Zenit Nr. 2, Juni 2022

Pro Senectute Kanton Luzern 2 | 22 13 Engagement auch Reisen, Sport treiben, der Besuch von Kultur- und Bildungsangeboten genauso wie die Unterstützung in der Familie (z. B. Grosskinder hüten und handwerkliche Arbeiten). Das Bild des aktiven Alters tritt in der Gesellschaft ebenfalls weit verbreiteten defizitorientierten Vorstellungen zum Alter entgegen und fokussiert auf eine positive, gestalterische und selbstbestimmte Seite des Älterwerdens. Insbesondere die Altersgruppe der sogenannten «jungen Alten», d.h. Personen der Altersgruppe zwischen 60 und ca. 80 Jahren werden mit dem Bild des aktiven Alters in Verbindung gebracht. Die Angehörigen dieser Altersgruppe sind im Durchschnitt bei guter Gesundheit, weisen eine höhere Lebenserwartung auf, sind besser gebildet und haben ein grösseres Einkommen als frühere Generationen. Diese Alterskohorte, die mit dem Übertritt der BabyboomerJahrgänge ins Pensionsalter in den nächsten Jahren stark ansteigen wird, pflegt demnach einen aktiven Lebensstil bis ins hohe Alter hinein. In diese Gruppe wird ebenfalls die Erwartung gesetzt, sich auch freiwillig zu engagieren. Das freiwillige Engagement unterbrochen Mit Beginn der ersten Corona-Welle im März 2020 konnten viele Menschen ihr freiwilliges Engagement plötzlich nicht mehr wie gewohnt ausüben. Grund dafür waren die aus epidemiologischer Sicht angezeigten Schutzmassnahmen und Kontaktbeschränkungen. Hiervon waren ältere Menschen besonders betroffen, da sie zu Beginn der Pandemie pauschal zur Risikogruppe gezählt wurden und vor einer Ansteckung geschützt werden sollten. Ein Umstand, der ihr Engagement und ihre sozialen Teilnahmemöglichkeiten zusätzlich beschränkt hat. In unserer Studie haben wir zu unterschiedlichen Zeitpunkten der Pandemie ältere Menschen befragt, die sich freiwillig engagieren. Die Resultate zeigen: Gerade zu Beginn der erstenWelle hat ein Grossteil der Befragten ihr Engagement unterbrochen oder an jüngere Mitmenschen abgegeben. Zumindest ein Teil der Befragten konnte aber trotz Pandemie weiterhin freiwillig tätig sein – insbesondere dann, wenn es sich um Aktivitäten handelte, die beispielsweise auf Distanzformate (z. B. Online-Sitzungen, Telefonate) verlagert oder unter Einhaltung der Schutzmassnahmen weitergeführt werden konnten. Bei anderen Tätigkeiten ist ein Engagement aus der Ferne nicht so einfach möglich, wie etwa bei freiwilligen Fahr- oder Besuchsdiensten. Ein geringer Teil der älteren Menschen hingegen hat ihr Engagement im Verlaufe der Pandemie dauerhaft beendet. Während der zweiten Corona-Welle ab Mitte Oktober 2020 wurden die freiwilligen Tätigkeiten seltener unterbrochen als noch während der ersten Welle im März 2020. Die Befragten haben sich offenbar schnell mit der neuen Realität arrangiert und sich aufgrund der mittlerweile etablierten Schutzmassnahmen sicherer gefühlt. Ähnliche Befunde zur Stabilität im freiwilligen Engagement liefern erste Studien aus Deutschland und der Schweiz. Sie lassen auf eine gewisse Krisenfestigkeit der Freiwilligenarbeit schliessen. Der wechselvolle Verlauf der Pandemie (Covid-Varianten, Impfungen, Zertifikate, Massnahmen, Lockerungen etc.) wird in der Rückschau auf die letzten zwei Jahre von einer Teilnehmerin folgendermassen beschrieben: «Ich habe dies auch in Wellen empfunden. Also, am Anfang war ich sehr sorgfältig und dann merkte ich plötzlich, dass ich jetzt ja zwei, drei Mal geimpft bin und daher etwas lockern kann. Und dann passierte jeweils gleich das Gegenteil. Dann habe ich gemerkt, dass auch dreimal Geimpfte sich und andere infizieren können. Da musste ich erneut eine Schlaufe sorgfältiger sein, auch mit meinem Ehemann zusammen. Also, es ging schon wieder auf und ab.» Risikogruppe – ein umstrittener Begriff Freiwillig Engagierte mussten sich ständig auf neue Situationen einstellen, insbesondere in Bezug auf ihr gesundheitliches Risiko. Hinsichtlich der Zuordnung zur Risikogruppe ergibt sich in den Antworten in unserer Studie allerdings kein einheitliches Bild. Während sich die einen einer pauschalen Zuordnung verwehren, weil sie eine Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe nicht mit ihrem Selbstbild des aktiven Alters in Einklang bringen und dies als diskriminierend oder gar entmündigend werten, haben andere eher kein Problem damit. Obwohl ältere Menschen in dieser Frage keine gemeinsame Position haben, stellt sich die Frage, ob nicht auf den Begriff Risikogruppe ganz verzichtet werden sollte, da ihn zumindest einige der älteren Menschen als diskriminierend empfinden. Weitere Informationen zum Projekt «Folgen der CoronaPandemie für ältere Freiwillige und ihr Engagement» sowie den Abschlussbericht gibt es unter www.hslu.ch Dr. Mario Störkle, Soziologe M.A., ist Dozent und Projektleiter am Institut für Soziokulturelle Entwicklung an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Seine Forschungsschwerpunkte sind Alter, freiwilliges Engagement sowie sozial räumliche Stadt- und Quartierentwicklung. Prof. Dr. Stephan Kirchschlager ist Institutsleiter des Instituts Sozialarbeit und Recht an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Seine Forschungs- und Arbeitsschwerpunkte sind qualitative Methoden in der Sozialen Arbeit, Konversationsanalyse, freiwilliges Engagement sowie Partizipation. Kontakt: Hochschule Luzern – Soziale Arbeit, Dr. Mario Störkle, Dozent und Projektleiter, Werftestrasse 1, 6002 Luzern, Telefon 041 367 49 25, mario.stoerkle@hslu.ch FACHBEITRAG

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