KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2019

B e r u f s v e r b a n d K i n d e r - u n d J u g e n d ä r z t e i n d e r P r a x i s KINDERÄRZTE.SCHWEIZ NEWS 01/2019 www.kinderaerzteschweiz.ch  info@kinderaerzteschweiz.ch Tabakprävention: Kinder vor Tabak schützen Berufsbild Kinder- und Jugendarzt KIS Wintertagung 2019 Themenheft Kinder- und Jugendgynäkologie kinderärzte.schweiz Berufsbild in Praxis und Spital Kinder- und Jugendarzt RZ_Brosch-Berufsbild_DE.indd 1 18.02.19 15:35 Kaugummizigarette ist nicht zum Verzehr geeignet.

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 3 01 / 2019 INHALT/IMPRESSUM ■  HABEN SIE ANREGUNGEN, KRITIK ODER LOB? Dann schicken Sie uns eine E-Mail an: info@kinderaerzteschweiz.ch Wir freuen uns. IMPRESSUM REDAKTIONSTEAM: Dr. med. Matthias Furter, Winterthur; Dr. med. Stefanie Gissler Wyss, Neuendorf; Dr. med. Raffael Guggenheim, Zürich (Leitung); Dr. med. Cyril Lüdin, Muttenz; Dr. med. Nadia Sauter Oes, Winterthur; Dr. med. Jürg C. Streuli, Uznach; Dr. med. Kerstin Walter, Bern; Dr. Daniel Brandl, PhD, Geschäftsführer HERAUSGEBERIN: Verlag Praxispädiatrie GmbH, Badenerstrasse 21, 8004 Zürich ABO: 4 Ausgaben/Jahr: Fr. 48.– inkl. Porto (für Mitglieder inklusive) Spezialpreis für Mütter- und Väterberatungsstellen sowie Nonprofit-Organisationen im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit: Fr. 32.– inkl. Porto BILDER/ILLUSTRATIONEN: Initiative «JA zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung», Bootzbootz Visuelle Kommunikation, Shutterstock, Kerstin Ruoss, Kinderärzte Schweiz, Ruth Draths, Kerstin Walter, Daniel Brandl, Jan Cahlik, Adobe Stock, Universitäts-Kinderspital Zürich/ Bundesamt für Gesundheit, EKIF, SGP, InfoVac, Swissmedic, Nora Rufener, Heidi Zinggeler Fuhrer, JHaS, mfe, Anja Diethelm-Lüthi, Beatrice Kivanc, Diederich/Holzgreve et al., Oppelt/Dörr et al., S. Fontana, Renate Hürlimann, K. Kapczuk et al., Wolf-Esser-Mittag, Kaylima, Praxis Kinderwelt Brig, Martin Sutter, Anna Bewer Silvestri, Antje Hugi Maier. KORRESPONDENZ: Kinderärzte Schweiz Badenerstrasse 21, 8004 Zürich Telefon 044 520 27 17 info@kinderaerzteschweiz.ch, www.kinderaerzteschweiz.ch INSERATE: Dr. med. Cyril Lüdin, cyril@luedin.eu GRAFIK, SATZ UND DRUCK: Vogt-Schild Druck AG, CH-4552 Derendingen Auflage: 1350 Expl. Nächste Ausgabe: 02/2019 Redaktionsschluss: 23. April 2019 neutral Drucksache No. 01-19-836998 – www.myclimate.org ©myclimate – TheClimate Protection Partnership PERFORMANCE EDI TOR IAL 5 Gemeinsamkeit statt rote Köpfe / Jugendgynäkologie für die Praxis INTERN 7 Druckerschwärze, mittelalterliche Medizin, Planungssitzung und viel Spass! VERBANDSZ I ELE 8 Pädiatrische Primärversorgung in Österreich, Deutschland, Frankreich und in der Schweiz – ein Vergleich BERUFSPOL I T I K 11 Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen 13 Berufsbild Kinder- und Jugendarzt 13 Berufsbild: eine Notwendigkeit? Eine Überzeugung! 14 Kinder vor Tabak schützen – es braucht Eure Unterstützung! 15 Snus, Shisha und E-Zigaretten – Tabakprävention angesichts neuer Produkte 20 KIS Wintertagung – «Impfen» 23 Bedarfsklärung zur Darstellung des Schweizerischen Impfplans 24 Nora Rufener: unglaublich stark und mutig! 26 Die Jungen Hausärzte Schweiz machen sich auch für Kinderärzte stark! 28 mfe: 2019 – Wahljahr DI E MPA SE I TEN 30 Pädiatrische Telefontriage 31 Impfen – Wann? Warum? Zu welchem Zeitpunkt? FORTB I LDUNG 32 Genitale Fehlbildungen beim Mädchen 38 Blutungsstörungen bei Jugendlichen – Grundlagen für die pädiatrische Praxis 42 Schwanger – was nun? 46 Die weibliche Genitalbeschneidung 49 Das neue Neugeborenenhörscreening – beidseits hilft mehr als nur einseitig 51 OAE-Screening: «…damit ich dich besser hören kann» KURSE /WORKSHOPS / FORTB I LDUNGEN 52 Veranstaltungskalender 53 Die gute Fortbildung / Die gute Idee 55 Kurse KIS REDAKT IONELLE SE I TEN 56 Praxistour: Pädiater stellen ihre Praxis vor ERFAHRUNGSBER I CHTE 58 Erfahrungsberichte über die Kinder- und Jugendmedizin in fernen Ländern 58 Pädiatrie in Nepal 60 Einführungsworkshop medizinische Hypnose 61 Fortbildungstag Kinder- und Jugendgynäkologie 62 Vorsorgekurse 1 bis 24 Monate

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 5 01 / 2019 EDI TOR IAL Rote Köpfe und Gräben helfen nicht dabei, Hürden zu überwinden – miteinander zum gemeinsamen Ziel zu gehen trägt Früchte Neben unseren tragenden Säulen Kurswesen, News und Jahrestagung setzen wir uns seit mehreren Jahren für Vernetzung und Nachwuchsförderung ein. Dies als kleiner Verband mit wenigen Ressourcen – schrittweise und manchmal mit mässigem Tempo, dafür umso hartnäckiger.  Die Praxispädiater haben sich vor bald 25 Jahren entschieden, unabhängig von der SGP ihren eigenen Weg zu gehen. Aber es geht auch gemeinsam. Das Berufsbild Kinder- und Jugendarzt, das ihr nun in euren Händen halten könnt, ist das Ergebnis der gemeinsamen Arbeit. Es soll für Nachwuchsförderung und berufspolitische Zwecke eingesetzt werden. An dieser Stelle allen Beteiligten ganz herzlichen Dank! Impfen ist unser Alltag. In den letzten Jahren gab es da so manche Hürde und Ende letzten Jahres schon vor Inkrafttreten des neuen Impfplanes einige rote Köpfe. Diese gab es auch an unserer Wintertagung. Gemeinsam am Tisch sitzen, einander zuhören und nach Lösungen suchen hilft dabei, dem Ziel näherzukommen: unsere Kinder bestmöglich zu schützen. Nachwuchs: Meine langjährige MPA hat Nachwuchs bekommen: Hurra! Wie schwierig es ist, qualifizierte, pädiatrisch geschulte MPAs zu finden, wissen wir alle. Gut setzt sich KIS schon seit Jahren für die Förderung unserer MPAs ein. Aber es braucht noch mehr.  Junger Nachwuchs für den Vorstand ist mit Nora Rufener gefunden und an der nächsten Jahrestagung können wir euch noch drei weitere Vorstandsanwärter vorschlagen. Wir freuen uns sehr über unseren Vorstandsnachwuchs und auch darüber, dass unser Aufruf zur Besetzung der Delegiertensitze mfe von euch nicht ungehört geblieben ist. Nur die Suche nach einem neuen Präsidium blieb leider weiterhin erfolglos. Ob es der neu eingesetzten Findungskommission gelingen wird, diese Aufgabe zu lösen und das präsidiale Amt neu zu besetzen? Wer wagt es, in die Fussstapfen des aktuellen Präsidiums zu treten? Tabakinitiative: Damit unser aller Nachwuchs schon gar nicht erst mit dem Konsum von Tabakprodukten anfängt, unterstützen wir mit aller Energie die Eidgenössische Volksinitiative «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Nebst Berufsbild liegt diesem Heft auch ein Sammelbogen für Unterschriften bei. Wenn jede Arztpraxis 50 Unterschriften sammelt, schaffen wir es, auch dieses Ziel gemeinsam zu erreichen. Jürg Barben zeigt in seinem Artikel prägnant auf, warum diese Initiative so wichtig ist. Ich danke euch allen für eure Mithilfe, dass im Sammelmonat März genügend Unterschriften zusammenkommen, sodass die Initiative lanciert werden kann. Heidi Zinggeler Fuhrer Jugendgynäkologie – wir machen Mut für die Praxis Dieses Heft über Jugendgynäkologie für Pädiater soll die Breite dieses Spezialgebietes zeigen und Mut machen, sich auch als Kinderärztin in der Praxis mit Fragen der Jugendgynäkologie zu befassen. Es freut uns sehr, in diesem Heft neben Pädiaterinnen auch MPAs als Autorinnen eine Stimme zu geben.  