KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2020

ERFAHRUNGSBER I CHT 01 / 2020 K I N D E R Ä R Z T E . SCHWEIZ 56 I m pädiatrischen Alltag stellen Patient*innen mit psy- chosomatischen Beschwerden eine Herausforderung dar. Sie sind häufig und oft begegnen wir ihnen uner- wartet. Vor allem die Arzt-Patienten-Beziehung und die Kommunikation zwischen den Beteiligten können bei zu geringer Kenntnis der spezifischen Bedürfnisse die- ser Familien schnell angespannt und dysfunktional wer- den. Dass die körperlichen Symptome nicht ausreichend durch organische Befunde erklärt werden können, führt in diesen Familien vor allem zu einer grossen Verunsi- cherung und einem Unverständnis. Es ist eine herausfor- dernde, aber integrale und wichtige Aufgabe des Pädia- ters bzw. der Pädiaterin, mit der Familie ein gemeinsames Verständnis für die Zusammenhänge zwischen den kör- perlichen Symptomen und den psychosozialen Fakto- ren zu erarbeiten und daraus Lösungsprozesse zu ge- nerieren. Dazu wurden im Kurs handlungsleitende und wertvolle Skills vermittelt. Dank diesen sowie der Zusam- menarbeit mit den Familien kann der hohen Chronifi- zierungsneigung entgegengewirkt werden. Krankheits- bedingtes Leiden und Beeinträchtigung im Alltag (wie beispielsweise Fehlen im Schulunterricht, Rückzug von Freunden) können so reduziert sowie hohe Folgekosten nachweislich gesenkt und eine Erhöhung der Lebens- qualität erreicht werden. Was uns Pädiater und Pädia- terinnen zum Denken anregen sollte, ist die Tatsache, dass Patient*innen mit somatoformer Störung überpro- portional häufig medizinische Untersuchungen und Be- handlungen bis hin zu operativen Eingriffen erhalten, die nicht nur ineffektiv, sondern auch schädlich sein kön- nen. Dies, obwohl in der Fachliteratur anerkannt wird, dass psychische und psychosoziale Faktoren bei der Ent- stehung und Aufrechterhaltung somatoformer Störun- gen eine Rolle spielen. Viele Ärzte anerkennen auch, dass sich die Beschwerden ihrer Patienten, zumindest zu einem erheblichen Teil auf psychosoziale Ursachen zurückführen lassen. Oft werden durch solche Probleme auch die Geschwister der betroffenen Kinder belastet. Konkret konnten im Kurs nach einer kurzweiligen theo- retischen Einführung ins jeweilige Thema (beispielsweise Somatisierungsstörung, chronische Kopf-/Bauchschmer- zen) die Hintergründe und möglichen Ursachen für so- matoforme Störungen anhand interessanter und kom- plexer Fallbeispiele erarbeitet werden. Auch Rollenspiele zum Einüben einer achtsamen Wortwahl bei schwieri- gen Gesprächssituationen gehörten dazu. Nicht zuletzt konnte dank der wunderschönen Um- gebung, der einladenden Infrastruktur sowie des in- teressanten Gesprächaustausches mit Kollegen und Kolleginnen aus der gesamten Schweiz und mit unter- schiedlichem Berufserfahrungsschatz auch dem eigenen Wohlergehen Beachtung geschenkt werden. Nebst die- sem Kurs haben wir im Rahmen der Fortbildung PPPP bereits drei Blöcke zu den Themen Autonomieentwick- lung, Gesprächsführung und frühkindliches Bindungs- verhalten absolviert. Mit Vorfreude erwarte ich die nächsten drei Blöcke zu den Themen Kinderschutz, Psy- chiatrie, Kinder psychisch kranker Eltern/Essstörungen und Schulprobleme. Fazit: In den differenzialdiagnostischen Überlegungen des Praktikers und der Praktikerin spielen somatoforme Störungen eine äusserst wichtige Rolle. Wer dazu hand- lungsleitende Skills zum Umgang mit solchen Patienten möchte, ist mit diesem Kurs sehr gut unterstützt. Des- halb frei nach Plato: «Dem Ganzen sollten sie ihre Sorge zuwenden, denn dort, wo das Ganze sich übel befindet, kann unmöglich ein Teil gesund werden.» ■ DR. MED. RACHEL RAUBER FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, SPEZIELL ENTWICKLUNGS- PÄDIATRIE, PRAXIS YOUKIDOC, BASEL Korrespondenzadresse: rachel.rauber@hin.ch Erfahrungsbericht aus der Fortbildung «Psychische, psycho- somatische und psychiatrische Probleme in der pädiatri- schen Praxis (PPPP)» zum Thema somatoforme Störungen (4. Block, 7./8. November 2019) «Es bricht mir das Herz und schlägt mir auf den Magen … » – Dynamik zwischen Psyche und Soma besser verstehen Im zweitätigen Kurs wurde der Schwerpunkt auf den praktischen Umgang mit Patient*innen und ihren Eltern gelegt. Anhand von Rollenspielen und den anschaulichen Beispielen der Dozenten erhielt man viele wertvolle und konkrete Instrumente für den pädiatrischen Praxisalltag.

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