Das Tal liegt zum grössten Teil auf dem Gebiet der Gemeinden Schlossrued und Schmiedrued und wird von der Ruederche durchflossen. Dieser 10 km lange Bach mündet bei Schöftland in die Suhre, einem Nebenfluss der Aare. Die rund 2100 Einwohner des Tales verteilen sich auf die Dörfer Schiltwald, Walde, Schmiedrued (wo noch bis 1915 eine Hammerschmiede existierte), Kirchrued und Schlossrued. Schiltwald diente Hermann Burger als Hintergrund für seinen Roman «Schilten», eine kritische Beschreibung der Zustände im Ruedertal um 1960. Rued ist ein alemannischer Siedlungsname althochdeutsch «Ruoder-ahu» (beim Rueder-Bach). Später entstand daraus «Ruoderache», heute Ruederche. Rued geht wohl auf Rodungen zurück wie die Familiennamen Roderer, Reuter und Grüter. Obwohl in Triengen und Schöftland römische Gutshöfe nachgewiesen sind, fehlen diese im Ruedertal. Die Römer siedelten auch im luzernischen Kulmerau, das ans Ruedertal angrenzt (ahd. Calumbrowe, lat. columbarium), was auf eine römische Begräbnisstätte hinweist. Scheinbar mieden schon die Römer das enge Ruedertal. Auch für die Industrie war es uninteressant, weil die Ruederche zu wenig Wasser und zu wenig Gefälle aufwies. So blieb bloss die Landwirtschaft, auch wenn der Boden nicht viel hergab. Liegen hier die Gründe, dass die Herren von Schloss Rued in diesem öden Land Flüchtlinge, Hugenotten, Täufer und Sektierer tolerierten? Den Glaubensflüchtlingen wurden «Steckhöfe» zugewiesen. Es waren Bauernhöfe oder kleine Weiler, die 24 Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 24 Das abgelegene Tal zwischen Schöftland und Beromünster hat eine faszinierende Geschichte. Früher ein karger Boden, zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben, ein Zufluchtsort für religiöse Randgruppen: Täufer, Hugenotten und Pietisten. VON WALTER STEFFEN* BLICK IN DIE GESCHICHTE Das Ruedertal – beschaulich und unbekannt keiner Gemeinde angehörten und weit abseits von Dörfern lagen. Sie waren nicht an die Dreifelderwirtschaft gebunden und besassen weder Zugang zu einer Allmend noch einen Anteil am Wald. Ihren Namen erhielten die Steckhöfe, weil sie mit Holzstangen («Stecken») abgegrenzt waren. Im aristokratischen Bern um 1700 gab es solche Zufluchtsorte «am Ende der Welt». So siedelten sich Täufer, «Stündeler» und Pietisten in den öden Jurahöhen und im Napfgebiet an. Sie wurden oft auch von der Obrigkeit verfolgt. 1726 wollten bei Kröschenbrunnen drei Täuferjäger drei «Täuferweiber» abführen, worauf die ganze Sippe sich wehrte. Sie seien auf Luzerner Boden, argumentierten sie. Der Landvogt von Entlebuch beschwerte sich darauf bei der Berner Regierung, worauf die drei Landjäger gebüsst wurden. Im hintersten Teil des Fankhausgrabens hinter Trub am Napf ist heute noch ein Täufer-Versteck zu besichti- * Dr. phil. Walter Steffen (*1945) unterrichtete Geschichte, Italienisch und Englisch an den Lehrerseminarien Luzern und Hitzkirch und leitet Exkursionen von Pro Senectute Luzern. Das letzte Strohdachhaus von Schmiedrued wurde 1962 abgebrochen. Das Vollwalmdach bedeckte zu jenem Zeitpunkt nur noch den Ökonomieteil. Aus dem Buch von Ursula Maurer: Hungerland – Armut und wirtschaftliche Not im Ruedertal um 1850. ISBN: 978-3-03919-465-0, Verlag Hier und Jetzt, Zürich
RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx