Zenit Nr. 2, Juni 2019

In Luzern in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen, wählte Bruno Roelli (63) das Jusstudium als Grundlage für ein weites Feld an Möglichkeiten. Während seiner über 30- jährigen Richterzeit im Familien- und Strafrecht, davon 27 Jahre am Kantonsgericht, wurde er zu einem Pionier der Kinderanhörung. Früher waren Kinder lediglich Ob- jekte, über die entschieden wurde. Es gab kein gesetzliches Instrumentarium zur Anhörung. Kreativ und mutig fand er Wege, um auch die Kinder kennenzulernen und einzu- beziehen. «Die Begegnungen und Beobachtungen der Kinder waren für mich sehr wertvoll. Sie gaben mir innere Gewissheit im Hinblick auf das Urteil.» Sein Engagement brachte ihm den Respekt und das Vertrauen der Eltern ein. Dies hielt ihn nicht davon ab, wenn nötig auch harte Urteile zu fällen. Seine Erfahrungen publizierte er in Fach- zeitschriften, was nach 13 Jahren zur gesetzlichen Veranke- rung der Kinderanhörung führte. Von 2002 an konnte Bruno Roelli seine Erfahrungen auch als Lehrbeauftragter für Familienrecht an der Uni Luzern weitergeben. Auch in andern Bereichen ging Bruno Roelli vor Ort, um die andere Seite zu sehen. So half er etwa freiwillig im dama- ligen Fixerstübli im Stadthaus Luzern aus. Als Richter wollte er drogensüchtige Menschen nicht nur verurteilen, sondern ihnen durch ein Beratungsnetz, Betreuungs- und Wohnan- gebote sowie handwerkliche Tätigkeiten eine Perspektive geben. Dieses Anliegen realisierte er als Gründungs-Vize- präsident der Vorgängerorganisation des Sozialwerks Novizonte, das an Brennpunkten der Gesellschaft christliche Nächstenliebe mit professionellemHandeln verbindet. Wenn er auch kein regelmässiger Kirchgänger ist, hat der Glaube für ihn doch eine wichtige Bedeutung. «Mein Ur- und Gottvertrauen gibt mir eine Adresse für meine Dankbarkeit.» Ausgleich zum stressigen Richterjob fand Bruno Roelli neben der Musik im Wandern, Velofahren Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 19 41 und vor allem im Rudern. Mit den Jahren nahmen bei gleichbleibenden Ressourcen Arbeitsbelastung und Kom- plexität am Gericht aber zu. «Da musste ich die Reiss- leine ziehen und ging Ende Mai 2017 in Frühpension.» Früher schon hatte Bruno Roelli die Bewohnerinnen und Bewohner in den Pflegeheimen Eichhof und Steinhof mit seiner Musik unterhalten. Seit der Pensionierung ge- ben ihm seine Auftritte als Barpianist an rund zwei Aben- den im Hotel «Des Balances», freitags zur Happy Hour in der «Sonnmatt» und häufig am Sonntagnachmittag in der «Villa Honegg» auf dem Bürgenstock eine feste Struktur. Er spielt für ein gutes Ambiente, das Reden stört ihn nicht. Die Erlöse werden meist gespendet. Daneben engagiert er sich als juristischer Berater bei der Anlaufstelle Kindes- und Erwachsenenschutz KESCHA in Zürich, einem Informations- und Bera- tungsangebot für Personen, die von einer Massnahme des Kindes- und Erwachsenenschutzes Kesb betroffen sind. Zudem arbeitet er im Vorstand der Allgemeinen Bauge- nossenschaft Luzern ABL als Rechtsberater und im Fach- ausschuss Genossenschaftskultur und Soziales mit. Er schätzt es, dass die ABL ihren Mieterinnen und Mietern sicheren, der Spekulation mit ihren Mietzinsauswüchsen entzogenen Wohnraum anbietet und den Menschen eine Gemeinschaftskultur und Sozialberatung ermöglicht. Neben der Pflege seiner Partnerschaft mit Astrid und der Freundschaft in einer langjährigen Männergruppe sowie dem aktiv gepflegten Familienleben ist er dankbar, mit seinem Engagement der Gesellschaft etwas Substan- zielles zurückgeben zu können. Monika Fischer Die Auftritte als Barpianist waren für Bruno Roelli ein wichtiger Ausgleich zum stressigen Job als Oberrichter. Seit der Frühpensionierung geben sie ihm Struktur und bringen Lebensfreude. «Beim Spielen tauche ich in eine andere Welt ein. Ich komme in einen Flow, kann träumen und schöne Melodien improvisieren», sagt er. Was macht eigentlich …? Auch die andere Seite sehen Foto: Peter Lauth

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