Zenit Nr. 4, November 2021

Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 21 5 Ein turmartiger Anbau, die schwungvolle Wendeltreppe und der eine oder andere schräge Winkel verleihen der zweistöckigen Behausung das gewisse Etwas. «Hier fühle ich mich sehr wohl», sagt sie und zeigt die zahlreichen Bilder und Gemälde an den Wänden – zu jedem Werk hat sie eine eigene Geschichte zu erzählen. Ein grosses Bücher- gestell und ein Klavier runden das Bild ab. Man erkennt so- fort: Hier wohnt jemand, dem Kultur am Herzen liegt. «Ohne meine Bilder, Musik und gute Bücher kann ich nicht leben», sagt sie nur und strahlt. In Herisau in einer kaufmännischen Familie zusammen mit drei Geschwistern aufgewachsen, zog es die junge Frau bald nach Zürich an die Schauspielschule. «Zahlen waren nie etwas für mich, deshalb war klar, dass ich nicht in die Fussstapfen meines Vaters, der Textilfachmann war, treten wollte.» Die Schulzeit habe sie, obwohl sie gerne lernte, nur überstanden, weil sie künstlerische Gymnastik betreiben und Klavier spielen konnte. «Das Expressive hätte mir ein- fach gefehlt. Meine Mutter konnte aus meinem Klavierspiel herauslesen, wie es mir ging.» In der Schauspielschule war sie mit dem inzwischen ver- storbenen Mathias Gnädinger in der gleichen Klasse. «Ich habe sehr von dieser Ausbildung profitiert.» Und das Stadt- leben, war das Mitte der Sechzigerjahre nicht spannend für jemanden aus Herisau? «Ich bin trotz allem ein Landei geblieben», verrät sie. Obwohl sich mit der beginnenden Achtundsechziger-Revolte einiges bewegte, legte sie ihren Fokus aufs Theater und ordnete dem alles unter. Eine Eigen- schaft, die sich durch ihr ganzes Leben ziehen sollte. Schwierige Suche nach Engagements Nach der Ausbildung sprach sie an vielen Häusern vor, auch in Deutschland. «Meist hiess es: nicht noch eine An- fängerin, und dann noch so klein!» Irgendwelche schlecht bezahlte Engagements in Deutschland hätte es zwar gege- ben. «Aber als ich sah, wie Kollegen aufgedunsene Gesich- ter bekamen, weil sie sich durchhungerten und fast nur mit Bier ernährten, war klar, dass das nichts ist für mich.» Mit 300 deutschen Mark konnte man auch damals nicht über IM ZENIT Fotos: Raphael Hünerfauth einfach» sage. Das junge Gesicht von damals habe ich natürlich nicht mehr, aber die leicht heisere Stimme tönt immer noch gleich, denke ich.» Sie lächelt. «Und meist sagen die Leute, dass meine Augen immer noch auf die gleiche Art leuchten wie damals.» Anfang der Siebzigerjahre erlangte Regina Kempf nationale Berühmtheit, als sie sich als selbstbewusste Fern- sehansagerin und «nettes Gesicht am Bildschirm» in die Köpfe der Menschen einprägte. Dabei sei das alles gar nicht so einfach gewesen, bemerkt sie, während sie einen Kaffee zubereitet. In Richterswil, hoch über demZürichsee, wohnt Regina Kempf in einem Reihenhäuschen der besonderen Art. Es ist zwar klein und bescheiden, hat aber den Charme eines kleinen Schlösschens, wie sie es auch selber nennt. Zur Person Regina Kempf wuchs in Herisau mit drei Geschwistern auf und absolvierte in Zürich die Schauspielschule. Von 1966 bis 2004 war sie beim Schweizer Fernsehen tätig: als Ansagerin, Moderatorin und Redaktorin. Sie moderierte unter anderem die Sendungen «Unbekannte Bekannte» (1980–82) und «Kaländer» (1985–92). Von 1976 bis 2001 arbeitete sie auch als Radiomoderatorin und moderierte Sendungen wie «Guete Samschtig», «Nachtexpress» oder «Hafenkonzert – Gruss vom Bodensee». 1978 bis 1991 arbeitete sie als Gymnastik-Tanzlehrerin und seit 1997 ist sie Feldenkrais-Lehrerin.

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx