KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2024

03 / 2024 ERFAHRUNGSBERICHT KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 39 Am 16. Mai 2024 fand der Kurs «Hämatologie/ Onkologie – ein Update» im schönen Saal des Alterszentrums Hottingen unter der engagierten Leitung von Dr. Jan Cahlik statt. Das Team des Kinderspitals Zürich (Prof. Markus Schmugge, Prof. Manuela Albisetti, Dr. Alessandra Bosch und Dr. Michael Amrein) brachte uns mit grosser Begeisterung auf den neuesten Stand des Wissens. Neben den Grundlagen wurden auch viele Fälle besprochen sowie konkrete Tipps für den Alltag gegeben. Aus all dem Gebotenen hier meine (subjektiven) Schwerpunkte: ■ «Red Flags» beim Blutbild: Bizytopenie, wiederholte Panzytopenie (DD angeronnene oder verdünnte Probe), schwere oder progrediente Neutropenie, atypische Zellpopulation (abnormale Kurve, Blasten), wiederholte Thrombopenie (DD angeronnene Probe), Leukozytose (häufig, braucht immer eine klinische Erklärung, meist Infekt …) ■ Eisenmangelanämie: • Stadium 1 (normales Hb und MCV, Ferritin < 15 µg/l): primär Ernährungsberatung (insbesondere Einschränkung der Milch (max. 2,5 dl/Tag), Tee- und Eisteezufuhr! Es gibt keine Daten zur Verbesserung der Kognition etc. mit Eisenpräparaten. Ausnahme evtl. Jugendliche mit chronischer Müdigkeit. • Eisenpräparate: Cave Obstipation und Zahnverfärbungen. Eisenresorption wird gefördert durch Säure; gehemmt durch Calcium (Milch), Tannine (Kaffee, Schwarztee, Kräutertee, Kakao) und Phosphat (Sodagetränke). • Eisen 3+ (3–5 mg/kg/d) bessere Verträglichkeit, mit Mahlzeiten einnehmen. • Eisen 2+ (2–3 mg/kg/d): ab 6 Jahre, bessere Resorption, mit Saft, nüchtern. • Therapiedauer 3–6 Monate. Bei mangelndem Ansprechen Präparat wechseln und an Differentialdiagnosen denken (Compliance, Ernährungsproblem, Malabsorption wie Zöliakie, Eisenverlust durch rezidivierende oder okkulte Blutungen, erhöhter Eisenbedarf, chron. Hämolyse …). ■ Thrombozytose (Tc > 450 G/l): primär extrem selten! Sekundär: infektabhängig oder Eisenmangel, kein erhöhtes Thromboserisiko im Kindesalter. Nach Splenektomie oder Kawasaki-Syndrom: Aspirin® 3–5 mg/kg für 4–6 Wochen. ■ Blutungsneigung: Für Kinder mit von Willebrandfaktormangel (und anderen Blutungsneigungen) wurde der PBQ (pediatric bleeding questionnaire) entwickelt: • https://elearning.wfh.org/resource/ pediatric-bleeding-questionnaire-pbq/ DR. MED. FRANZISKA STAEHELIN BÜRGEL FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, 5600 LENZBURG Korrespondenzadresse: franziska.staehelin@hin.ch Hämatologie/Onkologie – ein Update • Kinder mit nur Petechien (PBQ 1, ohne Infekt/ tiefe Tc) oder nur Epistaxis (PBQ 0–1) und keinerlei sonstigen Blutungsneigungen müssen nicht hämatologisch abgeklärt werden. • Bei positiver FA (z. B. v Willebrandfaktormangel) und ohne Blutungszeichen Abklärung nur vor geplanter Operation. ■ Thrombophilie-Abklärung und Thromboserisiko: • Keine routinemässige Thrombophilie-Abklärung empfohlen! • Antithrombin, Protein-C- und Protein-S-Mangelzustände sollten nur abgeklärt werden, wenn die Ergebnisse Einfluss auf die Behandlung haben. • Keine Untersuchungen auf Faktor V Leiden und Prothrombin-Mutation zur Vorhersage einer ersten Episode einer Thrombose. • Keine routinemässige Thrombophilie-Abklärung von Verwandten ersten Grades von Personen mit einer Thrombose in der Vergangenheit. • Thrombophilie-Abklärung bei Kindern nach erster Thrombose sind in der Regel nicht nötig mit Ausnahmen (eventuell bei Thrombusrezidiven, unprovozierten Thrombosen, Thrombosen an unüblichen Stellen, FA mit Thrombosen bei AT-, PC, PSMangel ➞ relative Indikationen!). • Keine Zuweisungen zur Abklärung: – Gesunde Neugeborene, Säuglinge, Klein- und Schulkinder aus Familien mit Faktor V Leiden-, Protein-C-, Protein-S-Mangel oder ProthrombinMutation (insbesondere, wenn keine Thrombose bei Familienangehörigen). – Kinder von nicht abgeklärten Verwandten ersten Grades mit einer Thrombose in der Vergangenheit. ■ Prophylaktische Antikoagulation: Enoxoparin (Clexane®) 1× täglich vor der Pubertät nur in Ausnahmefällen, wenn Risikofaktoren für Thrombose vorhanden sind, diese wären: Alter ≥ 14 Jahre, Thrombose in der PA oder FA, bekannte Thrombophilie, Adipositas (BMI >30), kombinierte orale Kontrazeptiva, Zentralvenenkatheter, lange Immobilisation (> 48 Stunden)/ Ruhigstellung mit Gips, Kinder mit Tumoren, schweres Trauma, schwere Dehydratation, schwere systemische oder lokale Infektionen, metabolischer/syndromaler Zustand, Intensivstation. ■ DOAKs (direkte orale Antikoagulanzien): Direkte Wirkung auf Faktor Xa (zum Beispiel Rivoroxaban = Xarelto®), bei Kindern nur zugelassen nach Fontan- Operation. Neuere sind in Erprobung (Dabigatran oder Apixaban). Fazit: DOAKs dürfen durch Hämatologen («off label», ausser bei Xarelto®) auch bei Kindern angewendet werden (Vorsicht bei Kindern < 2 Jahren). ■ Foto: Jan Cahlik

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx