KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2024

02 / 2024 FRÜHLINGSTAGUNG KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 19 Ärzt:innen und MPA Referat 2: Wichtige nephrologische Erkrankungen Wenn die Nieren zu viel oder zu wenig ausscheiden – wichtige Nierenerkrankungen in der Praxis Prof. Dr. med. Giacomo Simonetti beginnt seinen gut strukturierten Vortrag mit einer Repetition der Anatomie der Niere, sowie der Funktionen von Glomerulus und Tubulus. Wir dürfen nie vergessen, dass die Nieren neben der Sekretion und Elimination von Toxinen viele verschiedene Aufgaben haben: das Gleichgewicht von Wasser und Elektrolyten, die Säure-Base-Homöostase, die Produktion von Hormonen (Erythropoetin, Renin und Prostaglandin) und die Aktivierung von Vitamin D. Das ist vor allem bei einem Nierenversagen zu beachten. Idiopathisches nephrotisches Syndrom Das idiopathische nephrotische Syndrom ist eine klinische Diagnose. Binnen weniger Tage bemerken die Eltern Schwellungen im Gesicht und an den Füssen. Typischerweise lassen sich bei diesen Ödemen prätibial durch langes Drücken Eindellungen nachweisen. Meist betrifft es Kinder zwischen 3 und 6 Jahren, mehr Knaben als Mädchen. Typisch sind eine Proteinurie, eine Hypoproteinämie, eine Hyperlipidämie und periphere Ödeme. Die Proteinurie wird manchmal anamnestisch eindrücklich geschildert, der Urin schäume wie Bier. Umgekehrt sind die Komplementfaktoren C3/4 normwertig, der Blutdruck ist unauffällig, Kreatinin ist normal und es zeigt sich keine Hämaturie. Die Behandlung erfolgt mit Kortikosteroiden. 90% der Kinder sprechen gut auf Steroide an innerhalb von 1 bis 3 Wochen. Als Dosierung wird bei der ersten Episode empfohlen: Prednisolon 60mg/m2 jeden Tag für 6 Wochen, 40 mg/m2 jeden 2. Tag für 4 Wochen. Eine Nierenbiopsie vor Kortisonversuch ist nicht notwendig. Die Publikumsfrage, ob ein Rückfall vorhersehbar sei, verneint der Nephrologe, es sei allerdings erwiesen, dass asiatische Kinder mehr Rückfälle zeigen. Auch im Erwachsenenalter gibt es Patienten. Generell gilt bei steroidsensiblen Fällen: ■ 1/3 keine Rückfälle ■ 1/3 einige Rückfälle ■ 1/3 häufige Rückfälle (mehr als 4×/Jahr) ■ Kann während der Pubertät besser werden Es gilt, dass die steroidsensiblen Formen eine gute Prognose haben. Nach der Remission sind die Eltern angehalten, ein «Milchbüchlein» zu führen und Gewicht und Albustix einzutragen. Purpura Schönlein-Henoch Für Pädiater:innen ist es eine Blickdiagnose mit den typischen Hautveränderungen an den Beinen oder Armen. REFERENT: PROF. DR. MED. GIACOMO D. SIMONETTI Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Schwerpunkt Kindernephrologie, Chefarzt für Pädiatrie, Direttore medico e scientifico Istituto Pediatrico della Svizzera Italiana, Bellinzona AUTORIN: DR. MED. IRMELA HEINRICHS Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Leiterin Redaktionskommission, Uster Korrespondenzadresse: iheinrichs@hin.ch Es handelt sich um eine leukozytoklastische Vaskulitis. Eine Hautbiopsie ist fast nie notwendig. Betroffen sind vor allem Klein- und Schulkinder, mehr Jungen als Mädchen mit einer Häufung im Frühling und Winter, was wohl auf den Zusammenhang mit viralem Infekt zurückzuführen ist. Es gibt auch seltene Fälle im Erwachsenenalter. Purpura Schönlein-Henoch Bild: Giacomo Simonetti Neben der typischen Purpura kann es zu einem Befall der Gelenke führen, mit Arthralgien und Arthritiden. Auch Bauchschmerzen können auftreten, gelegentlich zeigt sich auch Blut im Stuhl. Das Auftreten einer Mikrohämaturie ist Zeichen eines Befalls der Glomeruli. In seltenen Fällen sind das ZNS, die Leber oder die Harnwege mit Blutungen betroffen. Bauchschmerzen können vor Beginn der Hautsymptome auftreten. Rückfälle sind selten, aber beschrieben. Die Therapie erfolgt rein symptomatisch mit Paracetamol und Ibuprofen. Bei abdominellen Beschwerden wird 3–5 Tage 1–2mg/kg Prednisolon verabreicht. Hautbiopsien sind nicht notwendig. Wichtig ist zu wissen, dass eine Mikroohämaturie mehrere Monate persistieren kann. Empfohlen ist ein Follow-up mit Blutdruck und Urin für 6 Monate. In der Praxis soll eine Urinanalyse, Protein/Kreatinin ratio und Blutdruckmessung erfolgen, zunächst für 3 Wochen in wöchentlichem Abstand, im zweiten und dritten Monat einmal monatlich und eine Abschlusskontrolle nach 6 Monaten. Am besten ist übrigens ein Morgenurin, um durch eine «orthostatische Proteinurie» die Werte nicht zu verfälschen. Zum Abschluss noch ein bisschen angewandte Anatomie: Schlanke Kinder mit leichter Hyperlordose zeigen häufiger eine «orthostatische Porteinurie», da die linke Nierenvene anatomisch durch die Gabelung der Aorta und arteria mesenterica superior komprimiert wird, es kommt vor allem im Stehen zu einer venösen Stauung in der linken Niere, Nussknackerphänomen genannt. ■

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