Zenit Nr. 4, November 2021

32 Pro Senectute Kanton Luzern 4 | 21 Die Kapuziner und ihre Jede(r) Assisi-Reisende ist beeindruckt vom riesigen, prunkvollen Kloster, das über dem Grab des heiligen Fran- ziskus errichtet wurde. So viel Prunk für den Apostel der Armut? Das radikale Leben in der Nachfolge des «armen Christus» sorgte schon zu Zeiten Francescos für Spannun- gen im jungen Franziskanerorden – und wurde später Grund für verschiedene Aufspaltungen. 1517 teilte Papst Leo X. den Orden in die Konventualen (Minoriten), denen ein gemeinschaftlicher Besitz erlaubt wurde, und die Observanten (Franziskaner), die eine mög- lichst enge Befolgung der Regel des Franziskus anstrebten. 1528 entstand der dritte franziskanische Männerorden: die Kapuziner. Ihr Gründer, Matteo da Bascio, hatte 1525 sein Kloster verlassen, um nach dem Vorbild Francescos völlig mittellos durch die Welt zu ziehen. Er wurde von seinem Provinzial verhaftet und eingesperrt. Caterina Cibo, die Herzogin von Camerino, eine Nichte von Papst Clemens VII., vermittelte und erwirkte in der Folge die Gründung des Kapuzinerordens. Er entstand durch aussteigende Franziskaner, die auf Wanderpredigt, Pestkrankenpflege und das Leben in kleinen Einsiedeleien, abseits der Städte und Dörfer, setzten. Die Kapuzinerkir- chen sind schlicht, einschiffig, der Chorschmuck aus Holz statt Marmor. 1535 – sieben Jahre nach den Anfängen der Reform – entstand bereits das erste Kloster in der Schweiz: Bigorio, oberhalb von Tesserete – ein lieblicher Ort mit Ausblick auf das gesamte Südtessin. Altdorf (1581 gegründet) war das erste Kapuzinerkloster nördlich der Alpen. Es folgten 20 weitere: Stans 1582, Arth 1582, Schwyz 1585, Appenzell 1587, Luzern 1588, Solothurn 1588, Baden 1591, Zug 1595, Rapperswil 1606, Sursee 1608, Freiburg 1609, Bremgarten 1621, Sarnen 1642, Olten 1646, Schüpfheim 1653, Mels 1654,Wil 1657, Brig 1659, Dornach 1672 und Näfels 1675. Diese frühen Klöster bildeten strategisch gesetzte, befes- tigte «Schutzschilder des Glaubens». Die burgähnliche Position des Kapuzinerklosters Rapperswil zeugt heute noch davon: ein Schutz der Stadt gegen Angriffe aus dem refor- mierten Zürich. Doch auch im Innern wurden die Kapuziner als «trouble shooters» (Friedensstifter) benützt: Nach dem Bauernkrieg sandte die Luzerner Regierung die Kapuziner nach Schüpfheim, um die aufmüpfigen Entlebucher «Herr- gotts Lumpen» zu besänftigen. Ihr Kloster wurde 1654 auf der Hinrichtungsstätte der Bauernführer errichtet. Die Kapuzinerinnenklöster Stans, Gubel, Notkersegg und Gerlisberg waren früher jeweils einem naheliegenden Männerkloster unterstellt. Als Gegenleistung für die Seel- sorge besorgten sie u. a. die Wäsche der Brüder. Heute sind sie selbstständig, gehören aber zur franziskanischen Gross- familie (der Interfranziskanischen Arbeitsgemeinschaft INFAG) ebenso wie die Kongregationen der Baldegger, Menzinger und Ingenbohler Schwestern. Die Kapuziner sind ein demokratisch strukturierter Orden. Für sämtliche Funktionen – vom Guardian (Klos- tervorsteher) über den Provinzial (Provinzvorsteher) bis VON WALTER STEFFEN* * Dr. phil. Walter Steffen (*1945) unterrichtete Geschichte, Italienisch und Englisch an den Lehrerseminarien Luzern und Hitzkirch und leitet Exkursionen von Pro Senectute Luzern. 1517 teilte Papst Leo X. den Franziskanerorden in die Konventualen (Minoriten) und die Observanten (Franziskaner) ein. 1528 folgte der dritte franziskanische Männerorden: die Kapuziner. Danach entstanden in der Schweiz 21 Kapuzinerklöster – eines davon 1588 auf dem Wesemlin in Luzern. Heute befindet sich der Kapuzinerorden in einem grossen Umbruch.

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