Die Verehrung des Erzengels Michael als Heiliger hat ihre Wurzeln in uralten religiösen Traditionen. Im Christentum gilt Michael als Bezwinger des Teufels in Gestalt des Drachens. Er stürzt den Teufel in die Hölle mit den hebräischen Worten «Mi-ka-el» (Wer [ist] wie Gott?). Michael ist der Anführer der himmlischen Heerscharen. Als solcher hütet er das Paradiestor. Am Tag des Jüngsten Gerichts kommt ihm die Rolle des «Seelenwägers» zu. Auch der Koran kennt den Erzengel Michael: Er ist dort der Überbringer der göttlichen Botschaft an Adam, folglich ein Götterbote. Er hat eine verblüffende Ähnlichkeit mit verschiedenen antiken Gottheiten anderer Kultur- kreise: etwa mit dem ägyptischen Mondgott Thot, der das Ergebnis der Herzenswägung beim Totengericht notiert, oder der mit dem Planeten Merkur verbundene mesopotamische Weisheitsgott Nabu, der Schreiber und Inhaber der Schicksalstafeln. Aber auch mit dessen sumerischem Gegenstück, der Göttin Nisaba. Als Seelenwäger kann man Michael schliesslich mit dem griechischen Hermes, den zoroastrischen Göttern Sraosha und Rashnu, den ägyptischen Göttern Horus und Anubis sowie den altpersischen Göttern Hibil und Abathur vergleichen. Für Gerechtigkeit und Schutz Die katholische Kirche verehrt den Erzengel Michael als Schutzpatron und Verteidiger der Kirche. Er wird als der Engel der Gerechtigkeit und des Schutzes betrachtet und als Heiliger anerkannt. Für das Judentum, den Islam und das Christentum ist Michael einer der vier Erzengel; die anderen sind Gabriel, Raphael und Uriel. Griechische 28 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 24 Geheimnisvoll und in vorchristlicher Zeit verankert: Das Interesse am seit Jahrtausenden verehrten Erzengel Michael ist bis heute ungebrochen. VON WALTER STEFFEN* Der Kult um Sankt Michael Patriarchen geben ihm den höchsten Rang unter den Engeln. Im Alten Testament wird er «Schutzengel Israels» genannt. Rätselhafte Sankt-Michaels-Linie Die heute unbewohnte Felseninsel Skellig Michael im Süden Irlands wurde im 7. Jahrhundert eine Klostersiedlung. Es ist fast ein Wunder, dass dort bis zu zwölf Mönche in unwirtlichen Steinhütten überleben konnten. Irische Mönche wie Columban und Gallus missionierten zu die- ser Zeit im Bodensee-Raum. In Cornwall lebten seit dem 8. Jahrhundert Benediktiner auf dem Saint-Michael’s Mount, einer kleinen Insel, ähnlich dem viel berühmteren Mont-Saint-Michel in der Normandie. Dieses im 8. Jahrhundert gegründete Benediktinerkloster ist wohl der bekannteste Michaelsberg. Er war zeitweise Staatsgefängnis und wird heute wieder von Mönchen bewohnt und jähr- lich von über zwei Millionen Touristen besucht. Ähnlich spektakulär – auf einem imposanten Felsen – liegt die Sacra di San Michele im Piemont, eine Festungskirche in der Nähe von Turin. Auf dem Monte Sant’Angelo im GarganoGebirge in Apulien soll der Erzengel Michael im Jahre 490 erschienen sein. Das griechisch-orthodoxe Kloster Taxiarchis Mihail Panormitis auf der Insel Symi wurde um 450 auf den Ruinen eines Appollo-Tempels errichtet und gilt als eines der bedeutendsten Heiligtümer Griechenlands. Das Kloster auf dem Berg Karmel im Norden Israels wurde im 5. Jahr- hundert von griechischen Mönchen gegründet und dem Propheten Elias geweiht. Seit 1892 besteht hier ein Karme- litinnenkloster unter dem Namen «Stella Maris». Vom heiligen Michael findet sich hier keine Spur. Doch die «Sankt-Michaels-Linie» kann nur im Heiligen Land enden. Seit über 200 Jahren wird über die Wege nach Jerusalem geforscht und gerätselt. Vor allem in England wird bis heute nach «Ley-Lines» gesucht. Mit Ley-Linien (auch * Dr. phil. Walter Steffen (*1945) unterrichtete Geschichte, Italienisch und Englisch an den Lehrerseminarien Luzern und Hitzkirch und leitet Exkursionen von Pro Senectute Luzern.
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