Antigona Rufati hat sich in ihrer Abschlussarbeit als MPA mit FGM (Female Genital Mutilation) beschäftigt und möchte mit dem Artikel die Pädiater für dieses Thema sensibilisieren. Dorit Hoffmann, Stv. Leitende Ärztin für Jugendmedizin und Adipositas am KSW, gibt einen umfassenden Überblick über die häufigen Blutungsstörungen sowie praxisorientierte Abklärungs- und Therapieoptionen im pädiatrischen Kontext (ohne die eher gynäkologisch gesehenen Erkrankungen, wie Ovarialzysten, Endometriose oder uterine Fehlbildungen).  Renate Hürlimann, Leiterin der Kinder- und Jugendgynäkologie am Kispi Zürich, befasst sich mit Risiken, Prävention und Begleitung rund um Teenager-Schwangerschaften. Kontrazeptionsberatung, Jugendsexualität und Risikoverhalten sind auch für Praxispädiater, die Jugendliche betreuen, wichtige Themen. Eine niederschwellige und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Kinderschutzgruppe sowie der Gynäkologie ist in schwierigen Fällen unabdingbar.  Kerstin Ruoss, Oberärztin am Kispi Zürich, beleuchtet das komplexe Thema der weiblichen genitalen Fehlbildungen. Ihre gut verständliche Übersichtsarbeit mit praxisorientierten Tipps soll Pädiater ermutigen, das Genitale bei Mädchen anzuschauen und bei Verdacht auf Fehlbildung frühzeitig eine spezialisierte Abklärung einzuleiten. Mädchen mit genitalen Fehlbildungen sollen in einem interdisziplinären Team betreut und bis ins Erwachsenenalter begleitet werden.  Wir danken allen beteiligten Autorinnen herzlich für ihre Mitarbeit an dieser Ausgabe und wünschen Ihnen viel Lesevergnügen. Stefanie Gissler Wyss und Ruth Draths P. S: Für die Geburt dieses Heftes durfte ich auf die engagierte Hilfe von Dr. med. Ruth Draths zählen. Ich möchte ihr herzlich danken für die Zeit, die sie sich genommen hat, zum Besprechen und Redigieren der Artikel und für ihre fachlichen Ergänzungen von gynäkologischer Seite her. Stefanie Gissler Wyss DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER, CHUR, PRÄSIDENTIN KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch DR. MED. RUTH DRATHS, CO-EDITORIN, FACHÄRZTIN FMH FÜR GYNÄKOLOGIE UND GEBURTSHILFE, SURSEE, CO-PRÄSIDENTIN GYNEA, ARBEITSGEMEINSCHAFT KINDERUND JUGENDGYNÄKOLOGIE SCHWEIZ, www.gynea.ch Korrespondenzadresse: ruth.draths@ frauenpraxis-buchenhof.ch DR. MED. STEFANIE GISSLER WYSS, CO-EDITORIN UND MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, NEUENDORF Korrespondenzadresse: s.gissler@hin.ch

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K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 7 01 / 2019 INTERN Ausflug der Redaktionskommission nach Solothurn vom 13. Dezember 2018: Druckerschwärze, mittelalterliche Medizin, Planungssitzung und viel Spass! Die wirklich hart und engagiert arbeitenden Mitglieder unserer Redaktionskommission, welche für die tollen Inhalte und das pünktliche, vierteljährliche Erscheinen unserer «KIS News» verantwortlich ist, treffen sich einmal jährlich zu einer Planungssitzung. Als kleines Dankeschön für ihre wertvolle Mitarbeit kombinieren wir dieses Meeting jeweils mit einer Aktivität. So spazierten wir im Dezember 2017 mit einem Nachtwächter durch das vorweihnachtliche Zürich und im letzten Jahr stand ein Besuch in Solothurn an:  Diejenigen, welche sich bereits den Nachmittag des 13. Dezembers 2018 frei nehmen konnten, besichtigten in Derendingen die Druckerei Vogt-Schild, welche seit vielen Jahren unsere Verbandszeitschrift vom Manuskript bis zum Endprodukt, das Sie im Moment in den Händen halten (oder als E-Paper auf einem Bildschirm lesen), für uns produziert. Wir waren beeindruckt von der Grösse und den modernen Anlagen des Betriebs und es war äusserst spannend zu sehen, wie aus unseren MS-Word-Dokumenten in der Vorstufe einzelne Zeitschriftenseiten erstellt werden und wie diese dann in verschiedenen weiteren Schritten zum vierfarbig gedruckten, gefalzten, gehefteten und verpackten Produkt werden. Einen grossen Dank an die Mitarbeiter von Vogt-Schild für den herzlichen Empfang (inklusive selbstgebackene Weihnachtsgutzi!) und die interessante Betriebsführung. Wir schätzen die langjährige, sehr gute und professionelle Zusammenarbeit.  Auf einem interessanten Rundgang durch die wunderschöne Altstadt Solothurns erzählte uns die versierte kulturhistorische Stadtführerin Marie-Christine Egger allerlei zum Thema Medizingeschichte: Wir lernten viel Spannendes über mittelalterliche Ärzte, Bader, Scherer, Handwerkschirurgen, Dentisten und Starstecher. Bei einem Glas Spitalwein erzählte uns Frau Egger über den Aberglauben der mittelalterlichen Kollegen und händigte uns medizinische Rezepte aus der Vergangenheit aus:  Wussten Sie, dass man die wunden Stellen von Hämorrhoiden mit Tauwasser, das kurz vor Sonnenaufgang in Nächten mit abnehmendem Mond gesammelt werden muss, bestreicht oder dass «Rabenkoth in einen hohlen Zahn gethan, macht, dass er ausfällt und folglich der Schmerz vergeht»? (Pulverisierte Regenwürmer als Mittel gegen Kolik und Gelbsucht waren sogar mir als Nichtmediziner seit jeher bekannt, jedoch erstaunte mich die Wirkung des vierblättrigen Kleeblatts gegen 4-tägiges Fieber: Jeden Tag ein Blatt essen vertreibt das Fieber garantiert…). Schwindsucht wird mit neun Läusen kuriert: Der Patient isst immer drei auf einem Brotbissen und zwar an dem Tag, an welchem der Mond drei Tage alt ist. Zur Säuberung der Zähne wird Urin angepriesen; der inhalierte eigene Urin hilft auch gegen Ohrensausen, übles Gehör und Taubheit.  Im Restaurant Baseltor gesellten sich die übrigen Mitglieder der Redaktionskommission sowie meine Vorvor-vor-vorgängerin Heidi Fedeli Schönberg zu unserer heiteren Gruppe. In einer produktiven Mischung aus Planungssitzung, Essen, Trinken und Plaudern wurden aktuelle Anliegen sowie zahlreiche Vorschläge für die Schwerpunkte der Hefte für 2019 und 2020 erörtert, diskutiert, debattiert und verabschiedet. Trotz – oder vielleicht gerade wegen – der informellen Atmosphäre kamen viele Ideen zustande, sodass unsere Leser sich auch in den nächsten Jahren auf interessante und praxisrelevante Themenhefte freuen dürfen.  Ich möchte mich an dieser Stelle bei allen Mitstreitern in der Redaktionskommission für die stets wirklich wunderbare Zusammenarbeit bedanken: eure vielen guten Ideen, euer Einsatz für KIS, eure Tatkraft, Eure Argusaugen beim Korrekturlesen und – last but not least – der freundschaftliche und humorvolle Umgang, den wir untereinander pflegen, machen es für mich alle drei Monate zum Vergnügen, gemeinsam mit euch eine neue Ausgabe der «KIS News» herauszubringen. Merci! ■ DR. DANIEL F. BRANDL, PHD, GESCHÄFTSFÜHRER KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: daniel.brandl@ kinderaerzteschweiz.ch V.l.n.r.: Cyril Lüdin, Stefanie Gissler Wyss, Daniel Brandl, Kerstin Walter, Raffael Guggenheim bei der Betriebsbesichtigung von Vogt-Schild Druck AG in Derendingen. Rundgang durchs vorweihnachtliche Solothurn mit unserer Stadtführerin Marie-Christine Egger.

