Zenit Nr. 1, März 2020

Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 20 9 LEBENSKUNST – wie langweilig!» zonenmassage. Und die Berührung der Kopfhaut beim Coiffeur wirkt wohltuend, Frauen wissen das. Und allen steht das Wasser beim Duschen und Baden zur Verfügung, eine Rück- kehr zur Fruchtwassererfahrung. Denn schon im Mutterleib ab der siebten Woche der Schwangerschaft wird der Sinn für Berührung ausgebil- det. Das ist unsere Urerfahrung. Die Lebenskunst trägt dazu bei, auf solche Zusammenhänge aufmerksam zu werden und auf diese Weise Sinn zu finden und dem Leben selbst Sinn zu geben, auf allen Ebenen, die dafür zur Verfügung stehen. Das beginnt mit der Sinnlichkeit der Berührung, aber Sinn finden wir auch, wenn wir Gefühle empfinden und ausdrücken können, etwa mit Musik und Tanz, in Bezie- hungen der Liebe und Freundschaft. Und Sinn finden wir, wenn wir uns Gedanken über das Lebenmachen, um manches besser zu verstehen. Auch ein transzendenter Sinn kann eine Rolle für die Lebenskunst spielen: Wer aus demGlauben schöpft, kannmit schwie- rigen Seiten des Lebens womöglich besser zurechtkommen. Es gibt auch ganz pragmatische Rezepte für die Kunst des Lebens, die meist sehr persönlich ausfallen, etwa, wie das einmal jemand formuliert hat: «1 Liter Kaffee zum Wachbleiben, um die wichtigen Dinge des Lebens nicht zu verpassen.» Ludwig van Beethoven zählte jeden Tag genau 60 Kaffee- bohnen ab, um seinen Mokka zuzu- bereiten. Mir persönlich ist es wichtig, jeden Tag ein, zwei Stunden im Café zu sit- zen, ohne nervös zu werden. Das ist auch eine Kunst. Sie hilft, mit Höhen und Tiefen leben zu lernen, denn das ist erforderlich, um ein Lebenskünst- ler oder eine Lebenskünstlerin sein zu können. Erkrankungen aller Art darstellt, tat- sächlich auch gegen Krebserkrankun- gen, wie die jüngste Forschung zeigt, die zur Entwicklung der schulmedizi- nischen Immuntherapie geführt hat. Das ganze Leben hindurch bleibt die Berührung von Bedeutung. Sie ist ein Element der Gesundheit und des Wohlbefindens, das demjenigen Sinn zu verdanken ist, der durch die Haut geht und beim Tupfen und Wischen auf Displays nicht zu voller Entfaltung gelangt. Endorphine (endogene Mor- phine, körpereigene Schmerzmittel) mildern Schmerzerfahrungen. Hor- mone wie Serotonin, Dopamin, Nor- adrenalin bauen Stress ab und hellen die Stimmung auf. Eine wohlige Nähe und Vertrautheit zwischen Menschen geht mit der Ausschüttung von Pro- laktin und Oxytocin einher. In alten Heilkünsten spielte die Ma- gie der Berührung eine grosse Rolle, in modernen findet Healing Touch im- mer mehr Verbreitung. Wenn Berüh- rung so bedeutend ist, kommt es dar- auf an, selbst auf die Grundversorgung zu achten und sich um möglichst be- rührungsintensive Beziehungen zu bemühen, mit körperlicher Nähe, wenn auch nicht ständig, beispiels- weise Schulter an Schulter bei einem TV-Abend auf dem Sofa. «Berührung macht schön» Einander zu berühren ist ein Element der Kunst des Liebens: Die Energien, die den Berührenden wie den Berühr- ten elektrisieren, lassen beide empfin- den, wie sehr sie einander bejahen: Berührung macht schön. Möglich ist auch das gute alte Händchenhalten, etwa bei einem Spaziergang, und erst recht die gelegentliche Umarmung, wie sie auch unter Freunden und Freundinnen üblich ist. Auch Haustiere helfen, vor allem Hunde, die vom Streicheln nicht ge- nug bekommen können, Katzen teil- weise auch. Ersatzweise können professionelle Körpertherapien in An- spruch genommen werden, wie die Osteopathie, Thermotherapie, Aku- pressur, Rückenmassage, Fussreflex-

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx