04 / 2024 ERFAHRUNGSBERICHT KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 51 Im ersten Referat ging es darum, dass wir sowohl banale als auch invasive bakterielle Infekte häufig zu lange mit Antibiotika behandeln und dass die Umstellung von iv auf per os in den meisten Fällen schon früh erfolgen kann. Als Referenz für die Dauer der Antibiotika- Gabe wurde der klinische Zustand («Stop when you feel better»), bei invasiven Infekten auch der Laborverlauf empfohlen. Die kurze und hochdosierte Gabe vermindert Resistenzen und Nebenwirkungen bei gleicher Wirkung. Als Ausnahmen dieser Regel sind Endokarditis, intravasale Infektionen, grosse Abszesse, infiziertes Fremdmaterial und Infekte durch Actinomyces oder Mykobakterien zu nennen. Das Mikrobiom wird uns die reduzierte und vor allem zielgerichtete Antibiotikagabe danken und falls diese dennoch vonnöten ist, wäre die Gabe eines geeigneten Probiotikums hilfreich. Da das Mikrobiom auch Auswirkungen auf unser Denken und die psychische Gesundheit hat, macht es sicher Sinn, es gut zu schützen und durch ausgewogene faserreiche Ernährung zu unterstützen. Im Referat zu Hautinfektionen lernten wir bei schmerzlosen chronischen Ulzera (bes. Tropenrückkehrende) an Hautdiphtherie zu denken und mit Amoxicillin/Makrolid zu behandeln. Da die Impfung nur vor der Toxinwirkung schützt, kann man auch als Geimpfte/r Hautdiphtherie bekommen. Zu unserem «Lieblingsthema» Scabies: stets alle Kontaktpersonen behandeln mit Permethrin 5% topisch und Ivermectin systemisch (off label ab 5 kg 0,2 mg/kg als DR. MED. ANNETTE EYBEN FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, FACHÄRZTIN FÜR ALLGEMEINE INNERE MEDIZIN FMH, CHINDERPRAXIS MINIMED, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: a.eyben@hin.ch Gleich vorneweg: Dieser Kurs war hervorragend organisiert von Frau Dr. Antje Hugi Maier, und die Referierenden PD Dr. med. Christian Kahlert, Dr. med. Anita Niederer-Lohner und Dr. med. Christa Relly bescherten uns mit interessanten, kompetenten und spannenden Vorträgen eine kurzweilige Fortbildung im Casinotheater Winterthur. Update Infektiologie in der pädiatrischen Praxis vom 20. September 2024 Magistralrezeptur – dann wird es auch übernommen) und nicht vergessen die Behandlung nach 7–10 Tagen zu wiederholen! Wir hörten auch Spannendes über die Änderungen im Impfplan: Die Impfung gegen Meningokokken Gruppe B als vorherrschende Gruppe in Europa (40%) lässt uns – falls lieferbar – jubeln: je jünger die Kleinkinder, umso wichtiger die Impfung! Die Inzidenz ist 10× höher im 1. Lebensjahr. Für bessere Verträglichkeit gerne Paracetamol dazu geben. Ein weiteres Plus: Die Impfung verhindert auch 1/3 der Gonokokkeninfektionen. Die Rotaviren-Impfung bewahrt vor Spitalaufenthalten (ca. 1000/Jahr), aber es gab seit 1995 keinen Todesfall mehr durch Rota in der CH. Die RSV-Impfung kommt wahrscheinlich Ende Oktober 2024 auf den Markt, ob genügend Dosen zur Verfügung stehen, ist noch nicht klar. Aber als Pädiater:innen aus Leidenschaft werden wir damit (wie immer) spielend fertig. Es handelt sich um die Gabe langlebiger Antikörper (5 Monate Schutz) an die ab April 2024 geborenen Säuglinge, die bislang noch keine RSV-Infektion hatten und an die < 2-Jährigen mit Risikofaktoren (z. Bsp. Herzfehler, BPD, Immunschwäche). Ein weiteres hervorragendes Referat handelte vom infektanfälligen Kind. Das Fazit war, dass man bei Abweichung vom Normalfall aufmerksam werden sollte. Bei ständig rezidivierenden Infekten, opportunistischen Erregern, atypischer Lokalisation, ungewöhnlicher Intensität, chronischem/rezidivierendem Verlauf oder ungewöhnlicher Anzahl von Infekten sollte an einen angeborenen Immundefekt gedacht werden. Anleitungen zur Abklärung finden sich unter www.kssg.guidelines.ch. Wir hörten auch Interessantes zu osteoartikulären Infektionen, wobei ein besonderes Augenmerk auf dem wahrscheinlich unterdiagnostizierten Keim Kingsella kingae liegen sollte. Cave bei wenig symptomatischen Kleinkindern mit passender Klinik und wenig/kein Fieber, gutem AZ, blandem Labor und erhöhter Blutsenkung. Da vor allem im letzten Jahr der Eindruck entstand, dass es vermehrt zu invasiven Streptokokkenerkrankungen kam, wurde dem in einem weiteren Referat nachgegangen: Es gibt keinen Anhalt für zunehmende AntibiotikaResistenz, es gibt keine invasiveren Stämme, aber eine verstärkte Viruszirkulation, die zu einer Barrierestörung und erhöhten Anfälligkeit führt. ■ Take-Home-Messages ■ Antibiotika – lieber kurz und nicht zu knapp dosiert ■ Angeborener Immundefekt – bei Abweichung von der Norm dran denken, wird unterdiagnostiziert ■ Osteoartikuläre Infektionen – Kingella kingae (Kleinkind, wenig Fieber, wenig Schmerz, blandes Labor bis auf Blutsenkung) im Hinterkopf behalten Take-Home-Messages RSV-Impfung ■ Gabe eines Antikörpers (eigentlich KEINE Impfung) – darum nur Lokalreaktionen zu erwarten ■ Wirkdauer ca. 150d nach Einmaldosis, verhindert 60–90% der Infektionen ■ Wenn es nicht genug Impfstoff hat (soll vorkommen) – priorisieren ■ Dosierung: <5kg 50mg , >5kg 100mg (es gibt Fertigspritzen in diesen beiden Dosierungen) Fotos: Antje Hugi Maier
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