KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2024

02 / 2024 FORTBILDUNG: THEMENHEFTTEIL KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 27 Eisenmangel (ID) und Eisenmangelanämie (IDA) sind weit verbreitet und beschäftigen Ärzt:innen weltweit; es wird angenommen, das mehr als 2 Milliarden Menschen unter einem Eisenmangel (Fe-Mangel) leiden, und in der Schweiz wird von einer Prävalenz von ca. 5% bei Kleinkindern und 8–20% bei Mädchen und Frauen nach der Menarche ausgegangen1,2. ID und IDA sind gut in der pädiatrischen Praxis behandelbar. Bei einem ID ohne Anämie bei Kindern genügt meist eine einfache Ernährungsberatung. Für die Behandlung einer IDA mit oraler Fe-Substitution sind verschiedene Präparate in der Schweiz zugelassen, und die grosse Mehrheit der Patienten mit einem klassischen alimentären Fe-Mangel kann so erfolgreich behandelt werden. Anamnese, Symptome Neben einer genauen Ernährungsanamnese (v.a. Beurteilung des Milchkonsums resp. Anteils einer ausgewogenen Ernährung mit Gemüse, Ei, Fleisch) gilt es im Säuglings-/Kleinkindesalter typische Risikokonstellationen bei der initialen Präsentation festzustellen: Frühgeburtlichkeit (FG), unvollständige Fe-Prophylaxe nach FG, Small for Date, Gestationsdiabetes, Zwillingsschwangerschaft, prolongiertes Stillen, ungenügende Einführung fester Nahrung, Hypermenorrhoe, bestimmte Diäten und Wachstumsstörungen bei Adoleszenten. Bei Präsentation ist die typische Blässe leitend, andere Symptome sind aber sehr individuell und abhängig vom Alter, von der Schwere und der Dauer des ID/IDAs. Meist wird Appetitlosigkeit beschrieben. Nur bei einem kleinen Teil der Kleinkinder, aber bei einer Mehrheit der Adoleszenten tritt eine typische Müdigkeit auf. Auch hier ist die Differenzialdiagnose breit, insbesondere länger dauernde Infekte (i.e. eine durchgemachte Mononukleose), eine Autoimmunkrankheit (Thyreoiditis, Darmerkrankung, auch eine ITP), aber auch ein Vit-B12-Mangel führen zu chronischer Müdigkeit. Eine schwere und lang- andauernde IDA kann zu Haut- und Schleimhautveränderungen wie Cheilitis, Glossitis und Haarausfall führen, und selten sehen wir auch Kinder mit einem Pica-Syndrom, einem auffälligen Essverhalten (Erde, Papier…). Ein lang dauernder und insbesondere ein bereits pränatal bestehender Eisenmangel kann Auswirkungen auf die psychomotorische Entwicklung haben. Auch neurologische Symptome wie ein Restless-Leg-Syndrom und ein ADHDähnliches Bild werden mit einem Fe-Mangel-Anämie in Zusammenhang gebracht3,4. Unklar ist die Situation bei der isolierten ID, also ohne abnormale hämatologische Resultate; es gibt Patient:innen mit und ohne Müdigkeit, Kopfschmerzen, Appetitlosigkeit und die DifferenzialdiaPROF. DR. MED. MARKUS SCHMUGGE LINER FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, SCHWERPUNKT PÄDIATRISCHE ONKOLOGIEHÄMATOLOGIE, LABORLEITER FAMH HÄMATOLOGIE, LEITENDER ARZT, UNIVERSITÄTSKINDERSPITAL ZÜRICH Korrespondenzadresse: markus.schmugge@ kispi.uzh.ch Eisentherapie: Ein «How I treat» mit Anwendungshinweisen, Tipps und Kleingedrucktem gnoseliste beim Erwachsenen ist breit, und Behandlungserfolge können oft nicht von einer Placebo-Wirkung abgegrenzt werden. Labordiagnostik Zur Labor-Grunddiagnostik gehören immer Hb, Ec, MCV, MCH und RDW. Die Diagnostik kann einfach mittels kapillärer Blutentnahme im Praxislabor durchgeführt werden. Meist kann auch der Ferritinwert aus einer kapillären Blutentnahme bestimmt werden. Unterschiede zur venösen Bestimmung bei BB und Ferritin sind meist <10%. Eine Ferritinbestimmung alleine ist für den Entscheid zur Fe-Substitutionstherapie aber von beschränktem Nutzen. Ferritin ist ein Akutphase-Protein und bei Kindern muss zuerst beurteilt werden, ob es durch einen kürzlich durchgemachten Infekt erhöht ist. Auch nach Abklingen eines Infekts sinkt das Ferritin langsamer ab als das CRP und kann evtl. mehrere Wochen «falsch» erhöht sein. Als wichtige Grundegel gilt, dass Laborwerte immer gemäss altersentsprechenden Normwerten interpretiert werden müssen. Neugeborene bis zum Alter von rund 4 Monaten haben z. B. deutlich höhere Ferritin-Normalwerte. Bei Kleinkindern liegt die untere Ferritin-Normgrenze zwischen 10 und 15 ug/l (siehe Tabelle 1). Ein erhöhter RDW als Ausdruck der typischen Anisoztyose bei IDA kann diagnostisch hilfreich sein und ist in jedem Praxisblutbild erhältlich. Weitere Parameter wie Transferrin, Transferrinrezeptor, Transferrinsättigung, aber auch eine Bestimmung des tagsüber stark schwankenden Serumeisens sind bei Kindern nicht hilfreich: Die Parameter sind relativ teuer, auch beeinflusst durch Infekt und meist nur mittels venöser Blutentnahme bestimmbar. Wenige Praxisgeräte ermöglichen eine Bestimmung der Retikulozyten, die wichtig bei der Differenzialdiagnose der Anämie sein können und mittels des neuen Parameters «Retikulozyten-Hämoglobin» eine verlässliche Angabe des in den jungen Erythrozyten zur Verfügung stehenden Eisens liefern5. Behandlung Verbesserung der Ernährung: Beim einfachen Eisenmangel (ID) mit erniedrigtem Ferritin liegt keine Anämie vor, und wenn alle hämatologischen Parameter (inkl. MCV, MCH) normal sind, sollte dieser Zustand zunächst durch eine Verbesserung der Ernährung behandelt werden. Bei einer ID mit zusätzlich vorliegender Mikrozytose handelt es sich um eine Grenzsituation, bei der auch primär eine Ernährungsberatung erfolgen kann, wobei das Ansprechen bald kontrolliert werden soll. Häufig sind hier eine unausgewogene Diät und vor allem ein übermässiger Kuhmilchkonsum (die Kuhmilchmakroproteine ab- Valentina, 9 Jahre

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