Zenit Nr. 4, Dezember 2018

Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 18 25 Wohnen im Alter weniger Unterstützung statt: Kleine Dienste können auch von Anbietern entgegengenommen werden, die über keine Pflege- ausbildung verfügen. Und die ver- fügbaren Services werden immer niederschwelliger. Sie werden von gemeinnützigen, staatsnahen und privaten Institutionen in unter- schiedlichsten Preissegmenten zur Verfügung gestellt. Wo ist der richtige Wohnstandort? Für die Mehrheit der älter werden- den Generation ist diese Phase der Abhängigkeit allerdings noch weit weg und hat wenig mit dem Alltag zu tun. Eine zentrale Fragestellung ist für sie eher, wie sie sich einrich- ten kann, damit einmal möglichst spät und möglichst wenig Unter- stützung notwendig ist. Und diese Frage hängt mit der Wohnung zu- sammen. Wer durch einen Unfall vorübergehend nicht mehr mobil ist, erste gesundheitliche Beschwer- den hat oder nachts weniger tief schläft, erlebt bereits heute den Mehrwert der Standardflexibilität einer Wohnung. Moderne, schalldichte und wärmeisolierte Wohnungen mit hindernisfreien Bädern und einem Lift, der je nach Tagesform genutzt werden kann, schaffen mehr Frei- heitsgrade, die nicht erst bei der Pflegebedürftigkeit zum Tragen kommen. Mehr Standardflexibilität bedeutet allerdings je nach Wohn- situation einen Wohnungswechsel. Dieser kann innerhalb des vertrauten Umfelds im Quartier stattfinden oder auch konsequenterweise an einen anderen Ort führen. Die Auseinandersetzung mit dem geeigneten Wohnstandort ermög- licht die Abwägung von zusätzlichen Freiheitsgraden: Einkaufsmöglich- keiten in Gehdistanz, eine hohe Taktverbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder eine mög- lichst direkte Erreichbarkeit imHin- blick auf den Besuch von Verwand- ten und Bekannten bestimmen die Standortflexibilität. Mit der Pensionierung kann die Wahl der Wohnlage nach neuen Kriterien gewichtet werden, da der Weg zum Arbeitsplatz wegfällt oder flexibler gehandhabt werden kann. Mit einem Standortwechsel können auch veränderte Bedürfnisse an die Lagequalität befriedigt werden, sei es nach mehr Grün oder auch mehr Nutzungsdichte. Weil die Mobilität heute bis ins Alter hoch bleibt und Kontakte in der Regel weit verstreut gepflegt werden, kann der Grossteil der Gewohnheiten auch bei einem Umzug in eine andere Gemeinde oder einen anderen Stadtteil auf- rechterhalten werden. Die Sicherung von Selbstbestim- mung im Alter hängt also nicht nur vom Zugang zu Unterstützungs- möglichkeiten ab, sondern auch wesentlich von der Standort- und Standardflexibilität der Wohnung. Und je höher die Flexibilität, desto geringer die Abhängigkeit von Unter- stützung. Dabei darf nicht unter- schätzt werden, dass die Beweglich- keit auf dem Wohnungsmarkt mit zunehmendem Alter geringer wird. Die Wohnungssuche erfordert Zeit, Energie und Entscheidungsfreudig- keit. Ein Umzug ist physisch und mental anstrengend, denn er zwingt zur Auseinandersetzung mit der Vergangenheit. Wer seine Unabhängigkeit im Alter gestalten will, muss sich des- halb frühzeitig mit dem Wohnungs- markt und dem Loslassen vom Haushalt auseinandersetzen. Je älter man wird, desto mehr entscheiden andere über Optionen. Ob ein Um- zug erfolgen wird, hängt auch von der Wahrscheinlichkeit einer Sanie- rung und damit einer allfälligen Kündigung der Altbauwohnung ab oder von der Entscheidung der Hausbank in Angelegenheiten rund um das Wohneigentum. Wohin ein Umzug erfolgt, hängt wiederum vom verfügbaren Wohnungsan- gebot und von den zuständigen Liegenschaftsverwaltern ab, die freie Wohnungen unter mehreren Interessierten vergeben. Die Zukunft selber gestalten Der Entscheidungsprozess für einen Umzug dauert mit der Wohnungs- suche und der Realisierung des Um- zugs zwei bis fünf Jahre. Es lohnt sich, eine solche Veränderung früh- zeitig zu thematisieren, Optionen zu diskutieren und Kinder sowie ver- traute Personen in den Entschei- dungsprozess einzubeziehen. Die Auseinandersetzung mit der Stand- ort- und Standardflexibilität sowie der «Sicherheit» der Wohnsituation im Alter ist eine Chance, die Zukunft selbst zu gestalten, anstatt sich mit Optionen zu begnügen, die zu einem späteren Zeitpunkt übrigbleiben. Dr. Joëlle Zimmerli ist Geschäftsführerin von Zimraum GmbH, einem sozialwissenschaftlichen Planungs- und Entwick- lungsbüro. Sie ist zudem Autorin der Studienreihe «Demografie + Wohnungs- wirtschaft». Die Studien befassen sich mit den Bedürfnissen und Herausforderungen der älteren Generation auf dem Wohnungsmarkt. Bestellung: www.zimraum.ch/studien oder im Buchhandel. Foto: Fotolia

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx