Zenit Nr. 4. November 2025

12 Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 25 LEBENSTRÄUME Träume verändern sich mit jedem Lebensabschnitt. Im Gespräch mit drei Generationen der Familie Häfliger zeigt sich, wie unterschiedlich Träume sind und weshalb kleine Wünsche ebenso bedeutend sein können wie grosse Lebensträume. ASTRID BOSSERT MEIER Die Bibliothek der Primarschule Fischbach ist ein einladender Ort. Zwischen Lesesofa, gelb lackierten Bücherregalen und Kinderbüchern treffen sich drei Generationen einer Familie, um über ein Thema zu sprechen, das alle begleitet: Lebensträume. Bäuerin Antoinette Häfliger-Arnet (86) sitzt aufrecht, mit wachem Blick. Neben ihr Sohn Othmar (58), Elektrotechniker und Gemeindepräsident von Zell. Die Dritte im Bunde ist seine Tochter Fabienne (25), eine junge Lehrerin in Fischbach. zenit: Welchen Bezug haben Sie zur Schule Fischbach? Fabienne: Ich bin in Zell aufgewachsen und kannte die Schule Fischbach nicht gut – obwohl mein Vater hier zur Schule ging. Das Stelleninserat für die Basisstufe ist mir jedoch ins Auge gesprungen. Es war meine erste Bewerbung nach der Pädagogischen Hochschule. Noch am selben Tag wurde ich eingeladen, das Schulhaus zu besichtigen. Heute unterrichte ich hier und fühle mich sehr wohl im überschaubaren, familiären Team. Othmar: Als ich hier zur Schule ging, gab es nur zwei Klassenzimmer, noch keinen Kindergarten. Ich erlebte Lehrer nach alter Schule, sogar mit körperlichen Strafen, aber auch jüngere, die zeitgemäss unterrichteten. Wir Kinder mussten uns mit unterschiedlichen Lehrern und Methoden arrangieren. Ich habe die Primarschule als Wechselbad der Gefühle in Erinnerung. Antoinette Häfliger, war Ihre Schulzeit in den 1940er- Jahren Traum oder Albtraum für Sie? Antoinette: Ich wuchs in einer Bauernfamilie in Gettnau auf. In der zweiten Klasse erkrankte ich an Kinderlähmung, konnte lange nicht mehr gehen und verpasste ein halbes Schuljahr. Dazu kam, dass ich an Zöliakie leide, also an Glutenunverträglichkeit. Als die Krankheit endlich diagnostiziert werden konnte, war ich schon über 40. Als Kind war mir oft schlecht, ich hatte keine Energie und war ein schwächliches Kind. Der Vater musste mich mit dem Pferdewagen zur Schule führen. Das hat meine Schulzeit stark geprägt. Für die Oberstufe schickten mich meine Eltern ins Mädcheninternat Melchtal. Ich hatte furchtbares Heimweh – aber zumindest keinen langen Schulweg. Fabienne Häfliger, Sie unterrichten nun seit drei Jahren in Fischbach. War Lehrerin schon früh Ihr Traumberuf? Fabienne: Allerdings, das war für mich immer klar. Als Kind schrieb ich «Deutsch» oder «Rechnen» auf Prospekte und spielte stundenlang «Schülerlis», auch wenn mein kleiner Bruder nicht immer mitmachen wollte. Mein grösster Weihnachtswunsch war ein Hellraumprojektor. Othmar: Das stimmt. Damals stellten alle Schulen auf Beamer um. So konnten wir für Fabienne einen OccasionsHellraumprojektor beschaffen und sie war überglücklich. Othmar Häfliger, hatten Sie als Kind einen Traumberuf? Othmar: Nicht wirklich. Ich ging vier Jahre an die Kanti, radelte täglich 17 Kilometer nach Willisau und zurück. Doch ich wollte arbeiten. Im Vordergrund stand aber nicht der Traumberuf, sondern die Frage, welche Lehrstellen in der Region angeboten wurden. Ich hatte zwei Optionen: Das KV auf der Bank oder eine Lehre als Elektrotechniker. Mein Entscheid war kein Lebenstraum, ich wählte das Beste aus den vorhandenen Möglichkeiten. Antoinette Häfliger, haben Sie bedauert, dass sich Ihr Sohn gegen die Matura entschieden hat? Antoinette: Nein, auch ohne Matura hat er seinen Weg gemacht. Und als Elektrotechniker fand er nach der RS eine Arbeitsstelle, die ihm viele Möglichkeiten eröffnete. Othmar: In der Rekrutenschule suchte ich eine Stelle, eher halbherzig, um Urlaub für ein Vorstellungsgespräch zu erhalten. Zufällig landete ich bei Müller Martini in Zofingen. Das Vorstellungsgespräch war so interessant, dass ich blieb. Ich musste nicht mal einen Lebenslauf schreiben. Ich bin nun seit über 30 Jahren für dieses Unternehmen tätig. Drei Generationen, drei Lebensträume

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