01 / 2025 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 23 DR. MED. IRMELA HEINRICHS FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, LEITERIN REDAKTIONSKOMMISSION, USTER Korrespondenzadressen: iheinrichs@hin.ch andre.schwaninger@ advisorybay.com Hat unsere Praxis «improvement potential»? Ein «Crashkurs» in Unternehmensberatung für die Kinderarztpraxis N ach einem angeregten «Brown-Bag» Lunch-Meeting* mit den Unternehmensberater:innen André und Simone Schwaninger der Firma advisorybay AG schwirrt mir der Kopf vor lauter englischer Fachbegriffe. Während ich zunächst den Eindruck hatte, alles verstanden zu haben, fühlte ich mich im Nachhinein von der Fülle an fachfremden lnformationen erschlagen. Vielleicht geht es unseren Patient:innen und Eltern ähnlich: Wir erklären Krankheiten mit lateinischen Begriffen, sie nicken verständnisvoll – und stellen dann am Empfang erste Verständnisfragen. Der vorliegende Artikel soll als Anregung dienen, wie sich eine typische Kinderarztpraxis mit ausgewählten Fragestellungen und Ansätzen in Richtung «Traumpraxis» entwickeln kann. * Ein «Brown-Bag» Lunch-Meeting ist ein informelles Treffen während der Mittagspause mit dem Ziel der Wissensvermittlung. Die Teilnehmenden bringen dabei typisch ihr eigenes Essen mit, oft in braunen Papiertüten. Der erste Schritt jeder Veränderungsberatung ist, das Bewusstsein zu schaffen, etwas ändern zu wollen. Das Hauptziel einer Kinderarztpraxis sind gesunde und zufriedene Patient:innen, aber auch ein gesundes, zufriedenes Team und eine gesunde finanzielle Basis. Aktuell klagen viele Praxen über dieselben Probleme: ■ Zu viele Patient:innen ■ Zu wenig Personal ■ Zu viel Bürokratie ■ Zu wenig Zeit Gibt es Optimierungsmöglichkeiten? Eine Unternehmensberatung für Arztpraxen kann sich auf folgende Aspekte konzentrieren: ■ Effizienzsteigerung ■ Finanzielle Optimierung ■ Strategische Planung Die Ziele der Praxisentwicklung lassen sich in drei Segmente unterteilen: • Unverzichtbar – Hier müssen wir gut aufgestellt sein. • Wünschenswert – Hier sollten wir besser werden. • Zusätzlicher Mehrwert – Hier können wir uns weiterentwickeln («nice to have»). Create a sense of urgency Zielbild Unternehmensberater:innen nutzen in der Strategieentwicklung oft das Konzept des «idealen Zielbildes». Konkrete Fragestellung bei Kinderarztpraxen: Wie würde unsere Traumpraxis aussehen? Lachende Patient:innen, kein überfülltes Wartezimmer, ein stets funktionstüchtiges Otoskop, kein pausenlos klingelndes Telefon, motivierte MPAs, immer Milch für den Kaffee, ein souverän abgewickelter Notfall, pünktlicher Feierabend, keine endlosen /V-Briefe, schnelle Dokumentation, genug finanzielle Mittel für den nächsten Wachstumsschritt und den Urlaub. Das Beratungsteam erstellt aus unseren Träumereien ein Zielbild-Dokument, welches in der Veränderungsarbeit als wegweisender Kompass dienen wird. Problemlösung: SCS-Methode Um Veränderungen strukturiert anzugehen, wird eine bewährte Analyse-Vorgehensweise genutzt: Situation – Complication – Solution (SCS). In drei Schritten werden die aktuelle Situation erfasst und Problemfelder sowie Lösungsansätze identifiziert. 1. Schritt: Die aktuelle Situation, also Ausgangslage, wird nüchtern und faktisch beschrieben. 2️ . Schritt: Die daraus entstehenden Komplikationen, Auswirkungen und damit Probleme und Problemfelder werden erfasst. Oft werden die Probleme gleich bewertet in Bezug auf Wichtigkeit und Dringlichkeit. 3️ . Schritt: Lösungen werden identifiziert, um diese Probleme zu lösen. Zu Beginn können hier viele Lösungsansätze stehen. Diese werden in der Folgearbeit bewertet, priorisiert und entweder als Lösungskandidaten ausgewählt oder verworfen. Das Prinzip kennen wir aus der Medizin: Anamnese – Befund – Diagnose – Therapie oder auf Englisch S-O-A-P (Subjective – Objective – Assessment – Plan). Anamnese & Befund Der erste Schritt der Beratung ist eine Aufnahme des vorliegenden Status quo. In der Strategiearbeit wird dazu oft ein sogenanntes Maturity Assessment eingesetzt, das den Reifegrad der Kinderarztpraxis in im Voraus festgelegten Themenfeldern bewertet. Durch Interviews und Praxisdaten wird ermittelt, wie unsere Praxis funktioniert. Zur Beurteilung gibt es verschiedene Reifegrade oder Entwicklungsstufen, die von 1 = kaum vorhanden / sehr mangelhaft bis 5 = vorbildlich/ industrieführend reichen. Die Analyse beinhaltet Fragestellungen zu: ■ Wie laufen unsere Abläufe aktuell? ■ Wer hat welche Aufgaben? ■ Wer sind unsere relevanten Partner (MPAs, Ärzt:innen, Labore, Versicherungen)? ■ Welche Prozesse funktionieren bereits reibungslos?
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