03 / 2025 THEMENHEFTTEIL: 30 JAHRE KIS KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 33 DR. MED. MICHAEL HUBMANN PRÄSIDENT DES BERUFSVERBANDS DER KINDER- UND JUGENDÄRZT*INNEN E.V. (BVKJ), D-ZIRNDORF Korrespondenzadresse: praesidium@bvkj.de Bei der Anfrage, zum 30. Geburtstag für Ihre Verbandszeitschrift einen Artikel zu Visionen der kinder- und jugendärztlichen Versorgung beizusteuern, fiel mir als Erstes ein markiger Spruch unseres ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (1918 bis 2015) ein. Anlässlich des Bundestagswahlkampfes hat er 1980 gesagt: «Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen.» «Wer nicht redet, wird nicht gehört» Praxispädiatrie in Deutschland zwischen Ideal und Realität dungen, die sie betreffen, stärker einbeziehen: Diese Forderung wird regelmässig in Umfragen thematisiert, aber leider nicht umgesetzt. Die Pädiatrie der Zukunft? In Deutschland stehen wir in den kommenden Jahren vor einer weiteren, sehr grossen Herausforderung: Die Generation der Babyboomer geht in den Ruhestand. Immer öfter erscheinen Artikel über den Leerstand von Praxen, für die kein/e Nachfolger:in gefunden werden kann. Die finanziellen Risiken, die überbordende Bürokratie und das aufwändige Verwaltungs- und Personalmanagement schrecken viele junge Ärzt:innen von der Selbstständigkeit ab. Angesichts der Fülle von Problemen, denen wir gegenüberstehen, fällt es mir schwer, Visionen zu entwickeln. Denn primär werden wir uns in den kommenden Jahren mit «troubleshooting» beschäftigen müssen. Hoffnungen ruhen in mehr Studienplätzen in der Medizin, in einer Landarztquote, im Einsatz von KI in der Pädiatrie. Doch das klingt alles nach einem Marathon-Lauf, nicht nach einem Sprint. Zum Schluss möchte ich noch einmal unseren ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zitieren: «Wer nicht redet, wird nicht gehört.» Deshalb erheben wir als Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt:innen unsere Stimme und verschaffen uns in Gesellschaft, Politik und Presse Gehör. Schliesslich haben wir ein Argument auf unserer Seite, um das uns alle beneiden: Wir arbeiten im schönsten Beruf der Welt! ■ In Deutschland hat sich im Mai 2025 eine neue Regierung mit einem neuen Kanzler konstituiert. Von ihr erwarten wir handfeste Veränderungen, die wir in einem «Pakt für Kindergesundheit» zusammengefasst haben. Darin enthalten sind Verbesserungen der medizinischen Versorgung von Kindern und Jugendlichen, eine Stärkung der Prävention und Gesundheitsförderungen ab der Geburt sowie der Schutz vor den Folgen des Klimawechsels. Immerhin haben unsere Formulierungen es bis in den Koalitionsvertrag gebracht. Nun werden wir die Umsetzung genau im Auge behalten. Dazu gibt es von unserer Seite konkrete Forderungen: ■ Eine flächendeckende Sicherung der pädiatrischen Versorgung ■ Eine Umsetzung der Krankenhausreform mit dem Erhalt der Kinderkliniken ■ Eine Notfallreform, die dem medizinischen Bedarf und der Behandlungsstruktur angepasst ist ■ Eine der Allgemeinmedizin gleichgestellte Förderung der Weiterbildung Was wir uns von den Eltern noch wünschen, sind die Geduld und die Einsicht, dort auf den Einsatz von Medikamenten zu verzichten, wo Hausmittel und Selbstheilungskräfte ihre Wirkung entfalten können. Mehr Rück- als Fortschritte Mitte Mai 2025 hat uns eine Nachricht aufgeschreckt: Laut einem UNICEF-Bericht zum kindlichen Wohlbefinden ist Deutschland in 43 OECD- und EU-Ländern zwischen 2018 und 2022 von Platz 14 auf Platz 25 abgerutscht! Der Bericht zeigt uns deutlich, dass wohlhabende Länder zunehmend Schwierigkeiten haben, die Voraussetzungen für eine geschützte Kindheit mit guten Aussichten für eine positive Zukunft zu schaffen. Auch diese Studie verdeutlicht, woran es bei einem gesunden Aufwachsen fehlt. In einem einkommensstarken Land wie der Bundesrepublik Deutschland haben nicht alle Kinder Zugang zu einer ausgewogenen Schulmahlzeit. An Präventivmassnahmen, die ihre mentale Gesundheit stärken, wird zu oft gespart, hier müsste viel mehr auf Kinder mit einem höheren Risiko eingegangen werden. Von Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit entfernen wir uns immer mehr. Zudem sollten wir die Kinder und Jugendlichen bei EntscheiFoto: Adobe Stock
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