KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2025

THEMENHEFTTEIL: 30 JAHRE KIS 03 / 2025 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 20 PROF. DR. OEC. HSG ALFRED ANGERER LEITER FACHSTELLE MANAGEMENT IM GESUNDHEITSWESEN, CO-LEITER DIGITAL HEALTH LAB, ZÜRCHER HOCHSCHULE FÜR ANGEWANDTE WISSENSCHAFTEN ZHAW, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: ange@zhaw.ch Veränderungen sind nie einfach – das gilt auch für die Einführung neuer Technologien wie künstlicher Intelligenz (KI) und Sensorik in der pädiatrischen Praxis. Um die Vorteile des technologischen Wandels im Arbeitsalltag zu nutzen, ist ein systematischer, ganzheitlicher Ansatz notwendig. Dieser Beitrag zeigt auf, welche vier Dimensionen Praktiker:innen beachten müssen, um erfolgreich die digitale Zukunft zu gestalten. Die Zukunft der digitalisierten Pädiatrie – Von der Kartoffel lernen Den digitalen Wandel richtig steuern mit dem MTDO-Ansatz es kein Medizinstudium. Weitere 45% bestehen aus medizinischen Standardaufgaben, die zwar Fachwissen erfordern, ihn aber kaum fordern. Die verbleibenden 10% machen die wirklich spannenden, komplexen Fälle aus, die seinen Beruf so faszinierend machen. Sein Problem: Viele Digital-Health-Anbieter versuchen gerade diese anspruchsvollen 10% durch KI-Lösungen zu ersetzen. Dabei braucht er vor allem Unterstützung bei der Reduktion administrativer Aufgaben. Diese Erkenntnis ist zentral: Die Digitalisierung wird insbesondere dann Akzeptanz in der Ärzt:innenschaft finden, wenn sie sich auf Bereiche konzentriert, die einen hohen Zeitaufwand verursachen und wenig Freude bereiten. Der Bereich der Verbesserung medizinischer Kernaufgaben wie Diagnostik sollte anschliessend ebenfalls angegangen werden. Digital-Health-Studie: Nutzen und Machbarkeit Die gute Nachricht: Es gibt bereits heute digitale Lösungsgruppen1 mit hohem Nutzen und guter Umsetzbarkeit. Unsere ZHAW-Studie, in der Digital-HealthExpert:innen zu 21 Lösungsgruppen befragt wurden, zeigt vielversprechende Ansätze. Besonders gut bewertet wurden beispielsweise KI-basierte Tools zur automatisierten Dienst- und Terminplanung. Auf einer Skala von 1 bis 5 erhielten diese Lösungen einen Erleichterungswert von 4.6. Auch elektronische Medikation (4.4), Dokumentationsunterstützung (4.3) und das elektronische Patientendossier (EPD) (4.3) wurden als besonders wertvolle Erleichterungen eingestuft. Wichtig zu beachten ist, dass bei dieser Umfrage der grundsätzliche Nutzen eingeschätzt wurde, nicht die einzelnen Softwarelösungen. Erfolgreiche Umsetzung mit der MTDO-Logik Gerade das Beispiel EPD zeigt: Eine prinzipiell gute und wichtige Idee allein reicht nicht, um in der Praxis Wirkung zu entfalten. Denn wir wissen aus der Innovationsforschung, dass sich technologische Lösungen nur durchsetzen, wenn gleichzeitig der Kontext und weitere «weiche» Faktoren berücksichtigt werden. Um die Digitalisierung in der eigenen Organisation konkret voranzutreiben, braucht es also einen strukDigitalisierung und der Blick in die Vergangenheit Heute kaum vorstellbar: Im 18. Jahrhundert wehrte sich die Bevölkerung Mitteleuropas vehement gegen die Einführung einer neuen, exotischen Gemüsesorte – der Kartoffel. Diese war so unbeliebt, dass der preussische König Friedrich II. mit dem «Kartoffelbefehl» im Jahr 1756 den Anbau gesetzlich vorschreiben musste. Insgesamt erliess er 15 Kartoffelgesetze – jedoch mit wenig Erfolg. Erst 25 Jahre später, in Zeiten einer Hungersnot, setzte sich die Kartoffel durch. Man kann sich zu Recht fragen, ob wir im Gesundheitswesen bei der Digitalisierung nicht etwas Ähnliches erleben. Meine These: In 25 Jahren werden wir auf unsere heutigen Prozesse zurückblicken und uns wundern, warum der Widerstand gegen die Digitalisierung so gross war. Psychologisch ist das nachvollziehbar: Wandel erzeugt Unbehagen. Menschen brauchen gute Gründe, um alte Gewohnheiten aufzugeben. Deswegen benötigen auch Pädiater:innen eine überzeugende Motivation für die Digitalisierung ihrer Praxis. Finanzielle Anreize sind rar, da sich Digitalisierungsmassnahmen oft erst langfristig auszahlen. Damit sich unser Gesundheitssystem in Richtung Digitalisierung entwickelt, sollten Bund und Kantone verstärkt über gezielte Fördermassnahmen nachdenken. Die Bedürfnisse der Ärzt:innen verstehen Doch Geld und Zentralisierung allein werden das Problem nicht lösen. Wir müssen besser verstehen, wie Technologie Fachkräften konkret helfen kann. Ein Gespräch mit Dr. med. Matthias Abegg, Augenarzt in Bern, gab mir dazu wertvolle Einblicke. Er unterteilt seine tägliche Arbeit grob in drei Bereiche: Rund 45% seiner Arbeitszeit entfallen auf administrative Tätigkeiten, die auch andere übernehmen könnten – dafür braucht Die Digitalisierung wird insbesondere dann Akzeptanz in der Ärzt:innenschaft finden, wenn sie sich auf Bereiche konzentriert, die einen hohen Zeitaufwand verursachen und wenig Freude bereiten. « »

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