IM ZENIT Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 25 7 sich mit Freunden, eröffnete diesen, dass er nicht mehr möge, die Welt nicht genug Platz für alle habe und er sich überlege, abzutreten. «Wie die alten Griechen, die selbst über Leben und Tod bestimmten. Diese Sichtweise spendete mir Trost.» Zum Glück kam es anders. Er, der Suchende und Träumer, las das Inserat von Radio DRS, das einen Moderator für eine neue «Personality»-Sendung mit dem Namen «Nachtclub» suchte. «Ausser Italienisch waren alle Anforderungen genau auf mich zugeschnitten», sagt Ralph Wicki. Zuerst bekam er eine Absage, aber im zweiten Anlauf klappte es. «Es war, als hätte ich ein neues Leben bekommen», sagt er aus heutiger Sicht. Dabei war der Anfang schwer, das Selbst- vertrauen war weg und die Hörerinnen und Hörer mussten erst gewonnen werden. «Ich musste schauen, dass überhaupt jemand anrief», erinnert er sich. Hinzu kam, dass die bewährten Abendsendungen mit Pop-, Rock-, Country- und Filmmusik wegfielen, was vielen missfiel. «Ich bekam viele böse Briefe deswegen.» Ralph Wicki biss sich durch und arbeitete die ersten drei Jahre sehr viel, bereitete sich akribisch auf die Sendungen vor. Musikalisch habe er sich «geknechtet» gefühlt, weil die Musik vorgegeben war. Ihm, dem Musikliebhaber und Musikex- perten, brach es das Herz, wenn er hörte, was während seiner Sendung gespielt wurde. Und so begann er, heimlich seine Musik aufzulegen, sehr zum Missfallen der Programm- leitung. «Ich musste ein paar Mal beim Musikchef antraben und war nahe daran, zu kündigen.» Da die Sendung inzwischen sehr beliebt war, überredete man ihn zu bleiben – inzwischen darf er das Musikprogramm bestimmen. 100 Nachrichten pro Tag Zu sagen, dass er seinen Job mag, sei stark untertrieben, meint Ralph Wicki. «Noch nie habe ich etwas so gern gemacht. Und ich bekomme sogar Geld dafür.» Er lacht, seine Lachfalten, auf die er im Übrigen stolz ist, weil es von seinem intensiven Leben zeugt, treten noch deutlicher in Erscheinung. Die viele Post, die er erhält, freut ihn zwar, bereitet ihm aber viel zusätzliche Arbeit. Weil es ihm wichtig ist, dass all die Menschen, die sich bei ihm melden, über 100 Nachrichten pro Tag, eine Antwort erhalten. «Ich komme kaum nach mit dem Beantworten», gibt er zu. Aber er könne die Nachrichten nicht ignorieren. «Diese Menschen, denen es schlecht geht, kann ich fast nicht enttäuschen, dafür bin ich zu sensibel. Zumindest eine kleine Reaktion braucht es einfach.» Mit dem Nachtclub und den vielen Gesprächen, die er führen kann, ist ein Traum für Ralph Wicki wahr geworden. Bald kommt er ins Pensionsalter, was kommt dann? Ralph Wicki überlegt. «Die Träume von damals sind immer noch da, das nomadische Leben, die Robinson-Insel, das Reisen. Ich muss ja nicht gleich alle verwirklichen. Aber solange ich träume, lebe ich.» Seit elf Jahren diskutiert Ralph Wicki als Moderator der spätabendlichen Radiosendung «Nachtclub» auf SRF 1 (Di bis Do, 21 bis 24 Uhr) einfühlsam mit Zuhörerinnen und Zuhörern am Telefon über Gott und die Welt. Der 64-Jährige wuchs in Luzern auf und studierte einige Semester Medizin, Medienwissenschaften, Politologie und Germanistik, bis ihn während eines Praktikums bei Radio «Extra-BE» das Radiovirus packte und er zum Redaktionsleiter aufstieg. Später kam er als Geschäftsführer zu Radio 32 in Solo- thurn, dann als GL-Mitglied zu Radio 105 in Muttenz und später als Redaktionsleiter für U-Musik zu DRS in Zürich. Als absoluter Musikliebhaber besitzt er eine Sammlung von 15 000 Schallplatten und doppelt so vielen CDs, und er zog jahrelang als DJ durch die Lande. Zur Person 50 Jahren geriet er in die grösste Krise seines Lebens. Er verliess das Radio 2006 und versuchte, im Musikbusiness Wurzeln zu schlagen. Unter anderem gründete er ein eigenes Musiklabel und managte verschiedene Bands, organisierte Konzerte. «Das Problem war, dass genau in dieser Zeit das Musikbusiness zusammenbrach», sagt der Luzerner. Streamingplattformen wie Spotify zerstörten die Einkommensgrundlagen eines grossen Teils der Musikwelt. Darauf fiel Ralph Wicki in eine existenzielle Krise. Wieder war er nahe daran, Grenzen zu überschreiten. Er besprach
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