Zenit Nr. 3, September 2017

SCHWEIZER GESCHICHTE, TEIL 19 leitung wurden nicht gerichtlich verfolgt und die Boni-Zah- lungen an sie nicht eingestellt. Das Aufatmen kam fünf Jahre später: «Insgesamt hat die grösste Rettungsaktion von Bund und Nationalbank für ein privatwirtschaftliches Unternehmen den Steuerzahler keinen Rappen gekostet, aber einen Gewinn in der Grössenordnung von 6,5Mrd. Franken in die Kasse des Staates und der Noten- bank gespült», meldete die NZZ am 4. August 2013. Trotz- dem blieb ein schaler Nachgeschmack: Das Bild von der «selbstherrlichen Unkontrollierbarkeit des Finanzplatzes Schweiz» (Mario König, Schweizer Historiker) wurde hier ze- mentiert. 2010machte die Bilanzsumme aller Schweizer Ban- ken mehr als das Achtfache des Bruttoinlandproduktes aus. Fast zwei Drittel davon beanspruchten UBS und CS. Die Macht des Geldes beherrscht die demokratisch ge- wählten Behörden – und leider nicht umgekehrt. Das scheint sich nicht schnell zu ändern: 2017 lagern 2400 Milli- arden Franken an ausländischen Geldern in Schweizer Banken und «nur» halb so viel inländisches Geld. Kein anderer Finanzplatz der Welt hortet so viel Geld. London und Singapur schaffen bloss die Hälfte. Vom «EWR-Nein» zur Masseneinwanderungsinitiative Das Bild der heilen Insel Schweiz in der tosenden Brandung existiert offenbar weltweit. Es wird auch von einer Mehrheit der Schweizer vertreten. Die EWR-Abstimmung vom 6. De- zember 1992 bestätigte dies einmal mehr: 50,4Prozent der Stimmenden und 16 Stände lehnten die EU-Annäherung ab, in Uri sogar 75Prozent, in der Innerschweiz 64Prozent. Profiteurin dieser Anti-EU-Stimmung ist die SVP. Ihr Stim- menanteil stieg von 11,9Prozent (1991) auf 22,5 Prozent (1999), 28,9 Prozent (2007) und 29,4 Prozent (2015). Die Wünsche und Vorstellungen der Wirtschaft sind nicht identisch mit denjenigen des Volkes. Der Bundesrat muss vermitteln. Wenn 80Prozent der Importe aus der EU stam- men und 60Prozent der Exporte dorthin gehen, bleibt der Regierung nichts anderes übrig, als bilaterale Verhandlun- gen mit jedem einzelnen EU-Staat. Das geht nicht ohne Nachvollzug des EU-Wirtschaftsrechtes, mag dieser nun auch beschönigend «autonom» genannt werden. Drei Jahre nach der Annahme der SVP-Initiative gegen Massenein- wanderung ist nicht klar, wie das Volksbegehren umgesetzt werden soll, ohne die Abkommen mit der EU zu gefährden. Inzwischen wollen auch Exponenten der SVP die Suppe nicht mehr so heiss löffeln, wie sie vor der Abstimmung ge- kocht wurde. «Substanzielle Änderungen der politischen Verfassung erforderten in der Eidgenossenschaft immer einen Bürger- krieg oder ausländische Interventionen», hält der Schweizer Hsitoriker Thomas Maissen fest, «politischer Wandel wird hier als Fremdbestimmung wahrgenommen». Schaffen wir die Gratwanderung zwischen nationaler Eigenständigkeit und globaler, auch völkerrechtlicher Verantwortung? Dr. phil. Walter Steffen ist Historiker. Geboren 1945 in Luzern, Städtisches Lehrerseminar und Studien in Zürich und Bologna. 30 Jahre Lehrer für Geschichte, Italienisch und Englisch an den Lehrerseminarien Luzern und Hitzkirch. Seit der Pensionierung ist er Reiseleiter für Italien. Nächste Folge : Die internationale Aufgabe und Ausstrahlung der Schweiz. Inserat Hotel Rischli | Rischlistrasse 88, 6174 Sörenberg | www.hotel-rischli.ch | info@hotel-rischli.ch | Tel. 041 488 12 40 auf die offiziellen Übernachtungspreise für Mitglieder des Club 66 vom 1.5.-15.12.17 20 % Rabatt Pro Senectute Kanton Luzern 3 | 17 35

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