KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2024

02 / 2024 JAHRESTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 25 eigentlich müssten wir von Menschenschutz sprechen. Das Schlimmste sind Mogelpackungen, Greenwashing und inkonsequentes Handeln. Unser ärztlicher Direktor hat ein Buch «Green Hospital» herausgegeben und stellt trotzdem allen Chefärzt:innen einen überdimensionierten Verbrenner-Dienstwagen hin. Das passt nicht zusammen und lässt dann alles andere unglaubwürdig erscheinen. Massnahmen sind nur dann glaubwürdig, wenn es ein kongruentes Gesamtkonzept gibt. ■ Was möchten Sie in Ihrem persönlichen Alltag noch verändern, um ressourcensparender unterwegs zu sein? Ich habe damit angefangen, auf einen privaten PKW zu verzichten und bin viel mehr mit Muskelantrieb unterwegs. Ich denke, ich muss vor allem an meinem Konsumverhalten arbeiten und möchte mehr auf die Herkunft, Herstellung und Notwendigkeit von Produkten achten. ■ Angenommen, Sie könnten den Eltern von jungen Kindern Tipps geben, welchen Beitrag sie für sich und ihre Kinder für den Klima- und Gesundheitsschutz leisten können, was würden Sie ihnen raten? Wir brauchen nicht wenige Menschen, die alles richtig machen, sondern viele, die vieles richtig machen. Soll heissen, keiner muss dogmatisch handeln. Familien können schrittweise ihre Lebensumstände evaluieren und anfangen, Bereiche wie Ernährung, Mobilität, Reisen oder Konsumverhalten zu überprüfen und zu ändern. Häufig gibt es viele kleine Dinge, die man rasch ändern kann und die schnell spüren lassen, wie selbstwirksam und kompetent man werden kann. Und vor allem darüber mit anderen reden, Beispiele vorleben und verbreiten. Wer es kann, sollte schauen, welchen Einfluss sie kommunal oder in der Gemeinde haben. Mit einer erfolgreichen Initiative zu sicheren Radwegen ist mehr getan, als wenn ich nur für mich allein radle. ■ Wo sehen Sie die Chancen, für einen Verband wie Kinderärzte Schweiz beim Thema Klimaschutz/ Gesundheitsschutz mitzuwirken? Wo die Risiken? Es gibt viele Bereiche, in denen Verbände wirksam sein können z. B. nachhaltige Kongressgestaltung, Konzepte zur nachhaltigen Praxis/Klinik, Erstellung für Hitzeschutzpläne für Kitas oder Integration von Lehrinhalten in die ärztliche Ausbildung. Wichtig ist, es muss nicht alles neu erfunden werden; häufig gibt es Konzepte, die adaptiert werden können. Ausserdem sollte sich ein Verband nicht verzetteln und alles auf einmal wollen. Lieber ein bis zwei Projekte anfangen, umsetzen und Erfolge feiern, bevor es zum nächsten Schritt geht. Wichtig es, auch hier kongruent zu sein – der Verband muss das leben, was er ändern möchte. ■ Wo sehen Sie die wichtigste Aufgabe für einen kinderärztlichen Berufsverband beim Thema Klimaschutz? Die wichtigste Aufgabe liegt erst einmal darin, Bewusstsein zu schaffen und Problemfelder zu identifizieren. Darüber können dann die verschiedenen Akteure ins Handeln kommen. Wichtig ist es, «laut zu werden» und als Expert:innen für Kindergesundheit auch die Öffentlichkeit darüber zu informieren, wie wir die Gesundheit unserer Kinder gefährden, wenn wir so weitermachen. ■ Als praktizierende Kinderärzt:innen sind wir mit zunehmenden Vorschriften und Auflagen aus der Politik und der Verwaltung konfrontiert, welche zeitintensiv sind und uns unsere Hauptaufgabe (der Betreuung von Kindern, Jugendlichen und deren Familien) erschweren. Wie erreicht man es als Berufsverband, möglichst viele Mitglieder fürs Thema Klima und Gesundheit ins Boot zu holen, ohne eine negative Stimmung («nicht auch das noch», «da können wir eh nichts machen») zu schaffen? Der Klimawandel ist die grösste Bedrohung für unsere Gesundheit, und Kinder sind die vulnerabelste Gruppe. Das allein sollte uns zum Handeln bewegen. Davon abgesehen ist es ein vielfältiges Thema, in dem man viel über Gesundheit lernen kann. Positive Stimmung entsteht dann, wenn ich merke, dass bereits mit kleinen Veränderungen etwas erreicht werden kann und meine Massnahmen effektiv sind. Es macht Spass, darüber nachzudenken, weil es teilweise so einfach und naheliegend ist. ■ Wie begegnen Sie fatalistischen Kritiker:innen bei Aussagen wie: «Dieser Zug ist schon längst abgefahren», «jetzt ist es eh schon zu spät, um Massnahmen gegen den Klimawandel [usw.] zu ergreifen…»? Gar nicht mehr – ich habe mich, vor allem in Sozialen Medien – daran abgekämpft. Wir haben keine Zeit mehr, um uns mit Realitätsverweigerern zu beschäftigen. Diese Menschen wird es immer geben und helfen nicht weiter. Es gilt, die Energie auf die Aufgaben zu konzentrieren, welche Veränderung bringen. ■ Wie würde Ihr Wunschplanet Erde aussehen? Solidarisch, gerecht und nachhaltig. ■ PD Dr. med. Dirk Holzinger

RkJQdWJsaXNoZXIy MjYwNzMx