KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2024

04 / 2024 JAHRESTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 29 Workshop Ärzt:innen 5: Impfen Kinderimpfungen 2024 – der grosse Schritt vorwärts! Für viele von uns beinhalteten die Impfplanänderungen 2024 die grössten Anpassungen seit Beginn ihrer Praxistätigkeit. Herr Desgrandchamps begann den Workshop mit der neusten Information: Das Zusatzentgelt zum DRG für die RSV-Passivimmunisierung der Neugeborenen im Wochenbett wurde genehmigt! Damit steht nichts im Weg für die Umsetzung einer weiteren Impfplanänderung für den Herbst 2024, der RSV-Immunisierung für Neugeborene und Säuglinge im 1. Winter. Im Workshop diskutieren wir zuerst über die am Vortag im Infovac Bulletin publizierten Informationen zu Beyfortus®. Sandra Burri erklärte uns, dass der Start der RSV-Impfung im Oktober/November für einen grossen Teil der Säuglinge geboren von April bis September 2024 mit der 2-, 4- oder 6-Monatskontrolle zusammenfällt. Es sollte deshalb wenige zusätzliche Termine für die Umsetzung der Impfempfehlung brauchen. Die Firma Sanofi teilte uns mit, dass sie bereit sind für die Auslieferung der Impfungen im Oktober. Die aus den USA und Frankreich kommenden Impfungen müssen für die Schweiz noch alle umgepackt werden, weshalb es wahrscheinlich erst Mitte Oktober so weit ist. REFERENT: DR. MED. DANIEL DESGRANDCHAMPS Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin und Infektionskrankheiten, Oberarzt mbF Spezialimpfsprechstunde, Zuger Kantonsspital, Baar MODERATION: DR. MED. SANDRA BURRI Vorstandsmitglied Kinderärzte Schweiz, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinder- und Jugendpraxis am Bollwerk, Bern AUTORIN: DR. MED. KATJA RÖLLIN GALLIKER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis am Bahnhof, Luzern Korrespondenzadresse: katja.roellin@hin.ch Im Anschluss sprach Herr Desgrandchamps über die Rotavirus (RV1)-Impfung. Es stellte sich heraus, dass sowohl der Referent wie auch die Teilnehmenden die Impfung zwar empfehlen, aber eher zurückhaltend impfen. Die Rotavirus-Impfung sei ein Beispiel für unsere Luxusmedizin in der Schweiz. Es geht bei dieser Impfung um eine Reduktion der Hospitalisationen und nicht um eine Senkung von Mortalität oder Langzeitfolgen. Ganz anders verhält es mit der Meningokokken B-Impfung für Säuglinge: Schon seit einigen Jahren hat der Referent auf die Einführung dieser Impfung in der Schweiz gewartet. Er erklärte uns den Unterschied zur Meningokokken ACWY-Impfung und wieso eine Impfung im ersten Lebensjahr so wichtig ist. Für Jugendliche empfiehlt der Referent, möglichst mit 11 Jahren zu impfen. Diese haben ein erhöhtes Risiko, da in dieser Altersgruppe ca. 25% Träger:innen von Meningokokken im Nasopharynx sind. Die Varizellenimpfung wird bei nicht geimpften Kindern und negativer Anamnese möglichst bald mit zwei Dosen als Nachholimpfung empfohlen. Von einer Serologie wird abgeraten, da diese auch nach stattgehabter Infektion negativ ausfallen kann. Herr Desgrandschamps mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung zeigte uns einen pragmatischen Umgang mit den Impfungen auf, gab den Teilnehmenden klare Antworten auf ihre Fragen und lobte die Pädiater:innen für ihr tolles Wissen auf dem Gebiet der Impfungen. Vielen Dank für den lehrreichen Workshop. ■ Impfungen sind freiwillig und beruhen auf einer persönlichen Entscheidung. Wir sind gesetzlich dazu angehalten, zur Umsetzung des CH-Impfplans beizutragen und über den Impfplan zu informieren. Kinderärzt:innen sind überaus wichtige Vertrauenspersonen. 70% der Eltern lassen ihre Kinder nach dem CH-Impfplan impfen. Maximal 3% sind Impfgegner und häufig beratungsresistent. Ca. 30% zählen als Impfskeptiker. Sie haben Fragen und Einwände bezüglich den Impfempfehlungen. Trotzdem erreichen wir bei den meisten Impfungen hohe Impfraten von >95%. Die meisten impfskeptischen Eltern lassen ihre Kinder impfen, wenn auch z.T. anders und später. Wir dürfen entspannt mit diesem Thema umgehen. Über 50% der Ärzte fühlen sich bezüglich der Beratung von impfskeptischen Eltern unwohl und wünschen sich eine zusätzliche Ausbildung (nationales Forschungsprogramm zur Impfskepsis). Don’ts: Schwarz-Weiss-Denken. Angst machen. Nur positive Aspekte der Impfungen erwähnen, mögliche ImpfREFERENT: PROF. DR. MED. PHILIP TARR Facharzt für Infektionskrankheiten (Infektiologie) FMH, Co-Chefarzt Universitäres Zentrum für Innere Medizin, Leiter Infektiologie und Spitalhygiene, Kantonsspital Baselland, Basel-Bruderholz MODERATION/AUTOR: DR. MED. BERNHARD WINGEIER Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Fähigkeitsausweis Anthroposophische Medizin, Klinik Arlesheim Korrespondenzadresse: Bernhard.Wingeier@ klinik-arlesheim.ch Workshop Ärzt:innen 6: Impfen Impfskeptische Eltern: Wie beraten? nebenwirkungen negieren. Zeitdruck, Druck allgemein. Eltern abweisen oder unterschreiben lassen. Bei HPVImpfung Jugendliche nicht einbeziehen und nur über die Impfung sprechen. Dos: Zugewandt und ergebnisoffen sein, primäres Ziel ist nicht nur die Umsetzung des Impfplans, sondern die freie Entscheidungsentwicklung der Eltern. Elternzentrierte Sprache. Vertrauensbasis schaffen. Zeit nehmen. Ängste, Sorgen bezüglich Krankheiten oder Impfungen wahr- und ernst nehmen. Individualisierte Botschaften suchen. Transparent über Vor- und Nachteile informieren. Konkret sein. Individuelle Entscheidungen zulassen. Impfungen immer wieder offen ansprechen, stimmt der Entscheid noch? Impfberatung ist Vertrauens- und Beziehungsarbeit. ■

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