Zenit Nr. 1. März 2024

RUBRIK Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 24 25 WAS MACHT EIGENTLICH ... Das Arbeitsleben von Ferdi Steiner-Grögli (88) drehte sich meist um Finanzen. Er arbeitete für diverse Firmen in der Wirtschaft, für Versicherungen, war Finanzinspektor der Stadt Luzern, CEO der CSS-Krankenkasse. Als seine Frau Rosmarie an Demenz erkrankte, widmete er sich nach einer persönlichen Lebensbilanz ganz ihrer Betreuung. In seiner geräumigen Wohnung mit Blick auf Luzern und den Pilatus erzählt er, wie sich vor ein paar Jahren sein Leben «Knall auf Fall» verändert hatte. Nach und nach übernahm er die Hausarbeiten, kochte, wusch, putzte. Als nach einem Spitalaufenthalt eine 24-Stunden-Betreuung seiner Frau nötig geworden wäre, fand er mit sehr viel Glück einen Platz für sie im nahen Pflegeheim. «Ich besuchte sie täglich und ging mit ihr spazieren. So bekam ich einen guten Einblick in den Alltag der Institution.» Dabei fiel ihm besonders die Herzlichkeit und Empathie der Pflegenden aus anderen Kulturen auf. «Als meine Frau im Januar 2023 starb, nahmen sie mich in die Arme und weinten mit mir.» Nachdenklich erzählt er von seinem wechselvollen Leben. Es ist geprägt von Zufällen, von guten Beziehungen und Geschichten, an die er sich zum Teil bis ins Detail erinnert. Aufgewachsen mit einem Bruder und einer Schwester in Bremgarten im Freiamt, arbeitete er nach der Matura in Freiburg zuerst bei Brown Boveri in Baden und absolvierte danach ein Basisstudium an der Hochschule St. Gallen mit der Spezia- lisierung in Versicherungen. Nach dem Lizentiat war er zuerst bei der Zürich Versicherung in Luzern, danach für die Berner Versicherung tätig. Neben der Arbeit an seiner Doktorarbeit über die Entwicklung der Finanzen des Kantons Aargau bekam er als Direktionssekretär einer Buntmetallfirma Ein- blicke in die Wirtschaftsgeschichte mit ihren Entwicklungen. Seit 1968 lebte er mit der Familie in Luzern, war 1972 bis 1980 Finanzinspektor der Stadt und wechselte danach als Zentralverwalter zur CSS, wo er bis zum CEO aufstieg. «Es war eine enorm spannende Arbeit in einer Zeit sehr vieler Verän- derungen. Dazu gehört die Einführung der Automati- sierung.» Die Entwicklung der Kostensteigerungen in den Krankenkassen macht auch ihm Sorgen. Er führt sie auf drei Ursachen zurück: «Die Entwicklung der Medizin und der medizinischen Berufe; Versicherte, die das Angebot voll ausnützen wollen; die zunehmenden Kontrollvorschriften der Finma und damit der Kosten der Verwaltung.» Weshalb hat er sich immer wieder neuen Herausforderungen gestellt? «Es hat sich eines aus dem andern ergeben. Ich arbeitete gerne mit Menschen zusammen. Überall, wo ich tätig war, versuchte ich in Gesprächen mit den Mitarbeitenden zugunsten der Sache Lösungen zu finden, hinter denen eine Mehrheit stehen konnte.» So konnte sich Ferdi Steiner nach seiner Frühpensionierung mit 63 noch nicht zur Ruhe setzen. Wieder ergaben sich durch seine vielen Kontakte neue Herausforderungen unter anderem als Beirat für Wirtschaftsfragen der Köchlin-Stiftung, als Präsident der Finanzkommission von Caritas Schweiz und als Präsident des TCS, Sektion Waldstätte. Weiterhin plaudert und jasst Ferdi Steiner bei seinen regelmässigen Besuchen im Pflegeheim mit den Bewohnerinnen. Er engagiert sich bei Innovage Zentralschweiz und betreut als Mentor einen jungen Ukrainer. Seit kurzem setzt er sich in einer Kommission des Forum Luzern60plus mit der Hochaltrigkeit auseinander. «Es ist mein grosses Anliegen, dass die jungen Menschen erfahren, welchen Nutzen hocha ltrige Menschen für die Gesellschaft hatten und haben. Dass sie nicht nur Kosten verursachen und keine Profiteure der Gesellschaft sind.» Wie geht er selber mit der Hochaltrigkeit um? «Es geht mir gut. Ich merke wohl, dass die Kräfte abnehmen und ich alles aufschreiben muss. Doch lebe ich weiterhin gerne aktiv und bin dankbar für die vielen guten Beziehungen in und ausserhalb der Familie mit den zwei Söhnen und den drei Enkelinnen, die mir viel Freude bereiten.» MONIKA FISCHER An diesem Platz zwischen Küche und Wohnzimmer liest Ferdi Steiner täglich die NZZ. «Ich liebe es, mit anderen nach Lösungen zu suchen» Foto: Monika Fischer

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