FRÜHLINGSTAGUNG 02 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 18 Randen, Rhabarber, Brombeeren, Heidebeeren Rifampicin, Nitrofurantoin, Metronidazol Zentrifugieren, Sediement Muskelverletzungen Hämolyse Mikroskopie Hämaturie Hämoglobinurie Myoglobinurie Nahrungsmittel Roter Urin Medikamente Ziegelmehl Ärzt:innen und MPA Referat 1: Urindiagnostik Urindiagnostik – wann sinnvoll, warum und wie? Michelle Seiler versteht es, im ersten Vortrag die Grundlagen der Nephrologie einfach und klar zu erklären. Häufige Fragen in der Praxis wie: «Wie viel muss mein Kind trinken?» und «Wie viel Urin ist normal?» sind nicht banal. Richtwerte sind 150 ml Flüssigkeit pro kg Körpergewicht (80% durch Trinken und 20% durch Nahrung) und eine Diurese von 1ml/kg/h. Reine Zahlenangaben können jedoch Eltern sehr verunsichern, deshalb sind die Frage nach der Miktionshäufigkeit (3- bis 8-mal täglich) und der klinische Eindruck des Kindes entscheidend, ob ein Kind genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. Die häufigste Art, den Urin in der Praxis oder auf der Notfallstation des Spitals zu untersuchen, ist der Urinstix als semiquantitative Untersuchung. Ergänzend ist gegebenenfalls das Urinsediment zur Quantifizierung hilfreich. Für eine verlässliche Analyse ist die Art der Uringewinnung entscheidend. Ein Säckchenurin ist bis zu einer Wahrscheinlichkeit von 95% verunreinigt und auch ein Mittelstrahlurin bis zu 60%, wenn er nicht korrekt abgenommen wird. Und dies unabhängig davon, ob Buben oder Mädchen untersucht werden, wie eine eigene Untersuchung der Notfallstation des Kinderspitals Zürich zeigte. Ein «Clean catch» muss deshalb gut instruiert werden, z. B. darf der Becher nicht mit der Haut in Kontakt kommen. (Eigene Anmerkung der Autorin: Mädchen sollen die Hose und Unterhose ganz ausziehen und mit gespreizten Beinen umgekehrt auf die WC-Brille sitzen. So läuft der Urin weniger über die Haut und es bleibt genügend Platz, um den Becher in den Urinstrahl zu halten!). Der Säckchenurin dient deshalb nur zur Ausschlussuntersuchung eines Infektes oder zur Untersuchung von Hämaturie oder Proteinurie und sollte nie kultiviert werden, damit das Kind korrekt behandelt wird. Mit dem Teststreifen können Leukozyten als Hinweis auf eine Infektion (++ und mehr) bestimmt werden, Nitrit als Marker für eine Infektion mit E.coli, Proteus oder Klebsiellen (welche das Nitrat im Urin umwandeln), Eiweiss und Glucose (welche beide negativ ausfallen sollten), Keton als Hinweis für einen katabolen Mechanismus und Blut im Urin. Hier unterscheidet der Stix zwischen Erythrozyten (mehr roter oder rötlicher Urin bei Makrohämaturie durch Trauma, Nierensteine, Infektionen oder seltener Neoplasien der Nieren oder Blase) und Hämoglobin (mehr brauner Urin bei Hämolyse). Die Differenzialdiagnose des «roten Urins» ist vielfältig und durch weitere Anamnese einzuschränken. Auch die Bedeutung der Felder des Urobilinogens und Bilirubins, mit deren Interpretation auch ich meine Mühe hatte, ist nach dem Vortrag klar. (Siehe Illustration 1: Roter Urin) Zum Schluss stellt Michelle Seiler vier Kinder der Notfallstation vor mit Symptomen der nicht alltäglichen, aber doch häufigsten Krankheitsbilder, die wir in der Praxis nicht verpassen sollten. Die Hämolyse mit blassen Konjunktiven, gelben Skleren und braunem Urin (im Fallbeispiel eine autoimmunhämolytische Anämie), die Glomerulonephritis mit erhöhtem Blutdruck, Hämaturie und Proteinurie. Hier hilft eine einfache Formel, die obere Blutdruckgrenze für das Alter im Kopf zu behalten! (Siehe Illustration 2: Blutdruck).1 Bei einem Kind mit Lidödemen sollte an ein nephrotisches Syndrom gedacht werden, was mit einer massiven Proteinurie einhergeht und durch eine Urinuntersuchung erkannt bzw. einfach ausgeschlossen werden kann. Ebenso müssen wir bei einem Kind in reduziertem Allgemeinzustand mit Blässe, Petechien und Oligo- oder Anurie an ein hämolytisch-urämisches Syndrom denken, welches die häufigste Ursache für eine akute Niereninsuffizienz im Kindesalter ist. Die wohl wichtigste Take Home Message ist: Die Anamnese und klinische Untersuchung sind für die Interpretation der Urinuntersuchung entscheidend. Weiter sind die Art der Uringewinnung, die Urinfarbe und der Blutdruck wichtige Faktoren, um die richtige Diagnose stellen zu können. ■ 1 Gemäss Simonetti und Bianchetti gilt diese Regel bis 17 Jahre (https://smf.swisshealthweb.ch/fileadmin/assets/SMF/2010/ smf.2010.07157/smf-2010-07157.pdf), andere Arbeiten erwähnen, dass ab 16 Jahren die Erwachsenenwerte gelten (https:// www.paediatrieschweiz.ch/die-arterielle-hypertonie-bei-kindern/). REFERENTIN: PD DR. MED. MICHELLE SEILER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Schwerpunkt Kindernotfallmedizin, Leitende Ärztin Notfallstation, UniversitätsKinderspital Zürich AUTORIN: DR. MED. STEFANIE GISSLER WYSS Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Mitglied Redaktionskommission, Neuendorf Korrespondenzadresse: s.gissler@hin.ch Illustration 1: Roter Urin Illustration 2: Blutdruck Illustrationen: Michelle Seiler Roter Urin Blutdruck Messtechnik Patient in Ruhe (mindestens 5 Minuten) Grösstmögliche BD-Manschette auf Herzhöhe Meistens Oberarm rechts, liegend oder sitzend Mindestens 2× messen Hypertonie BD ≥ 95. Perzentile für Geschlecht, Alter und Grösse BD systolisch (1-17J): 100 + (Alter in Jahren × 2) BD diastolisch (1-10J): 60 + (Alter in Jahren × 2) (11-17J): 70 + (Alter in Jahren)
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