Zenit Nr. 2, Juni 2022

28 Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 22 VON WALTER STEFFEN* Es gab Bäder und Wassertherapien für fast alle Krankheiten, und es wurden verschiedene Kuren angeboten: Ganz-, Teil-, Dampf-, Inhalations-, Sonnen-, Luft-, Licht- und Mineral-Schlammbäder sowie Duschen und Trinkkuren. Pro Kur waren 24 bis 30 oft mehrstündige Bäder vorgesehen. Die Trinkkur nötigte den Kurgast zu vier bis 15 Gläsern pro Tag. Die Kur dauerte drei bis fünf Wochen. Das konnte sich nur die Oberschicht leisten. Badekuren waren beliebt: Konversationszimmer, Damensalons, Bibliotheken, Fumoirs, Kurorchester, Vorträge, Bälle, Promenaden, Lusthäuschen, Parks, Aussichtspavillons und gedeckte Wandelhallen gehörten zu jedemKurort. Das vornehme Publikum wollte aber nicht bloss baden: Feines Essen, gute Luft, angenehme Gesellschaft gehörten immer dazu, womöglich noch ein Casino und ein Golfplatz. Oft legten sich die PatientInnen einen «Kurschatten» zu, was den Heilerfolg massgeblich steigerte. Baden, Zurzach, Schinznach, Pfäfers, Saxon, Leukerbad, Lenk, Scuol, St. Moritz und Vals waren die berühmtesten Bäder – Sie legten den Grundstein für den Tourismus und wurden zu Schrittmachern der modernen Hotellerie. Auch Luzern hatte zahlreiche Kurbäder: 1: Rigi-Kaltbad Um 1700 baute die Korporation Weggis in Rigi-Kaltbad das erste Gasthaus für Pilger, die zur Felsenkapelle und zum Dreischwesternbrunnen kamen, um Heilung zu suchen. Dieses Gebäude wurde 1825 ersetzt durch ein grösseres Gasthaus. Es war damals das erste Steinhaus auf der Rigi. Bald schon ersetzten hier Touristen die Badegäste: 1886 hatte das Grandhotel 400 Betten, vierzehn Jahre später gar 400 Zimmer. Am Schmutzigen Donnerstag 1961 – um 4 Uhr morgens – brannte es vollständig nieder. 11 Menschen fanden dabei den Tod. Heute steht hier das «BottaWellness-Freibad». 2: Der «Mississippi-Dampfer» Nicht als Heil- oder Luxusbad, sondern der Hygiene verpflichtet, entstand 1870 aus privater Initiative das Spreuerbad mit Zugang von der Brücke her. Weniger als 10 Prozent der Häuser Luzerns verfügten damals über eine Bade-Einrichtung. Die Kellner und Zimmermädchen der vielen Hotels schliefen in Massenunterkünften ohne Duschen, ebenso die Soldaten in der nahen Kaserne. Mit der Zeit wurde aber auch hier «Wellness» angeboten: Schwefel-, Meersalz-, Sol-, Kiefernadel-, Kleien-, Eisen-, Schwitz- und sogar parfümierte Seifenbäder. Die Wannenbäder waren strikt nach Geschlechtern getrennt und ab 19 Uhr sowie sonntags und montags geschlossen. 3: Knutwiler Bad Die eisenhaltige Quelle für Trink- und Badekuren wurde 1461 erstmals erwähnt. 1787 bauten die Gebrüder Mahler hier ein barockes Palais mit 60 Fremdenzimmern. Die Bade- und Trinkkuren im «Chnuteler Bad» waren im 19. Jahrhundert im In- und Ausland sehr beliebt. Heute deutet nur noch die denkmalgeschützte Villa Troller aus dem Jahre 1912 (ehemalige Dependance) auf Zwischen 1850 und 1914 waren in der Schweiz 350 Heilquellen bekannt, von denen 246 bewirtschaftet wurden. Was damals als «Bäderkur» galt, heisst heute «Wellness». BLICK IN DIE GESCHICHTE Blütezeit der Luzerner Bäder * Dr. phil. Walter Steffen (*1945) unterrichtete Geschichte, Italienisch und Englisch an den Lehrerseminarien Luzern und Hitzkirch und leitet Exkursionen von Pro Senectute Luzern. 1 6

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