Zenit Nr. 2, Juni 2019

4 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 19 Hanne Müller schätzt die Freiheit, das Leben selber zu gestalten und einen Sinn darin zu sehen. Das sind für sie Quellen der Lebensfreude. Sie ist dankbar für alles, was sie trotz körperlicher Behinderung erreichen konnte. Wach und kritisch verfolgt sie das Geschehen und mischt sich bei Bedarf engagiert ein. «Gönne dir täglich etwas, das dich freut» Fotos: Peter Lauth Von Monika Fischer In der geräumigen Viereinhalbzimmerwohnung in Horw verbreiten Stilmöbel und Blumen eine wohnliche Atmo- sphäre. Im Gespräch mit Hanne Müller (74) über Gott und die Welt verliert alles Äusserliche seine Bedeutung. Vielsei- tig interessiert und engagiert, hält sie sich über Zeitungen und Fernsehen auf dem Laufenden und mischt sich ein. Sie berichtet vom Leserinnenbrief, den sie angesichts der zunehmenden Kirchenaustritte geschrieben hat. Sie will dabeibleiben, ist sie doch überzeugt: «Verände- rungen müssen von unten kommen. Glauben ist nicht einfach Privatsache, sondern wird erfahrbar durch die Gemeinschaft untereinander und gemeinsames Handeln. Auch wir können dazu beitragen und Zeichen setzen, dass die Kirche glaubwürdig ist.» Als religiöser Mensch hat Hanne Müller mit ihrem Schicksal nie gehadert und Kraft im Glauben gefunden. Ebenso wichtig war ihr, im Leben einen Sinn zu sehen. «Es muss doch einen Sinn haben, dass ich trotz anderer Prognosen so alt wurde. Es muss etwas geben, das gerade ich erfüllen muss auf dieser Welt. Zu erkennen, was es ist, gibt mir Energie und Freude, das Leben mit allen Schattierungen zu leben.» Der Leitspruch eines Seelsorgers, «Gönne dir täglich etwas, das dich freut», begleitet sie seit Jahrzehnten. «Dass ich ein froher Mensch bin, hängt mit meinem momenta- nen Leben zusammen. Ich bin dankbar, dass ich jeden Tag selbstständig aufstehen und den Tag im Rahmen meiner Möglichkeiten selber gestalten kann. Seit ich nicht mehr berufstätig bin und meine Kraft auf das für mich Wesent- liche konzentrieren kann, habe ich mehr Lebensqualität.» Lebensfreude ist für Hanne Müller auch mit der Freiheit verbunden, Interessen zu pflegen, Kultur und Konzerte zu besuchen, Musik zu geniessen. «Deshalb braucht es einen Behindertenfahrdienst von Tür zu Tür für jene Betroffenen, welche den öV nicht oder nur eingeschränkt benutzen können», fordert sie ener- gisch. Mit zunehmendem Alter ist die Mobilität für sie und viele andere Menschen mit einer Behinderung zum Problem geworden. «Das Ein- und Aussteigen wird mühsamer. Ich muss wohl das Auto in ein, zwei Jahren aufgeben.» Sie schildert die aktuell unbefriedigende Situation mit dem Fahrdienst: Nachdem im Rahmen der Neugestaltung des Finanzausgleichs und der Aufgabenteilung zwischen Bund und Kantonen (NFA) die Bundesbeiträge gestrichen wurden, seien die aktuellen Kantonsbeiträge viel zu tief, um mit den abgegebenen Tixi-Taxi-Bons im Alltag aktiv zu bleiben für Besuche, Coiffeur, Einkaufen, Weiter- bildung usw. «Zurzeit erlauben sie lediglich zwei bis vier Hin- und Rückfahrten pro Monat. Da der Behinderten- fahrdienst Teil des öV sein muss, sollten sich auch die Tarife entsprechend angleichen, wie dies in anderen Kantonen der Fall ist.» Hanne Müller ist überdies der Meinung, dass auch Seniorinnen und Senioren, die ihr Auto abgegeben haben oder aus anderen Gründen den öV nicht nutzen können, anspruchsberechtigt sein müssten. Allein, aber nicht einsam Allerdings geht Hanne Müller mit zunehmendem Alter weniger aus und macht ungern Zusagen für öffentliche Auftritte. Die Ungewissheit, ob sie an dem bestimmten Termin gesundheitlich dazu fähig wäre, belastet sie. Es stört sie nicht, oft allein zu sein, im Gegenteil. «Wenn ich ganz zurückgeworfen bin auf mich selber, kann ich die schöpferischen Kräfte entfalten und auftanken. Zudem studiere ich über vieles nach und freue mich darauf, mich bei Gelegenheit mit andern auszutauschen.» Grosse Bedeutung haben für sie die Fernsehapparate in der Stube und im Schlafzimmer. Nicht nur, wenn sie durch zu langes

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