Zenit Nr. 1, März 2020

Fotos: Peter Lauth IM ZENIT Nicht alles, was er anpackt, führt auch zum Erfolg. Bruno Spoerri lächelt. Theatermusik sei so ein Beispiel. «Da liegt irgendwie der Wurm drin, das müsste ich inzwi- schen einfach wissen.» Dennoch hat er letzten Sommer wieder einmal eingewilligt, bei einem Theaterprojekt die Musik zu machen. So wie er das bereits vor Jahrzehnten bei anderen Projekten getan hat, unter anderem auch bei einem Musical des Kabarettisten César Kaiser. «Es ging irgendwie immer schief, entweder war das Stück schlecht oder der Autor wollte dann plötzlich doch keine Musik.» Auch diesmal sollte es wieder nicht sein. Nach drei schlecht besuchten Vorstellungen war bereits Schluss. Bruno Spoerri seufzt. Alles nicht so schlimm – es gibt genug anderes, das er erfolgreich anpackt, auch heute noch. Erst vor Kurzem hat er mit dem Luzerner Fischer- manns Orchestra, einem Street Jazz Ensemble, drei Kon- zerte in Zürich, Schaffhausen und Wien gespielt. Eine Musik zwischen freier Improvisation und Komposition, bei der Bruno Spoerri mit seinem Saxofon, dessen Klänge von einem Synthesizer verfremdet werden, mitgewirkt hat. «Eine wilde Bande, alle Mitspieler hätten meine Enkel sein können.» Ein alter Mann mit einer jugendlich verrückten Musikgruppe? Er lacht, seine Augen glänzen. «Das ist wunderbar, das liebe ich. Die Jungen haben tolle, neue Ideen, das finde ich sehr inspirierend.» Es gebe viele ältere Musiker, die zu festgefahren seien, immer das Gleiche spielen und sich nicht mehr entwi- ckeln. «Stücke interpretieren, die ich vor 50 Jahren bereits vorgetragen habe – das macht keinen Spass.» Aber, so be- tont er, es gebe auch die anderen «Alten». «Ich spiele noch in zwei Duos mit älteren Musikern, in denen alle Freude daran haben, Neues auszuprobieren und zu entdecken.» «Es passiert einfach» Hört man ihm eine Weile zu, reibt man sich irgendwann verwundert die Augen. Sitzt da wirklich ein 84-Jähriger und erzählt von seinem Alltag? 35 Konzerte hat er im letz- ten Jahr gegeben, auch 2020 wird so einiges zusammen- kommen – immer wieder flattern Anfragen herein. Und Nein sagen, das haben wir bereits gehört, ist nicht so sein Ding. Jeden zweiten Tag verbringt er einige Stunden in seinem Studio, das fünf Gehminuten von der Wohnung entfernt liegt. Dort herrscht ein Wirrwarr von Kabeln, elektronischen Geräten, Synthesizern, Keyboards sowie Noten und Büchern. Woher nimmt er die Kraft für all das? Er weiss es nicht. Sein Leben sei schon immer so gewesen. «Es passiert einfach, vieles auch durch Zufall.» Schaut man auf sein langes, bewegtes Leben zurück, rückt wieder die Frage nach der Kunst des Lebens in den Vordergrund. Oder die Frage, ob er es nicht bequemer hätte haben können. Schliesslich studierte er in den Pro Senectute Kanton Luzern 1 | 20 5 1950-er- und 1960er-Jahren Psychologie in Basel, mit 25 Jahren heiratete er und wurde Vater von drei Kindern. Wäre es nicht einfacher gewesen, ein Leben als Psychoana- lytiker und Hobbymusiker zu verbringen? «Der Job als Psychologe fing mit der Zeit an, mich zu belasten.» Und die Musik war halt doch mehr als nur Hobby. Seine Mutter, eine Geigerin, wollte aus Bruno ein Klaviergenie machen und schickte ihn zu einem hochkarätigen Lehrer. «Er hat mir das Spielen verdorben», erinnert sich Bruno Spoerri. Durch Zufall stösst er auf das Saxofon, mit dem er dann seine ganze Freizeit verbrachte. «Aber meine Eltern warnten mich davor, ein Leben als Jazzvagabund zu führen.» Also studierte er. Dann, als er Familienvater wurde und nach einer festen Stelle suchte, war es wieder so ein Zufall, der sein Leben bestimmte – und komplett veränderte. Bruno Spoerri spielte in einem Jazzquintett und schrieb für den Pianisten, der in einer Werbeagentur arbeitete, ein Musik- stück. «Dann rief der Chef der Agentur an und stellte mich als Tongestalter ein.» Das sei damals, 1965, noch etwas völlig Unbekanntes gewesen. «Im Grunde hat er den Beruf des Sounddesigners erfunden.» Er weiss nicht mehr, warum er damals Ja gesagt hat. Er hatte eigentlich einen Job als Berufsberater – der Lohn war etwa gleich hoch. «Aber es reizte mich, etwas Neues zu versuchen.» Und so rutschte er in die TV-Werbemusik hinein. Ein Metier, das damals in der Schweiz seine Geburtsstunde er- lebte. «Es war ungeheuer spannend, ich hatte ja eigentlich keine Ahnung von Tonbändern und solchen Sachen, aber auch mein Chef wusste nur wenig vom Geschäft.» Es gab kaum Vorbilder, alles hatte Pioniercharakter. «Ich konnte einfach meine verrückten Ideen umsetzen.» Mit Erfolg: Zur Person Bruno Spoerri , geboren 1935, ist eine der wichtigsten Figuren des Jazz und der elektronischen Musik in der Schweiz. Während seines Psychologiestudiums in den 1950er-Jahren spielte er bereits als Saxofonist in verschiedenen Jazzgruppen. Anfang der Sechziger- jahre war er als Psychologe und Berufsberater tätig, seit 1967 arbeitete er freischaffend als Komponist und Tonmeister, zudem befasste er sich früh mit elektroni- scher Musik. Spoerri komponierte Musik für zahlreiche Filme und Werbefilme und spielte mit Jazzgrössen wie zum Beispiel Clark Terry. Er war unter anderem Lehrbeauftragter an der Musikhochschule Zürich für Computermusik und an der Musikhochschule Luzern. 2017 erhielt er den Swiss Jazz Award für sein Lebens- werk. Bruno Spoerri war zweimal verheiratet und hat drei Kinder aus erster und ein Kind aus zweiter Ehe. Heute lebt er mit seiner Lebenspartnerin in Zürich. www.computerjazz.ch

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