika- mente gemeinsam durch, und ich erkläre, wofür sie wirk- sam sind.» Oder da ist die Frau, der die Frauenärztin wegen DIE AKADEMIE MENSCHENMEDIZIN (AMM) Die Akademie Menschenmedizin (amm) engagiert sich für Patientinnen und Patienten, deren Angehörige sowie für Fach- personen aus den Gesundheitsberufen. Die amm ist ein ge- meinnütziger, unabhängiger Verein, der alltagsnahe Projekte wie das Café Med realisiert und sich für Veränderungen im Gesundheitswesen einsetzt. Ziel ist ein Gesundheitswesen, das den Menschen und nicht die Kosten im Blick hat und trotzdem bezahlbar ist. Grundlage der «Menschenmedizin» ist ein Menschenbild, das die Einheit von Körper, Seele und Geist respektiert und den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Sie bekämpft nicht einfach Symptome, sondern betrachtet den Patienten, die Patientin als Individuum und handelt entspre- chend. Weitere Infos: www.menschenmedizin.ch

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