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 8 VERBANDSZ I ELE 01 / 2019 Anlässlich der 56. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde fand eine Vortrags- und Diskussionsrunde zum Thema Ländervergleich der pädiatrischen Primärversorgung in Österreich (A), Deutschland (D), Frankreich (F) und in der Schweiz (CH) statt. Ich durfte unseren Berufsverband repräsentieren und möchte über einige ausgewählte Themen berichten.  Der Inhalt der Vorträge, denen eine Podiumsdiskussion folgte, gab einen groben Überblick über die Zahlen der Praxispädiatrie der einzelnen Länder und erklärte die jeweiligen Gesundheitssysteme. Die Einschätzung der Zukunftsperspektiven bot dann die Einleitung zum offenen Gedankenaustausch. Obwohl wir alle im Prinzip sehr ähnlich arbeiten und etliche Sorgen teilen, gibt es doch auch einige deutliche Unterschiede zwischen den Ländern. Interessant ist auch, dass es in A und F im Gegensatz zu D und CH keine vergleichbare Ausbildung zu einer MPA gibt. Zahlen: Auf der einen Seite haben Österreich (8747000) und die Schweiz (8482200) in etwa die gleiche Bevölkerungszahl, dagegen sind Frankreich (67186900) und Deutschland (82670000) um ca. den Faktor 10 grösser. In allen Ländern wird der Anteil von Kindern und Jugendlichen (jünger als 18 Jahre) mit ungefähr 20% angegeben.  Das Verhältnis von Spital- zu Praxispädiatern differiert von Land zu Land: in D (54%) und in CH (59%) sind gut sowie in A (44%) knapp die Hälfte der Fachärzte niedergelassen – in F sind es mit 23% deutlich weniger. Rechnet man die Zahlen auf die unter 20-Jährigen um, so betreut ein Praxispädiater in F 4523, in D 2282, in CH 1500 und in A 2445 Kinder. Allerdings relativiert sich dies in Österreich, wenn man die «Privatärzte» (= Wahlärzte, siehe weiter unten) abzieht: dann sind es 5462 Kinder pro Pädiater. Diese Zahlen können nicht die Teilzeitpensen berücksichtigen (hierzu gibt es keine verlässlichen Zahlen) und natürlich auch nicht die Tatsache, dass etliche Kinder von Allgemeinärzten versorgt werden.  Zum letzteren Punkt gibt es unterschiedliche Zahlen. Bei uns schwanken die Schätzungen zur Quote der durch Pädiater versorgten Kindern und Jugendlichen zwischen 40 und 60% (je nach Gegend). In Frankreich sei es unter 2 Jahren ähnlich, danach sinkt der «pädiatrische Anteil» auf ca. 20%. In D gibt es konkretere Zahlen zu den Vorsorgeuntersuchungen – hier sowohl zur Teilnahme insgesamt sowie zum Anteil der durch Pädiater durchgeführten Kontrollen: Bei Säuglingen und Kleinkindern werden die vorgeschlagenen Untersuchungen (zum Teil verpflichtend) von über 90% der Familien wahrgenommen (> 90% bei Kinderärzten), bei den 4 – 6Jährigen zeigt sich eine Teilnahme um die 80% (ca. 90% pädiatrisch) und von den Jugendlichen kommen immerhin noch knapp die Hälfte zu den Vorsorgeuntersuchungen (45%, davon gut 70% zum Kinder- und Jugendarzt). Primärversorgung: In allen Ländern kann der niedergelassene Pädiater seine Patienten umfassend betreuen: Er führt Vorsorgeuntersuchengen und Impfungen durch, behandelt akute Erkrankungen, betreut chronisch Kranke und kann je nach (zusätzlicher) Ausbildung spezifische Untersuchungen anbieten oder diese delegieren. Allerdings gibt es in den «Systemen» zum Teil wesentliche Unterschiede im Vergleich zur Schweiz. Für uns sind alle Patienten «gleich» und wir dürfen (noch) die (meisten) erbrachten Leistungen abrechnen. Hier die Situation in den Nachbarländern: ■ Frankreich: es gibt eine unbeschränkte Niederlassungsfreiheit und es gibt zwei «Arten» der Pädiater – «Secteur 1» mit fixen Honoraren, aber Vorteilen bei den Sozialabgaben sowie «Secteur 2»: Hier benötigt man zusätzliche spezifische Weiterbildungen und darf dann die Honorare frei bestimmen. Die Verteilung ist in etwa ²/³ zu ¹/³, wobei die zweite Variante bei den jüngeren Kollegen zunimmt. Zu erwähnen ist noch, dass die Rechnung für eine Behandlung direkt (vor Verlassen der Praxis) beglichen wird. Die Patienten können dann den Betrag von ihrer Krankenkasse zurückfordern (ausgenommen sind finanziell schlecht gestellte Patienten – hier rechnet der Arzt mit einer gesonderten Kasse direkt ab). Der Arzt ist oft «wörtlich» zu nehmen, denn in F haben fast die Hälfte der Kollegen keine Angestellten. Es wurde auch die sehr umfangreiche und sehr frequentierte, von Pädiatern für Eltern erstellte Website mit vielen Informationen vorgestellt (www.mpedia.fr). Berichtet wurde zudem über die – auch staatlich geförderte 56. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde, Linz, September 2018 Pädiatrische Primärversorgung in Österreich, Deutschland, Frankreich und in der Schweiz – ein Vergleich DR. MED. JAN CAHLIK, AFFOLTERN A.A., VIZEPRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: b.j.cahlik@datazug.ch Einwohner Pädiater Kinder/Jugendliche (Facharztanteil in der Praxis) pro Pädiater  8482200 59% 1500  8747000 54% 2445 (5462) 82670000 44% 2282 66900000 23% 4523

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 9 – Impfprävention und insbesondere die im Januar 2018 eingeführte indirekte Impfpflicht (ohne nachgewiesene Impfungen keine Aufnahme in Krippen, Kindergärten und Schulen). Die ersten Erfahrungen zeigen nur äusserst wenig öffentlichen Widerstand, deutliche Reduzierung der Impfdiskussionen in den Praxen und gestiegene Durchimpfungsraten. ■Österreich: Hier gibt es eine festgelegte Anzahl von Kassenarzt-Stellen. Die Kollegen erhalten eine festgelegte Fallpauschale pro Patient («Scheinwert»: schwankt zwischen 50 Euro im Burgenland und 61 Euro in Wien). Zudem gibt es die oben bereits erwähnten Wahlärzte, die keine Kassenbindung haben. Sie können ihre Honorare selbst festlegen. Ihren Patienten garantieren die Versicherungen 80% des Kassensatzes… – sprich: Diese müssen mindestens 20% selbst übernehmen und die Versicherungen sparen pro Patient 20% der Vergütung! Kein Wunder, dass bereits viele «Kassenstellen» unbesetzt sind – letztlich haben beide Seiten keine grosse Motiva- tion, solche Verträge abzuschliessen. Folgerichtig gibt es in A bereits mehr pädiatrische Wahl- (343) als Kassenärzte (278) – dies gilt auch für andere Fachrichtungen. ■Deutschland: Es gibt einen festen Verteilungsschlüssel für «Kassensitze». Wer einen solchen besitzt, der kann für «Kassenversicherte» (die Mehrheit der Patienten) an eine Zwischenstelle (Kassenärztliche Vereinigung) Rechnungen ausstellen. Es gibt prinzipiell eine «Kopfpauschale» (Fallwert 2016: 59,08 Euro pro Patient und Quartal), zusätzlich besteht aber auch eine Obergrenze für alle ambulanten Leistungen (Globalbudget). In den letzten Jahren kamen zunehmend zusätzliche – besonders wichtig: ausserbudgetäre – Selektionsverträge hinzu. Für die Pädiater wurden diese insbesondere durch den Berufsverband ausgehandelt. Zusammen mit den Privatvergütungen (s.u.) macht dieser Bereich inzwischen ca. 20% des Umsatzes aus. Neben den Kassenpatienten gibt es auch «privat Versicherte» (für diese gibt es allerdings bestimmte Voraussetzungen: Selbstständigkeit, Beamte, Mindestverdienst, meist höhere Prämien). Hier können die Ärzte eine bessere und bis zum gewissen Masse freie Honorarordnung anwenden. Der Anteil der Privatpatienten in den Praxen schwankt je nach Region und Fachrichtung zwischen wenigen und nahezu 100 Prozent. Zudem erscheint interessant, dass in den letzten Jahren das Verhältnis der Praxisformen in etwa konstant geblieben ist (aktuell 2017) – Einzelpraxen: 2284, Gemeinschaftspraxen: 2134. Zusätzlich gibt es noch eine deutlich geringere Zahl von Praxisgemeinschaften (290) sowie Med. Versorgungszentren (228). Zukunftsaussichten: Die Kollegen haben auch einen länderspezifischen Ausblick vorgetragen. Für Österreichwurde vor allem auf die mangelnde Versorgung der Patienten ausserhalb der Praxiszeiten fokussiert. So gibt es dort am Freitagnachmittag sowie an Wochenenden und Feiertagen weitgehendst keine geregelte Notfallversorgung – es werden überwiegend die Notfallstationen der Spitäler frequentiert. Von der pädiatrischen Seite her lief daher in Wien ab November 2013 ein zweijähriges Pilotprojekt einer an ein Kinderspital angegliederten, aber von diesem ansonsten unabhängigen Notfallpraxis (ähnliches Prinzip wie bei uns z.B. in Basel und Zürich seit einigen Jahren). Der (zu erwartende?) Erfolg führte dazu, dass dieses Projekt verlängert wurde und zusätzliche Praxen in Wien initiiert wurden – auch in anderen Städten (z.B. Graz) ist dies geplant. Wünschenswert wäre natürlich eine flächendeckende Versorgung. Leider wird von der Politik auch ein anderes Modell für die allgemeine Primärversorgung diskutiert: ein Primary Health Care Center (PHC). Hier soll ein «Kernteam» aus Internisten und Krankenschwestern eine Triage durchführen und die Patienten bei Bedarf an weitere «Spezialisten» weiterweisen: Ergotherapeuten, Sozialarbeiter, Logopäden, Hebammen, Psychologen und andere wie «auch» an Pädiater. Nach vehementem Einwand der ÖGKJ «dürften» die Pädiater dem Kernteam beratend zur Seite stehen, aber weiterhin unter Führung der Internisten. Ob dies – wie von der Politik gewünscht – wirtschaftlicher wäre, ist mehr als zweifelhaft. Sicher wäre es aber ein klarer Rückschritt in der Qualität der medizinischen Versorgung der Kinder und Jugendlichen.  InDeutschlandwurde seit Jahren die Abschaffung der Pauschalen und Budgets gefordert und ist auch weiterhin das Ziel. Nicht zuletzt wegen des bisher nicht zufriedenstellenden Erfolges entstanden insbesondere die oben erwähnten Selektivverträge, die kontinuierlich angepasst werden (und zunehmen). Ein Erfolg ist die Zusage der jetzigen Regierung, dass die «sprechende» Medizin bessergestellt werden soll – dies muss beobachtet und notfalls eingefordert werden. Zudem wird intensiv an der Nachwuchsförderung gearbeitet. Dies bereits im Studium – es gibt einen «Masterplan Medizinstudium 2020», der unter anderem einen besseren Zugang zum Studium ermöglichen und einen «Pfad Primärversorgung» beinhalten soll – aber auch später in der Facharztausbildung, wo die finanzielle Förderung in der Pädiatrie derjenigen in der Allgemeinmedizin gleichgestellt werden soll.  Auch in Frankreich nimmt die Regierung die Versorgungsprobleme wahr. So gibt es dort einen Plan «Ma santé 2022 – du gouvernement Macron» (mit geplantem Volumen von 3,4 Mrd. Euro), der unter anderem den Zugang zum Medizinstudium erleichtern und 4000 staatlich finanzierte Assistenten für Praxen (insbesondere 01 / 2019 VERBANDSZ I ELE

K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ VERBANDSZ I ELE 01 / 2019 10 Im Rahmen der 56. Jahrestagung der Österreichischen Gesellschaft für Kinder- und Jugendheilkunde fand nicht nur eine Vortrags- und Diskussionsrunde zur pädiatrischen Primärversorgung statt (siehe separaten Bericht), sondern es gab auch die Möglichkeit für zahlreiche informelle Gespräche mit den Kollegen.  Besonders eindrücklich – leider im negativen Sinn – fand ich den Austausch mit dem Chefarzt einer grösseren Kinderklinik in Österreich. Der Name und Ort sind mir bekannt, ich möchte ihn aber nicht nennen, da dem Kollegen als Angestelltem öffentliche Kritik nicht erlaubt ist. Für mich zeigte sich anlässlich dieses eindrücklichen Austausches wieder einmal, dass wir für die Pädiatrie immer und immer wieder einstehen müssen, denn so, wie dieser Kollege seinen Berufsalltag beschreibt, sollte der Ablauf eigentlich nicht möglich sein! Folgende drei Punkte möchte ich berichten: ■Da es in Österreich keine flächendeckende Notdienstregelung gibt, werden vor allem am Wochenende und an Feiertagen die Notfallstationen der Spitäler frequentiert. Für das Betreiben der Notfallstation gibt es für die Kinderklinik ein festgelegtes jährliches Budget. Dieses war in den letzten Jahren regelmässig – also nach etwa 2½ Monaten – aufgebraucht; alle anschliessenden Leistungen wurden also dann vom Spital kostenlos erbracht. Dies wurde nun verändert, das Budget wurde verdoppelt (wofür sich die Verantwortlichen öffentlich loben liessen) – immerhin ist nun also etwa ein halbes Jahr finanziell abgedeckt, wenn auch dieses Geld dem stationären Sektor entzogen wurde: So etwas nennt man dann «kostenneutral»… ■Nach Berechnungen des österreichischen Bundes könnte dieses Kinderspital gemäss der Grösse, Anzahl der Fachärzte, angebotenen Leistungen und anderen Kriterien 13 Ausbildungsplätze für Weiterbildungsassistenten anbieten. Das Problem ist nur, dass diese vom Bundesland finanziert werden müssten – und dieses bezahlt aktuell ganze 4 Ausbildungsstellen: So etwas nennt man dann Nachwuchsförderung… ■Aufgrund der zunehmenden Abwanderung der Fachärzte (nach Deutschland und in die Schweiz?) wurden die Löhne der Fachärzte vor drei Jahren um ca. 30% erhöht und gleichzeitig die Arbeitszeit um 30% reduziert. An sich lobenswert – allerdings blieben das Leistungsangebot und der Stellenschlüssel gleich. Ein Schelm, der Böses denkt? Nun gibt es also entweder eine Zunahme der unbezahlten Überstunden oder eine Verschlechterung der Versorgungsqualität – oder sieht jemand eine andere Möglichkeit? Ein «geschickter» Schachzug, denn es ist schwierig zu kritisieren, wenn man