KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2024

02 / 2024 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 35 sen. Fälle von Patienten mit symptomatischer chronischer ITP sind zum Glück im Kindes- und Jugendalter selten, kommen aber vor und stellen für den Patienten, seine Angehörigen und das Behandlungsteam eine grosse Herausforderung dar. Die Entscheidung zur Eskalation von ITP-spezifischen Therapien sollte stets frühzeitig gestellt werden; fast immer werden die Therapierenden von der Präsentation der initialen Symptome in ihrer Urteilsfindung geleitet. Diese Visite hat deshalb eine zentrale Bedeutung: Entweder man entscheidet sich für die «Watch & Wait»-Strategie und nimmt das Verschwinden der Blutungen als Ziel (und nicht die Verbesserung des Thrombozytenwerts) oder man entscheidet sich bewusst für einen Thrombozytenwert von zum Beispiel mindestens 20–30×109/ L oder mehr, nimmt dann aber auch die Eskalation der Therapie in Kauf, wenn das gewählte Ziel nicht erreicht werden kann. Hier können spitalinterne Leitlinien basierend auf internationalen Leitlinien hilfreich sein. In Tabelle 3 ist eine unvollständige Liste der ITP-spezifischen Therapien dargestellt. Auf die Details der Behandlung wird hier aus Platzgründen bewusst verzichtet. Die Therapie-refraktäre ITP (r-ITP) Die r-ITP kennt noch keine akzeptierte Definition für Kinder. Im Artikel von Rodeghiero (Rodeghiero F et al. Blood 2009) wurde sie für jene Patienten definiert, die nach Splenektomie auf Therapien ungenügend reagierten. Diese Definition wurde jedoch für pädiatrische Patienten nicht akzeptiert. Es wird zurzeit nach neuen Definitionen gesucht, die von der Splenektomie unabhängig sind. Die Therapie dieser Patienten richtet sich nach der Blutungssymptomatik, Müdigkeit und Lebensqualität. Die r-ITP stellt für das Behandlungsteam eine grosse Herausforderung dar, weshalb hier eine enge Zusammenarbeit zwischen Hausarzt und spezialisierter Medizin erforderlich ist. Die r-ITP tritt in allen Phasen der ITP auf, weshalb man von r-ITP der neu-diagnostizierten, persistierenden und chronischen ITP spricht. Es ist anzunehmen, dass mehrere Pathomechanismen und Autoimmun-Expansion für diese Form der ITP verantwortlich sind. Zusammenfassung und Ausblick Die ITP ist eine Autoimmunkrankheit, deren Diagnose nicht mit Labortests bewiesen werden kann. Die Diagnose «primäre ITP» ist eine Ausschlussdiagnose und bleibt deshalb stets unsicher. Neuere diagnostische Methoden, wie zum Beispiel die genetischen Diagnostika, stehen zur Verfügung (angeborene Thrombozytopenien und Immundefekte). Ein diagnostischer Algorithmus könnte hier helfen und wird zurzeit von verschiedenen Arbeitsgruppen entwickelt. Die Therapie richtet sich im Kindesalter nach der Klinik und weniger nach dem Thrombozytenwert. Im Kindesalter wird oft eine Tabelle 3: Medikamentöse Therapien der ITP beim Kind und Jugendlichen (unvollständige Liste) Die Zulassungstexte beziehen sich auf die Schweiz, sie variieren in verschiedenen Ländern und unterliegen Veränderungen. Die in der zweiten Linie eingeteilte Splenektomie wird seltener durchgeführt, ist aber nicht obsolet. Linie Medikament Erstlinientherapie (initiale Therapie) ■ Watch & Wait ■ Orale Kortikosteroide mit verschiedenen Regimes, hier zwei Beispiele: – Prednison 4 mg/kg/Tag für 4 Tage, dann stoppen ohne Ausschleichen – Prednison 0,5–2 mg/kg/Tag für 2 Wochen und 1 Woche ausschleichen ■ Intravenöse Immunglobuline 0,8–1,0 g/kg/Tag für 1–2 Tage Prämedikation mit Paracetamol (Nebenwirkungen durch Immun- globuline) Zweitlinientherapien Thrombopoietinrezeptor-Agonisten (TPO-RAs) ■ Eltrombopag: zugelassen für Kinder ab 6 Jahren mit einer mindestens 6 Monate dauernden ITP mit Blutungsneigung ■ Romiplostim: zugelassen für Kinder ab 1 Jahr mit chronischer ITP, die gegenüber Erstlinientherapien refraktär ist ■ Avatrombopag: noch keine Zulassung für Kinder und Jugendliche (Phase 3-Studie erfolgreich abgeschlossen) Rituximab: für die ITP nicht zugelassen Fostamatinib: in der Schweiz und für Kinder und Jugendliche nicht zugelassen Drittlinientherapien Immunsuppressiva (Azathioprin [Zulassung für ITP], Ciclosporin, Sirolimus, Mycophenolat Mofetil), Hydroxychloroquin, Zytostatika, Antiinfektiva u.v.a., für Kinder nicht zugelassen spontane Heilung gesehen. Es konnte gezeigt werden, dass der Verlauf der ITP im Kindesalter unabhängig vom Einsatz von Erstlinien-Therapien oder nur Beobachtung (Watch & Wait) ist. Es gibt zwar viele Leitlinien, aber oft fehlt die Evidenz und bei gewissen praktischen Fragen bestehen Lücken, wie zum Beispiel bei der Frage, ob dieselbe Therapiestrategie im Verlauf eines Kindes mit persistierender oder chronischer ITP angewendet werden darf, wie bei der neu-diagnostizierten ITP. Da die ITP selten ist und akademische Studien deshalb teuer sind, ist eine Koordination für solche Studien dringend notwendig, um grosse internationale Projekte durchführen zu können. ■

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx