FORTB I LDUNG 01 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 44 aufgenommen wird. Hier besteht offensichtlich Aufklärungsbedarf! Andere, sehr sichere und langfristige Verhütungsmittel wie IUD oder Gestagenimplantat können sich Jugendliche manchmal nicht leisten oder sie werden ihnen nicht primär angeboten. «Ich höre, was du nicht fragst» und «hidden agenda» Wir Praxispädiaterinnen kennen alle diese Situationen: Jugendliche erscheinen mit unspezifischen Symptomen wie Bauchschmerzen, Müdigkeit usw. Wir haben 15 Minuten Konsultationszeit reserviert, das Wartezimmer ist voll, das Telefon klingelt… Jugendliche schieben andere Anliegen vor. Sie prüfen zuerst unser Verhalten und verschweigen ihr Anliegen, wenn das Setting für sie nicht stimmt. Manchmal wird das konkrete Anliegen erst beim Verabschieden unter der Tür geäussert. Diese versteckten Anliegen heissen «hidden agenda». Bei den weiblichen Jugendlichen handelt es sich meist um das Thema Angst vor einer Schwangerschaft oder Wunsch zur Verhütung. Oft sind sie bemüht, den Eindruck zu machen, dass sie über alle sexuellen Themen bestens informiert sind. Sie treten selbstbewusst auf und täuschen eine gewisse Unnahbarkeit vor. Der Standardsatz «Hast du noch eine Frage?» wird prompt mit Nein beantwortet. Deshalb müssen Fragen explizit und spezifisch gestellt werden. Geeignete Fragen sind zum Beispiel: «Sicher habt ihr in der Schule Sexualkundeunterricht gehabt, woran kannst du dich noch erinnern?» Oder «Welche Verhütung würdest du wählen und wie organisieren?» Wenn die Jugendliche nicht weiss, was sie wissen sollte, dann kann sie auch nicht danach fragen! Wenn eine Jugendliche mit unklaren Bauchschmerzen oder Cystitis kommt, ist die Frage nach der letzten Menstruation, Zyklus, sexueller Aktivität enorm wichtig. In einer solchen Situation führe ich grosszügig mit Einverständnis der Patientin einen Schwangerschaftstest durch. Dieser Test vor den Augen der Patientin hat einen präventiven Ansatz: Die «pretest» Beratung «Was würde ein positiver Test für dich bedeuten»? oder dann die «posttest» Beratung «Was hätte ein positiver Test für dich bedeutet?» sind als präventive Strategie nicht zu unterschätzen. Diese Gespräche erlauben es den Jugendlichen, unsere Offenheit zum Thema Schwangerschaft wahrzunehmen und ermöglichen die Vereinbarung eines Termins für die eingehende Verhütungsberatung. Die Erfahrung zeigt, dass Jugendliche ihre konkreten Anliegen oft nicht direkt oder dann erst am Schluss der Konsultation äussern. Wenn die Jugendliche nicht weiss, was sie wissen sollte, dann kann sie auch nicht danach fragen! Strafloser Schwangerschaftsabbruch in der Schweiz Nach bestätigter Schwangerschaft sollte unverzüglich eine Anmeldung in einer Beratungsstelle für Konfliktschwangerschaften erfolgen, wo die Jugendliche auf eine Beraterin trifft, die mit dem Thema TS vertraut ist. Die Beratung muss neutral sein, damit die Jugendliche eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen kann. Eine Entscheidung sollte möglichst nicht unter Zeitdruck getroffen werden, insbesondere junge Jugendliche benötigen Zeit, um mit ihren Gefühlen klar zu kommen und mit Familie und/oder Partner die Situation zu besprechen. Der Grossteil der Jugendlichen in der Schweiz entscheidet sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Dieser wird von der ausführenden Stelle anonym dem Kantonsarzt gemeldet und kann medikamentös oder chirurgisch erfolgen. Alle unter 16-jährigen Schwangeren müssen von einer vom jeweiligen Kanton beauftragten Stelle für Konfliktschwangerschaft beraten werden. Eine Besprechung in der Kinderschutzgruppe ist oft empfehlenswert, um die Gesamtsituation der Jugendlichen und ihres Umfelds einzuschätzen und zu verbessern, insbesondere, wenn für eine Jugendliche die Geheimhaltung wichtig ist. Dabei werden auch Fragen der Kosten, Krankenkasse, allfällige Gefährdungsmeldung sowie die weitere Finanzierung der Kontrazeption angegangen. Schwangerenbetreuung, Risiken einer TS und Folgen Eine Teenagerschwangerschaft, speziell bei jungen Teenagern, sollte möglichst früh im interdisziplinären Team mit erfahrenen Fetomaternalmedizinern und unter Einbezug der Sozialarbeit und Psychologie betreut werden. Gelegentlich wird die Schwangerschaft erst nach der 12. Schwangerschaftswoche diagnostiziert, sodass die gesamte Pränatalberatung und Untersuchungen des ersten Trimenons verpasst wurden, ebenso die Folsäureprophylaxe und der erste Screeningultraschall, der u.a. die Frühdetektion von fötalen Fehlbildungen zum Ziel hat. Ein Eisenmangel ist häufig in der Adoleszenz (Wachstum, ungesunde Ernährung, Hypermenorrhoe) und wird durch den zusätzlichen Bedarf in der Schwangerschaft verschärft. Drogen, Nikotin, Alkohol und Designerdrogen sind zusätzliche Risiken für das Ungeborene. HosAbbildung 2: Beispiel einer Skizze der inneren Geschlechts- organe und Erklärungen der Funktion.
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