weniger arbeiten darf und mehr Geld bekommt… Ähnliche Beispiele liessen sich sicherlich auch in anderen Ländern finden… leider. Darum ist und bleibt der Einsatz in der Berufspolitik so wichtig, damit wir unsere für die Schweizer Pädiatrie erkämpften Bedingungen bewahren und – durch gemeinsamen und unablässigen Einsatz – verbessern können! ■ DR. MED. JAN CAHLIK, AFFOLTERN A.A., VIZEPRÄSIDENT KINDERÄRZTE SCHWEIZ Korrespondenzadresse: b.j.cahlik@datazug.ch LINZ, September 2018: Ein ernüchterndes Gespräch mit einem österreichischen Kollegen – oder warum es so wichtig ist, für unseren Berufsstand einzustehen in unterversorgten Regionen) schaffen soll. In der Pädiatrie soll dies zu einem merklichen Zuwachs an Fachärzten führen. Die Aufgaben der Berufsverbände (nicht nur in der Pädiatrie) bestehen sicherlich auch darin, die Entwicklung genau zu beobachten, zu versuchen, Verbesserungen einzubringen und zu schauen, dass zumindest ein Teil der Versprechungen eingehalten wird.  Einig waren sich – leider – alle Referenten und Anwesenden darin, dass ohne Änderungen und Anstrengungen unsererseits die derzeitige pädiatrische Versorgung im höchsten Masse gefährdet ist. Hierzu sind vielleicht zwei Beiträge aus der anschliessenden Podiumsdiskussion zu erwähnen. Zum einen bezeichnend und auch etwas ernüchternd: – Gibt es ein Land oder Beispiel, wo die Nachwuchsförderung gut und effizient funktioniert? Darauf konnte keiner antworten… Und zum anderen zukunftsgerichtet: – Gibt es Umfragen oder Untersuchungen, was es braucht, damit Studenten und «frische» Mediziner sich für die (pädiatrische) Praxis begeistern können? Auch hierzu keine Antwort, aber Einigkeit, dass eine solche Studie eine mehr als lohnende Zukunftsaufgabe wäre! Für uns in der Schweiz ist abschliessend Folgendes zusammenzufassen: Mit unserem aktuellen «System» stehen wir im Vergleich derzeit (noch) recht gut da. Allerdings ist dieser Status verbesserungswürdig/-fähig sowie vor allem auch nicht garantiert. Er ist vielmehr gefährdet! Wir wissen, dass in Bundesbern die andernorts stark kritisierten Kopfpauschalen und Budgets konkret diskutiert werden. In der Vergangenheit hat sich allzu oft ge- zeigt, dass die Politik unverständlicherweise vor allem die «schlechten» Beispiele aus dem Ausland übernimmt. Und etwas wieder zurückzunehmen ist meist äusserst schwer – wenn nicht gar unmöglich. Dies können wir nur allzu deutlich in Deutschland und Österreich sehen. Daher müssen wir uns mit aller Kraft gegen diese unsäglichen und ungeeigneten Steuerungsinstrumente wehren! Weiter starke Anstrengung muss dem Nachwuchs gelten. Dieses Zukunftsproblem teilen wir mit allen anderen Ländern – vielleicht ist dies ein Ansporn, auch gemeinsame tragbare Strategien zu entwickeln. ■

Impfen Am 15. Januar 2019 waren wir beim Akteurs-Workshop zur Nationalen Strategie zu Impfungen (NSI) vertreten. Hier berieten zum wiederholten Mal alle Beteiligten über Möglichkeiten und Massnahmen, die die Durchimpfungsraten in der Schweiz verbessern könnten. Kurzmeldungen aus Vorstand und Arbeitsgruppen Vorschlag für ein Plakat in Ihrem Wartezimmer «Sie müssen nicht alle Ihre Kinder impfen lassen – nur die, die Sie behalten wollen.» (Prof. Beda Stadler) KIS Jahrestagung vom 5. September 2019: neuer Ort – mehr Credits Als Innovation für die KIS Jahrestagung 2019 bietet sich der Campus Surseemit seinem coolen Ambiente und mit seiner hervorragenden Infrastruktur an. Reflexionen zu«Generation X, Y und Z – ticken wir Ärzte im Takt?»und rund um die medizi- nische Betreuung und Beratung von Jugendlichen stehen im Fokus der Fortbildung. KIS tickt natürlich im Takt, sodass Ihnen neu ein Vor- und Nachprogramm angeboten wird, damit Sie sich am 5.9.2019 in Sursee 7 Credits holen können. Das detaillierte Programm finden Sie ab 9. Mai 2019 auf unserer Webseite www.jahrestagung.ch. Zahlen •MAS-Erhebung einreichen: Einsendeschluss 28.02.2019, Lieferung ist gesetzliche Pflicht und auch verspätet noch nützlich. •ROKO (nach-) liefern: Einsendeschuss verpasst? Verspätete Lieferung für Tarifverhandlungen trotzdem noch nützlich! •eigene Zahlen enorm wichtig: nur mit eigenen Erhebungen können wir die Behauptungen von BAG und santésuisse betreffend unserem Einkommen und unserem Aufwand widerlegen. Jubiläumsveranstaltung Haus und Kinderärzte Schweiz 10 Jahre mfe mfe symposium 2019 Donnerstag, 26. September 2019, Rathaus Bern Weitere Informationen auf http://symposium.hausaerzteschweiz.ch/ Widerstand ➔gegen Limitationen: erhöhten Zeitbedarf bei der Krankenkasse einfordern und das BAG informieren; noch besser: jeden Zeitaufwand – auch den über die Limitationen hinausgehenden – verrechnen und bei Nicht- bezahlung den Entscheid der Krankenkasse anfechten. ➔gegen ungerechtfertigte Rückforderungen: Forderung von Tarifsuisse ablehnen, auch ihre Kompromissvorschläge. Unterstützung bei mfe, Kantonalen Ärztegesellschaften, Trustcentern und FMH holen. mfe Delegiertensitze neu besetzt Unser Aufruf nach Mitgliedern, welche die Praxispädiatrie mit zwei Sitzen in der Delegiertenversammlung von mfe – Haus- und Kinderärzte Schweiz (siehe KIS Rundmail Nr. 1/2019 vom 24. Januar 2019) vertreten wollen, ist nicht ungehört in der Wüste verhallt! Wir danken den vier Kandidaten, welche sich für diese Rolle zur Verfügung gestellt haben: Dr. med. Gian Bischoff, Zürich Altstetten (Delegierter) Dr. med. Marc Sidler, Binningen BL (Delegierter) Dr. med. Andrea Hohl-Seiler, Uznach SG (Ersatzdelegierte, bisher) Dr. med. Kilian Imahorn, Wil SG (Ersatzdelegierter) Sie werden im Namen von KIS und SGP aktiv daran mit- arbeiten, dass es in der Schweiz auch in Zukunft noch eine starke Praxispädiatrie gibt. Wir wünschen ihnen viel Erfolg und Erfüllung dabei! Redaktionskommission sucht neue Mitglieder ➔  Liest Du gerne? ➔  Freust Du dich immer über das Erscheinen der KIS News? ➔Möchtest Du dich in einem berechenbaren Rahmen für die Praxispädiatrie einsetzen? ➔  Schreibst Du gerne? ➔Hast Du Freude am Redigieren? ➔Dann möchten wir sehr gerne von Dir hören, denn unsere Redaktionskommission, die vierteljährlich die «Kinderärzte.Schweiz News» herausbringt, sucht neue Mitglieder. Dass wir eine wirklich tolle Gruppe sind, kannst Du unter anderem aus dem Artikel über unseren jährlichen Ausflug auf Seite 7 entnehmen. Unser Geschäftsführer Daniel Brandl kann Dir bei Interesse gerne unverbindlich einen Aufgabenbeschrieb senden: daniel.brandl@kinderaerzteschweiz.ch. Bei Fragen gibt Dir der Leiter der Redaktions- kommission Raffael Guggenheim gerne Auskunft: dokter@bluewin.ch.

In der Druckausgabe befindet sich auf dieser Seite ein Hinweis für medizinische Fachpersonen.

01 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 13 Der Anstoss mfe hat vor zweieinhalb Jahren ein Grundversorgerkonzept ausgearbeitet, mfe-Mitglieder kennen es. Gleichzeitig wurde die Frage an die Pädiater immfe-Vorstand herangetragen, ob es analog zum Facharzt Allgemeine Innere Medizin auch ein Berufsbild des Kinder- und Jugendarztes gäbe. Damals konnte man auf der Website der Fachgesellschaft für Pädiatrie nur einen kurzen, etwas unglücklich aus dem Französischen übersetzten Text finden. Ein Grund aktiv zu werden.  Kinderärzte Schweiz setzt sich schon mehrere Jahre für die Nachwuchsförderung ein. Was lag deshalb näher, als diesen berufspolitischen Steilpass anzunehmen und ein Berufsbild für den Kinderarzt auszuarbeiten? Wie sonst bewirbt man einen Beruf, wenn nicht mit einem Berufsbild?  Das Berufsbild kann sowohl in der Nachwuchsförderung wie auch in der Berufspolitik eingesetzt werden. Wie die Internisten der SGAIMwollten auch wir ein Berufsbild für Praxis und Spital, weshalb wir dieses Anliegen der SGP vorlegten und eine gemeinsame Arbeitsgruppe unter Leitung von Andreas Geiser schufen. Der Wunsch Vernetzung lohnt sich. Eine Frucht davon haltet ihr jetzt mit der Berufsbild-Broschüre in euren Händen. SGP und Berufsbild Kinder- und Jugendarzt DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER, PRÄSIDENTIN KINDERÄRZTE SCHWEIZ, CHUR Korrespondenzadresse: h.zinggeler@mez-chur.ch DR. MED. ANDREAS GEISER, LEITER ARBEITSGRUPPE BERUFSBILD, SCHLIEREN Korrespondenzadresse: ageiser@hin.ch KIS haben allen Unkenrufen zum Trotz Hürden überwunden und ihre Ressourcen und ihr Fachwissen für ein gemeinsames Ziel genutzt. Berufspolitische Ziele für die Kinder- und Jugendmedizin können wir nur gemeinsam erreichen. Dazu müssen wir zum einen am gleichen Strick und zum anderen in die gleiche Richtung ziehen!  Eine solche Zusammenarbeit wünsche ich mir auch für die Zukunft. Die Zusammenarbeit zwischen den Verbänden muss gefestigt werden.  Die SGP hat mit mfe einen Zusammenarbeitsvertrag, KIS nicht. Viel wichtiger als ein solcher Zusammenarbeitsvertrag ist die effektive Zusammenarbeit und die darf, um nachhaltig zu wirken, nicht an einzelne Personen gebunden sein. KIS tut also gut daran, neben den altgedienten auch neue Kräfte zur Vernetzung – insbesondere mit mfe – zu finden. Das Anliegen Die Broschüre muss unter die Leute gebracht werden. Gebt sie Medizinstudenten, Politikern, Journalisten und Eltern weiter. Steht in eurem Umfeld für unseren Beruf und unsere Arbeit ein. «Tut Gutes und redet darüber.» Niederschwellig, mit minimalem Aufwand. Das können alle. Danke. ■ «Kind im Zentrum» steht auf dem Praxisschild des Empfängers des Guido Fanconi Gedenkpreises 2017. Sepp Holtz ist als Lehrarzt in Spital und Praxis tätig und hat über all die Jahrzehnte seines Wirkens dieses Credo nie aus den Augen verloren. Dieses ist zentral für unser Selbstverständnis als Kinderärzte1. Doch wie verstehen wir uns als Ärzte mit dem Titel Kinder- und Jugendmedizin? In einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von KIS und SGP haben wir in den letzten zwei Jahren unser Berufsbild aktualisiert und neu formuliert.  Das von den Führungsgremien von SGP und KIS verabschiedete Berufsbild Kinder- und Jugendarzt kann – ja muss – bezüglich Formulierung auch künftig weiter diskutiert werden. Jenseits von Formulierungsfragen sind darin aber eine Definition und ein Rollenbild des Pädiaters in Spital und Praxis dargelegt, welche die Basis bilden für eine solide, umfassende, modulierbare und begeisternde Weiterbildung.  Ein Ziel ist es, die Fachrichtung bekannt und sichtbar zu machen und deren Attraktivität zu erhöhen, um dadurch den notwendigen Nachwuchs in den Praxen und im Spital zu gewährleisten.  Mindestens so wichtig ist die Kommunikation unserer Bedeutung als Praxis- und Allgemeinpädiater im Spital gegenüber den lokalen und regionalen politischen Kräften.  Kritische Rückmeldungen gehören zu einem Projekt dieser Art. «Weder innovativ noch konservativ» werden einige griesgrämige «Mäsötteler» sagen2 . «Ein unscharfes Profil des Kinderarztes» werden manche erfahrene Kollegen in der Praxis mit festgelegten Vorstellungen versichern. «Zu viele Zugeständnisse an die Praxispädiater» mögen einige Hochschullehrer denken. «Im Endeffekt ein guter helvetischer Kompromiss» werden die Pragmatiker – so wie auch die Mitstreiter in der Arbeitsgruppe – schlussfolgern.  Vielleicht keine beträchtliche Weiterentwicklung, aber eine Überzeugung mit der notwendigen Erinnerung an grundlegende Werte: Ein Kind, ein Mensch, eine Person muss ein Individuum in seiner Ganzheitlichkeit bleiben; es darf nicht auf seine Krankheiten reduziert werden und ist unendlich viel mehr als die Summe seiner Organe.  In einem sich wandelnden Gesundheitssystem müssen unsere unabdingbaren Werte gegenüber der Politik unbedingt bekräftigt werden. Deshalb ist ein Berufsbild unverzichtbar. Es erlaubt uns, die Grundlagen der Pädiatrie erneut zu definieren, ihren Sinn gegenüber den Gesundheitspolitikern zu betonen, um unsere zentrale Rolle als Grundversorger und gleichzeitig Spezialisten für alle Belange der Kinder- und Jugendmedizin auch über das Gesundheitswesen hinaus zu präzisieren. Damit gestalten wir unseren Beruf für die kommenden Generationen faszinierend und motivierend.  Bei all diesen Überlegungen bleibt das «Kind im Zentrum». Die Liebe zum Menschen und die Bereitschaft zuzuhören, müssen wir bewahren. Das darf sich nicht ändern. Dafür sind wir verantwortlich. ■ Berufsbild: eine Notwendigkeit? Eine Überzeugung! 1  Bei allen Tätigkeitsbezeichnungen sind immer beide Geschlechter gemeint. 2  Der «Mäsötteler» (= man sollte) moniert was zu tun sei, ohne jedoch dazu beizutragen.

BERUFSPOL I T I K 01 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 14 Die Tabakprävention in der Schweiz steckt noch immer in den Kinderschuhen – was für die Kinder leider nichts Gutes bedeutet! Die Schweiz ist das letzte europäische Land, das die WHO-Konvention zur Eindämmung des Tabakgebrauchs nicht ratifiziert hat (ausser den Zwergstaaten). In unserem Land wird im öffentlichen Raum auf Plakaten, in Inseraten, im Kino, online und an Festivals intensiv und ungeniert für Tabak geworben. Mit Gratismustern und Rabatten ködern die Tabakfirmen die Kundinnen und Kunden von morgen: Kinder und Jugendliche. Zwar behauptet die Tabak-Lobby, mit ihren millionenschweren Kampagnen auf Erwachsene zu zielen und diese einzig bei der Markenwahl beeinflussen zu wollen. Doch diese Scheinargumentation ist längst durch zahlreiche Studien widerlegt. Die Tabakunternehmen brauchen neue Kunden – denn die bestehenden sterben weg: An Krebs, COPD, Herz-KreislaufKrankheiten und zahlreichen weiteren tabakbedingten Krankheiten.  Die Tabakwerbung ist erfolgreich. Wie auch der Artikel von Prof. Dr. med. Jürg Barben auf den Seiten 15–19 aufzeigt, beginnen die meisten Raucherkarrieren auch heute noch im Teenageralter. Ein Problem, das sich mit der schnellen Verbreitung von E-Zigaretten noch massiv verschärfen wird. Die neuen Produkte werden als «gesunde Alternative» präsentiert und kommen cool daher. In diversen Interviews in grossen Schweizer Zeitungen geben Vertreter der Tabakbranche zum Besten, sie wollten mit den neuen Produkten «die Leute von den Zigaretten wegbringen». Der Jugendschutz verdampft Die neuen Produkte sind bei den Jungen im Trend: Laut einer Umfrage der Stiftung Sucht Schweiz hat ein Drittel der 15- bis 24-Jährigen bereits einmal zur E-Zigarette gegriffen, während die Zahl der Raucher von Tabakzigaretten in dieser Altersgruppe stabil blieb. Kein Wunder, denn es sind trendige Gadgets und sie kommen je nach Wahl mit einem leichten Nussaroma, frischem Menthol- oder Mango-Geschmack daher: der Schleckstängel zum Dampfen!  Geregelt ist der Verkauf nicht: Eine Gesetzeslücke lässt aktuell zu, dass E-Zigaretten auch an Jugendliche verkauft werden dürften. Zum Glück steht da gerade die Beratung des neuen Tabakproduktegesetzes an, könnte man meinen. Nur passiert hier, was wir seit bald zwei Jahrzehnten beobachten können: nichts! Und darum wird am Schluss im Gesetz stehen, dass die neuen Produkte «differenziert» geregelt werden müssen, was nichts anderes heisst, als dass die bereits mangelhafte Tabakprävention bei E-Zigaretten nur beschränkt angewandt werden muss. Der Gesetzgeber versagt auf der ganzen Linie Das Parlament hat vor zwei Jahren – kräftig eingenebelt von den Lobbyisten der Tabakindustrie – ein neues, griffiges Tabakproduktegesetz zurückgewiesen. Aktuell wird über eine neue, entleerte Vorlage beraten und es besteht die akute Gefahr, dass der Jugendschutz sogar aufgeweicht werden könnte. Dies, obwohl 58 Prozent der Bevölkerung ein generelles Werbeverbot für Tabakprodukte befürwortet.  Deshalb hat eine breite Allianz aus Gesundheitsorganisationen beschlossen, diesem Trauerspiel ein Ende zu bereiten und mittels einer Volksinitiative den Jugendschutz im Tabakbereich endlich konsequent im Gesetz zu verankern. Eigentlich wollten wir die benötigten Unterschriften bis zum letzten Herbst einreichen, doch nach einem Jahr sammeln wir immer noch – unter anderem in über 4000 Arztpraxen. Die Rechnung wäre einfach: Sammelt jede Arztpraxis 50 Unterschriften, sind wir am Ziel. Haben Sie bereits Unterschriften gesammelt? Wir brauchen Ihre persönliche Unterstützung beim Unterschriftensammeln! Sammeln Sie jetzt aktivUnterschriften in Ihrer Arztpraxis! Auf der Webseite unter www.kinderohnetabak.ch/medien/videos/ finden Sie eine kurze Anleitung dazu. Die Sammelfrist läuft noch bis zum 20. September 2019. Der Monat März ist nationaler Sammelmonat. Es bleibt also noch etwas Zeit, aber wir brauchen Eure Unterstützung jetzt. Dringend. Alle Materialien sind unter www.kinderohnetabak.ch/mitmachen/ gratis erhältlich und werden direkt in Eure Praxis geliefert. Vielen herzlichen Dank! Hinweis: Bitte konsumieren Sie die Kaugummizigarette, die wir als Blickfang auf der Titelseite aufgespendet haben, nicht. Nicht nur, weil sie ein Beispiel besonders perfider Tabakwerbung ist, sondern auch, weil unsere Druckerei nicht darauf ausgerichtet ist, Lebensmittel zum Konsum zu verarbeiten. ■ Kinder vor Tabak schützen – es braucht Eure Unterstützung! Wichtig für die Unterschriftensammlung ■ Stempeln Sie den Bogen nicht! Dies macht die Gemeinde. ■ Fragen Sie jede Person vor dem Unterschreiben, in welcher politischen Gemeinde sie angemeldet ist. Auf einem Unterschriftenbogen dürfen nur Bürgerinnen und Bürger unterzeichnen, die in der gleichen politischen Gemeinde stimmberechtigt sind. Gibt es in einer Stadt mehrere Postleitzahlen, so tragen Sie die Hauptpostleitzahl ein (z.B. 3000 Bern, 8000 Zürich, 1200 Genève). ■ Eine Volksinitiative unterzeichnen können alle stimmberechtigtenSchweizerinnen und Schweizer, diemindestens 18-jährig sind. ■Am besten werden alle Felder von Hand ausgefüllt. Es muss lesbar sein. Jede Person muss von Hand unterschreiben. ■Verwenden Sie einen Kugelschreiber oder einen wasserfesten Filzstift. ■Argumentarien und Unterschriftenbögen können Sie hier herunterladen: http://kinderohnetabak.ch/mitmachen/ Danke für Ihren Einsatz MARKUS KOCH, KOORDINATOR VOLKSINITIATIVE «JA ZUM SCHUTZE DER KINDER UND JUGENDLICHEN VOR TABAKWERBUNG». KORRESPONDENZADRESSE: Markus.koch@hausaerzteschweiz.ch

01 / 2019 BERUFSPOL I T I K K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 15 Einführung Die Tabakepidemie und deren Folgen ist immer noch das grösste Gesundheitsproblem auf unserer Welt [1,2]. Gemäss dem aktuellsten Tobacco Atlas rauchen weltweit mehr als 1,1 Milliarden Menschen, davon sterben jährlich 6 Millionen an dessen Folgen, was die Weltgemeinschaft jährlich mehr als 500 Milliarden Dollar kostet [3]. Mit der zunehmenden Verbreitung von Snus, Wasserpfeifen, E-Zigaretten und Cannabis ist die Tabakepidemie jedoch komplexer geworden (Abb. 1) [4–10].  In der Schweiz raucht immer noch mehr als ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung, was sich in den letzten Jahren kaum verändert hat [11]. Das Durchschnittsalter bei Rauchbeginn liegt heute bei rund 14 Jahren; die Jüngsten waren 11 Jahre alt [12]. Die Schweiz hinkt in der Tabakprävention vielen Ländern hinterher und neue Tabakprodukte erschweren die bisher erreichten Erfolge. Snus, Snuff & Co. Die Zahl der Konsumenten von oralem Tabak wird weltweit auf rund 300 Mio. geschätzt, wobei >90% in Südasien leben [13]. Snus hat eine 200-jährige Tradition in Skandinavien und ist bei uns vor allem bei jungen Sportlern im Fussball und Eishockey/Unihockey sehr beliebt, da es den «perfekten Kick» bringt: Ein Snus-Beutel unter der Oberlippe entspricht ca. 3 Zigaretten auf einmal. Der Nikotingehalt variiert je nach Herstellungsmethode sehr stark (0,23%–68%) und macht schnell abhängig. Im Mundtabak wurden über 30 Karzinogene entdeckt [14]. Langjähriger Gebrauch führt zu verschiedensten Gesundheitsproblemen wie Zahnschäden sowie kardiovaskulären Erkrankungen, aber auch zu Karzinomen in der Mundhöhle, Speiseröhre und Pankreas [13–18]. Snus ist mit Ausnahme von Schweden in der EU bisher verboten. Auch in der Schweiz darf Snus offiziell nicht verkauft werden, der Import zum Eigengebrauch ist aber in kleinen Mengen erlaubt, was heute meistens per Internet geschieht [19]. Viele junge Menschen unterschätzen die hohe Suchtwirkung von oralem Tabak, und es gab bereits Bestrebungen, Snus in der Schweiz zu legalisieren [20]. Obwohl das Gesundheitsrisiko im Vergleich zu Tabakzigaretten geringer zu sein scheint, rät die WHO konsequent davon ab [21–23]. Wasserpfeife – die süsse Versuchung Das Wasserpfeifen/Shisha-Rauchen ist weltweit verbreitet und seit Langem ein wichtiger Bestandteil der Lebenskultur im Nahen Osten, Nordafrika, Indien, Pakistan und Bangladesch [6]. Die Wasserpfeife ist inzwiSnus, Shisha und E-Zigaretten – Tabakprävention angesichts neuer Produkte PROF. DR. MED. JÜRG BARBEN LEITENDER ARZT PNEUMOLOGIE / ALLERGOLOGIE & CF-ZENTRUM OSTSCHWEIZER KINDERSPITAL, ST. GALLEN Korrespondenzadresse: E-Mail: juerg.barben@ kispisg.ch Abbildung 1: Neue Tabakprodukte im Trend: Snus, Wasserpfeife und E-Zigaretten.

