KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2024

FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL 03 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 32 Bilal wurde Anfang diesen Jahres 18 Jahre alt. Er hat in den letzten zwei Jahren im Kinderspital St. Gallen gelebt und ist von dort aus zur Schule gegangen. Er erzählt selbst, wie es dazu kam. Trotz vieler krankheitsbedingter Komplikationen und Interventionen hat er sich mit viel Optimismus und guter Unterstützung ein vielseitiges Leben erarbeitet. Ich habe ihn zu einem Zoominterview getroffen und mich mit ihm über seine Transition und einige Aspekte seines Lebens unterhalten. Anwesend war auch Frau Petra Züger-Allenspach, die Advanced Care Managerin in der Transitionssprechstunde am Kinderspital St. Gallen. Sie und das gesamte PACT (Pädiatrisches Advanced Care Team) betreuen unter anderem Patient:innen in Transitionssituationen und bleiben auch über diesen Prozess hinaus (bis ca. 28 Jahre) deren Ansprechpartner. ■ Hallo Bilal, vielen Dank, dass du uns ein wenig aus deinem Leben erzählen willst. Was sind deine Hobbys? Ich spiele Unihockey, seit ich acht Jahre alt bin, spiele Gitarre, habe gerne soziale Kontakte. Und zeige in der Schule Kinästhetik, stelle mich da auch im Spital für Übungen zur Verfügung. ■ Warum hast du denn bisher hier im Spital gelebt? Da muss ich etwas ausholen. Ich hatte ein MitrofanoffStoma, da hat es dann einen Darmverschluss gegeben, dann hat man mir ein Stoma angelegt. ■ Wann war das? Das war im Juni 2022. Und ich habe jetzt zur parenteralen Ernährung (PN) einen Broviac-Katheter und einen PEG-Button. ■ Kannst du auch essen? Ich kann auch normal essen, aber die Kalorien kann ich nicht aufnehmen, weil alles übers Stoma wieder rauskommt, daher habe ich die PN zusätzlich. Die Infusion läuft über die ganze Nacht. ■ Dann brauchst du ja auch ein Team, das den Broviac bedienen kann. Ja, deshalb war ich jetzt auch vier Tage in der Mathilde Escher Stiftung in Zürich, zum Schnuppern, um zu schauen, ob das ein Ort für mich wäre, wo ich dann wohnen kann. ■ Gibt es dort auch andere junge Leute? Ja, es gibt dort auch Erwachsene, vor allem mit Muskeldystrophien. ■ Ist noch nicht klar, ob du da wohnen kannst? Ja, das wissen wir erst in ein paar Wochen. ■ Was meinst du, würdest du da gerne hin? Ich nehme es so, wie es kommt, sagen wir mal so… (Frau Petra Züger-Allenspach: Unser gesamtes BetreuINTERVIEWER: DR. MED. MARTIN SCHMIDT FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, ÄRZTE AM WERK, RHEINFELDEN Korrespondenzadresse: martin.schmidt@hin.ch Interview mit Bilal: «Jetzt weiss ich, dass man immer was findet.» ungsteam hofft stark, dass das klappt. Bilal ist unser gemeinsamer Schützling, das ganze Haus kennt ihn. Wir haben etwa 20 Institutionen angefragt. Uns ist es allen ein grosses Anliegen, dass wir einen guten Platz finden für ihn.) ■ Stimmt es, dass du auch eine MMC hast? Ja, die habe ich von Geburt an, die MMC, oder auch Spina bifida, oder wenn wir schon bei den Fachwörtern sind: Meningomyelozele. ■ Das können manche Medizinstudenten nicht aussprechen. Ja, ich habe sehr früh angefangen, mich mit meiner Behinderung auseinanderzusetzen. Daher weiss ich die meisten medizinischen Ausdrücke. Und ich habe eine Schwester, die in der Medizin arbeitet. Sie ist in der Anästhesiepflege. ■ Bist du im Rollstuhl unterwegs? Ja, ich habe einen normalen und einen mit Swiss-Track. Das ist wie ein Töff, den man vorne an den Rollstuhl dranhängen kann. ■ Wie lange wohnst du jetzt schon im Spital? Seit dem Juni 2022. ■ Vorher hast du daheim gewohnt? Ja, aber seit der OP ging das nicht mehr. Ich habe bei meiner Mutter gewohnt, und die hat halt keine Pflegeausbildung. Das war zu komplex. ■ Der Übergang jetzt, zum woanders wohnen und möglichst ein Erwachsenenleben zu führen. Magst du dich erinnern, wann man begonnen hat, darüber zu reden? Eigentlich sehr früh, schon nach der vierten oder fünften OP. Ich hatte ja mehrere Operationen, auch Komplikationen. Ich habe ja auch einen Shunt im Kopf. Es ist halt nicht nur der Bauch, der Probleme gegeben hat, es ist ja auch der Shunt gewesen. Vor einem Monat hatte ich noch eine Shuntrevision. ■ Also hat man schon etwa 2022 darüber geredet, wie es wird, wenn du erwachsen wirst? Ja, vor allem wie man dann die PN starten kann, wie man das dann planen kann. ■ Dachtest du damals, das sei dann ein wichtiges Thema, oder dachtest du eher, da schwatzen jetzt die anderen drüber, aber mir ist das egal? Ja, ich habe es eigentlich immer so angenommen, wie es gekommen ist. Ich sags mal so: Egal, ob man ein Stoma hat oder eine PN, man hat immer was, aber man ist ja trotzdem der gleiche Mensch. Ich habe jetzt auch in der Escher Stiftung gelernt, was ich eigentlich nicht erwartet habe: Man kann eigentlich vieles machen mit einer Behinderung, aber man muss einfach wissen, wie man es dann machen will. Jeder hat doch seine eigenen Sachen, man ist doch immer speziell als Mensch, egal ob man im Rollstuhl oder Fussgänger ist. Foto: privat

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