Zenit Nr. 3, September 2020

Die Mutter von drei Kindern hatte früher unter anderem den Quartierverein mitbegründet, sich für eine natur- nahe Verbauung der Ron und als Mitglied der Ofra für Frauenanliegen eingesetzt. Sieben Jahre war die heute 68-Jährige Gemeinderätin von Ebikon, 12 Jahre sass sie für die SP im Grossrat, den sie 2002 präsidierte. 2003 bis 2015 leitete sie als Regierungsrätin das Justiz- und Sicher- heitsdepartement. Dabei musste sie auch unangenehme Entscheide fällen. «Da ich für die Sicherheit zuständig war, stand nicht nur die Ziel- und Anspruchsgruppe meiner Grundhaltung im Vordergrund, sondern eine breiter ge- fasste Öffentlichkeit.» Weil sie sich für die Videoüberwachung auf dem Bahn- hofplatz oder für mehr Polizei einsetzte, hatte sie intensive Diskussionen mit ihrer Partei. Nach wie vor ist sie über- zeugt: «Je mehr Polizei präventiv unterwegs ist, umso weniger muss sie eingreifen. Zudem ist für professionelle Polizeiarbeit ein genügender Bestand an gut ausgebildeten Leuten unumgänglich. Das kostet.» Die Situation als einzige Frau und Linke in der bürger- lichen Regierung ertrug sie dank klarem Blick und Einsatz für die Sache meistens gut. Das Vorbild des Vaters, der als Arbeiter und Kämpfer für sich hinstand, und ihre Wurzeln im ländlichen Kanton Uri hatten sie geprägt und gestärkt. Es freute sie besonders, wenn es ihr gelang, ihrer Überzeu- gung treu zu bleiben und gleichzeitig durch beharrliches Justieren zusammen mit Regierung und Parlament mehr- heitsfähige Entscheide zu fassen. Höhepunkte ihrer Regie- rungstätigkeit waren das unter ihrer Führung gelungene Management bei der Bewältigung der Überschwem- mungskatastrophe 2005 im Kanton und die Revision der Staatsverfassung. Mit dem Rücktritt aus der Politik vor fünf Jahren hatte sie keine Mühe, wusste sie doch: «Drei Legislaturen sind genug. Ein Amt ist kein Beruf, es hat einen Anfang und ein Ende. Unser demokratisches System bewegt sich durch unsere sich verändernde Gesellschaft. Deshalb müssen Politikerinnen und Politiker kommen und gehen.» Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 20 29 Ihre ehrenamtlichen Engagements wählte sie gezielt. Neben der Mitgliedschaft in diversen Vorständen setzt sie sich als Präsidentin von Caritas Luzern für armutsbetrof- fene Menschen ein, als Präsidentin des Vereins Lindenfeld in Emmenbrücke für physisch und psychisch stark be- nachteiligte Männer, teilweise in Halbgefangenschaft. Bei der Übernahme des Präsidiums der eidgenössischen Kom- mission für Frauenfragen vor vier Jahren fragte sie sich, ob es diese noch brauche, und kam zum Schluss: «Die Gleich- stellung ist überall verankert, aber nicht umgesetzt. Es braucht nach wie vor den klaren Willen und hart- näckige Anstrengungen, z. B. bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Partizipation auf allen Ebenen.» Vor zwei Jahren sind Yvonne und Peter Schärli vom Familienhaus in eine altersgerechte Wohnung im Zent- rum von Ebikon umgezogen. Neben einem festen Hüte- tag sind sie in Notsituationen für die vier Enkelkinder da. Wichtig ist der langjährigen Politikerin neben Wandern, Bewegen und Kultur die lange zu kurz gekommene Bezie- hungspflege. Die Begleitung zweier lieber Menschen beim Sterben und damit verbunden das Bewusstsein um die eigene Endlichkeit beschäftigt sie. Doch hält sie entschieden fest: «Ich bemühe mich, anzunehmen, was kommt.» MONIKA FISCHER «Ich bin immer Herz und Verstand gefolgt und engagiere mich heute wie vor meiner politischen Zeit freiwillig für sozial benachteiligte Menschen», erklärt alt Regierungsrätin Yvonne Schärli. WAS MACHT EIGENTLICH? Ein Herz für Benachteiligte Foto: Peter Lauth

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