BERUFSPOL I T I K 01 / 2019 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 16 schen in der westlichen Welt angekommen und unter den jungen Menschen sehr beliebt. In den USA rauchen Jugendliche bereits mehr Wasserpfeife als Tabakzigaretten [24]. Auch in der Schweiz ist die Wasserpfeife im Vormarsch: Bei den 15- bis 19-Jährigen haben bereits ¹/³ einmal Wasserpfeife geraucht [11].  Gerade junge Menschen glauben, dass die Wasserpfeife harmlos ist, weil der süsse, wohlriechende Rauch durch Wasser geleitet und erst dann inhaliert wird [25]. Diese scheinbare «Wasserfilterung» dient aber einzig der Abkühlung und Anfeuchtung des Rauches und hat keinerlei Filterwirkung. Im Gegenteil; das Abkühlen des Rauches ermöglicht das Inhalieren eines grösseren Rauchvolumens (200–1000 ml) im Vergleich zur Tabakzigarette (50–100 ml). Ausserdem ist die Verbrennungstemperatur bei der Wasserpfeife geringer (100– 400 °C) als bei der Tabakzigarette (800–900 °C), was zu einer unvollständigen Tabakverbrennung und vermehrten Schadstoffen führt. Bei der Verbrennung von Kohle entstehen ausserdem Schadstoffe, die im Rauch der Tabakzigarette nur im geringen Masse oder gar nicht vorkommen: Dazu gehören Blei, Kupfer, Chrom, Arsen und Beryllium sowie hohe Mengen von Kohlenmonoxid. Letzteres kann zu CO-Vergiftungen führen, was in unseren Notfallstationen immer häufiger beobachtet wird [26, 27]. Auch das Shisha-Rauchen führt zu diversen tabakähnlichen Kurz- und Langzeitschäden [25, 28–30]. E-Zigaretten: Dampfen und «Juulen» Im letzten Jahrzehnt haben sich E-Zigaretten rasant verbreitet [31]. E-Zigaretten wurden mit dem Ziel entwickelt, Rauchern eine Alternative zum gesundheitsschädlichen Tabakrauchen zu geben bzw. als Ausstieghilfe für einen Rauchstopp lanciert. Zwar bieten E-Zigaretten für Raucher nach heutiger Einschätzung eine weniger schädliche Alternative; der Erfolg bei den Rauchstopp-Bemühungen mittels E-Zigaretten ist jedoch minimal und wenig nachhaltig [32–34]. Inzwischen ist die E-Zigarette – von den Heranwachsenden auch EShishas genannt – auch auf dem Pausenhof angekommen. Dank attraktiven Aromen und intensivem Marketing liegen E-Shishas auch in der Schweiz im Trend und stellen eine neue Gefahr für Kinder dar [35]. Gemäss Umfragen hat in der Schweiz bereits ein Drittel der 15–24-Jährigen schon einmal E-Zigaretten ausprobiert [36]. In den USA hat das «Dampfen» von E-Zigaretten in den letzten Jahren deutlich zugenommen und erreichte bei 15/16-Jährigen eine Prävalenz von 20% [24, 37]. Dabei werden E-Zigaretten von Kindern und Jugendlichen nicht als Tabakprodukte, sondern als harmlose «Verdampfer» wahrgenommen, die im Aussehen kaum mehr Tabakzigaretten ähnlich sind (Abb. 2). Die heute erhältliche Produktepalette von E-Zigaretten ist beachtlich: Es gibt bereits mehr als 450 Marken und über 7500 Geschmacksrichtungen, die meistens per Internet bestellt werden [38]. Viele Jugendliche sind «dual users», das heisst, sie verwenden nicht nur ein einzelnes, sondern verschiedenste Tabakprodukte [39]. Sehr beliebt sind bei Jugendlichen auch multifunktionelle Geräte (eGOS, Mods), mit denen man auch Flüssigkeiten wie Wodka und andere alkoholische Getränke verdampfen, aber auch synthetische Cannabinoide hinzufügen kann, was offenbar besonders in Frankreich beliebt ist und in den USA schon zu Todesfällen geführt hat [40, 41].  E-Zigaretten werden inzwischen von Kinderärzten als das «neue Gesicht des Nikotins» bzw. als Einstieg für die herkömmliche Tabakzigarette betrachtet [42]. Tatsächlich zeigte eine kürzlich publizierte Metaanalyse, dass Kinder und Jugendliche, die E-Zigaretten «dampfen», ein 3–4 Mal erhöhtes Risiko haben, später mit dem Tabakrauchen anzufangen [43]. Vor wenigen Jahren wurde in den USA die neue EZigarette «Juul» lanciert, die sich dank des trendigen Aussehens wie ein USB-Stick (Abb. 3) und einer neuen, hochkonzentrierten, sogenannt «protonierten» (salzgebundenen) Form des Nikotins unter den amerikanischen Jugendlichen epidemisch verbreitet hat [44]. Inzwischen benützen in den USA bereits ²/³ der jugendlichen E-Zigaretten-Raucher «Juul» und man spricht nicht mehr vom «Dampfen» sondern vom «Juulen». Nun will die amerikanische Firma – sie wird als der am schnellsten wachsende Start-up in der globalen Geschichte von Firmengründungen bezeichnet – mit «Juul» den europäischen Markt erobern [45].  Nachdem in der Schweiz bis vor Kurzem nur der Verkauf von nikotinfreien E-Zigaretten erlaubt war, dürfen diese – nach einer erfolgreichen Beschwerde einer Herstellerfirma beim Bundesverwaltungsgericht – seit Mai 2018 auch hierzulande verkauft werden. Aufgrund einer Gesetzeslücke können jetzt bei uns nikotinhaltige ELiquids auch von Minderjährigen erworben werden, da die E-Zigaretten nicht unter das Tabakproduktegesetz, Abbildung 2: Moderne E-Zigaretten.

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