Zenit Nr. 2, Juni 2019

Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 19 43 Gmür-Beck, «sowohl von der Gesellschaft als auch von den Klassenkameraden.Wir mussten immer Röcke tragen – Hosen waren für Mädchen strikte verboten. Einmal tele- fonierte ein Religionslehrer sogar einer Mutter wegen un- züchtiger Bekleidung einer Schülerin: Sie trug ein Kleid, das die Achseln freigab. Für das Lyceummussten wir nach Luzern. Die Kanti Sursee erhielt das Maturitätsrecht erst am 14. Oktober 1969.» Koedukation – ein hundertjähriger Streit In vielen Primar- und Sekundarschulhäusern gab es ge- trennte Eingänge für Knaben und Mädchen. Koedukative Klassen mit oft über 50 Kindern (im Stile von Albert Ankers Dorfschule) gab es nur in entlegenen Gesamtschu- len. Diese strenge Geschlechtertrennung dürfte durch die Enzyklika Pius‘ XI. «Über die christliche Erziehung der Jugend» von 1929 noch zementiert worden sein. Der Papst bezeichnete darin die Koedukation als ebenso gefährlich wie die Sexualerziehung, die nur ausserhalb der Schule und auch dort nur äusserst zurückhaltend geschehen dürfe. Auch sportlich durftenMädchen nicht mit den Knaben gleichziehen. Verschiedene Lehrerinnenvereine forderten zwar in einer Eingabe vom März 1940 das eidgenössische Parlament auf, den obligatorischen Mädchenturnunter- richt einzuführen.Ohne Erfolg. Erst 1972 wurden dieMäd- chen und Knaben in turnerisch-sportlicher Hinsicht auf Bundesebene durch die Schaffung von Jugend und Sport (J+S) gleichgestellt. Der 1981 angenommene Verfassungs- artikel «Gleiche Rechte für Mann und Frau» wirkte sich auch im Bildungsbereich aus: Die Lehrpläne wurden auf Gleichberechtigung hin überprüft. Knaben und Mädchen erhalten heute die gleiche (aber stark reduzierte) Ausbil- dung in Handarbeit und Hauswirtschaft. In den letzten hundert Jahren hat sich in der Mädchen- bildung viel bewegt: 2018 bestanden im Kanton Luzern 891 Studierende die Matura, 58% davon Frauen. An den Schweizer Universitäten studieren mehr Frauen als Män- ner. Laut neuster Statistik (2017) der FMH (Verbindung Schweizer Ärztinnen und Ärzte) waren 42% der praktizie- renden Ärzte Frauen. Die Zahl der Ärzte nahm um 0,9 % zu, diejenige der Ärztinnen um 3,9 %. Doch die Angst vor einer «Verweiblichung» der Medizin ist unbegründet: Bei den Chefärzten liegt die Frauenquote erst bei 9,9 %. Blick in die Geschichte Das Museggschulhaus kurz nach dem Bau von 1878, in dem die Sekundarschule, das Städtische Lehrerseminar und das Städtische Töchtergymnasium untergebracht waren. Heute Kantonsschule Musegg. D-Day Maturaklasse, 7 Damen aus dem Städtischen Töchtergymnasium und 19 ordentliche Herren. Die Maturitätsprüfungen begannen am 6. Juni 1944. Maria Schaller ist in der vordersten Reihe die Dritte von rechts. Kantonsschule Sursee, Maturafeier 2017. Fotos: zVg

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