KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 1/2024

NACHHALTIGKEIT IN DER PÄDIATRIE 01 / 2024 KINDERÄRZTE. SCHWEIZ 34 Sie lesen und hören es wieder und wieder: Die Veränderung des Klimas schreitet unaufhaltsam voran, die Umwelt und damit unsere Lebensbedingungen verändern sich dramatisch. Das Ziel des Pariser Abkommens, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken, wird weltweit verfehlt1 und die CO 2-Emissionen in der Schweiz steigen, trotz dem Ziel des Bundesrates, bis 2050 Netto-Null Treibhausgase auszustossen, weiter an2. Beinahe täglich wird in Medien und Fachzeitschriften über Biodiversitätsverlust, Artensterben, Nahrungsmittelknappheit, Dürren, Überschwemmungen, Hitzesommer, Waldbrände und vieles mehr berichtet. Trotzdem scheint es, dass zwischen der Dringlichkeit des Problems und dem Drang zu handeln eine grosse Lücke klafft. Auch in Bereichen, in denen die Handlungsmöglichkeiten weniger offensichtlich als beispielsweise im Flugverkehr sind, kann die Umweltbelastung signifikant reduziert werden. So könnten laut dem Projekt «Green Hospitals» rund 50% der Schweizer Spitäler ihre Umweltbelastung um bis zu 50% reduzieren3. Auch Hausarztpraxen könnten laut einer Studie der Unisanté in Lausanne ihre Emissionen bis um das Zehnfache reduzieren4. Das Einsparpotenzial im Gesundheitssystem der Schweiz scheint enorm zu sein, obwohl es an flächendeckenden Daten zum Treibhausgasausstoss des Schweizer Gesundheitswesens fehlt. Ein internationaler Vergleich des CO2-Fussabdrucks des Gesundheitssektors 5 geht für die Schweiz im Jahr 2014 von einem Anteil von 5,9% am gesamten Treibhausgasausstoss aus. «Health Care without Harm» hat für 2014 diesen Wert auf 6,7% geschätzt6. In beiden Fällen ist der Anteil zu gross, als dass keine gezielten Massnahmen ergriffen werden sollten. Nur wenn zuverlässige Daten vorliegen, können Handlungsfelder erkannt und zielführende Massnahmen definiert werden. Wir können es uns eigentlich nicht leisten, länger im Blindflug unterwegs zu sein und das Gesundheitswesen nicht wie die Bereiche Verkehr, Gebäude und Industrie genauer unter die Lupe zu nehmen. ROBIN RIESER WISSENSCHAFTLICHER MITARBEITER ABTEILUNG PUBLIC HEALTH FMH, PROJEKTLEITER UMSETZUNG STRATEGIE PLANETARY HEALTH FMH Korrespondenzadresse: robin.rieser@fmh.ch Medizinische Tätigkeiten belasten die Umwelt, sie erzeugen Abfall, stossen Treibhausgase aus und verbrauchen Energie. Auch wenn die Arztpraxen nur einen kleinen Teil der Emissionen des Gesundheitssystems der Schweiz ausmachen, können sie einen wertvollen Beitrag zum Netto-Null-Ziel des Bundes und zum Schutz unserer Gesundheit beitragen. Toolkit Planetary Health – Bauen Sie sich Ihre nachhaltige Praxis Umweltfreundliche Medizin Umweltschutz ist Gesundheitsschutz Beinahe alle Klimaschutzmassnahmen gehen mit erheblichen Gesundheitsvorteilen einher. Diese Co-Benefits tragen zur Reduktion nicht-übertragbarer Krankheiten (non-communicable diseases, NCDs) und zur Reduktion der Umweltbelastung bei. Beispielsweise reduziert die Förderung aktiver Mobilität CO2-Emissionen und trägt zu einer besseren Luftqualität bei. Weiter werden damit die Risiken für Herz-Kreislauf- und chronische Atemwegserkrankungen reduziert, was sich langfristig positiv auf die Gesundheitskosten auswirken könnte. Aktive Mobilität, beispielsweise mit dem Fahrrad, erhöht die körperliche Aktivität, was wiederum das Risiko für Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, des Bewegungsapparates, des Stoffwechsels und gewisser Arten von Krebs reduziert. Bei den aktuellen Entwicklungen der Energiepreise lohnt sich der Umstieg aufs Fahrrad bei kurzen Strecken auch finanziell. Eigentlich für Gesundheitsfachpersonen ein «no-brainer» – CoBenefits wirken mehrfach und sind kosteneffizient! Auch in anderen Bereichen können Co-Benefits gefunden werden7. In Arztpraxen zum Beispiel lassen sich durch angepasstes Heizen, strikte Abfalltrennung, das Überprüfen und Anpassen gewisser Medikationen oder die Einführung telefonischer Konsultationen potenziell Ressourcen, Zeit, CO2-Emissionen und Geld einsparen. Ein Schritt in die richtige Richtung Mit der Annahme des Bundesgesetzes über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KlG) am 18. Juni 2023 bewegt sich die Schweiz auch auf politischer Ebene in die Richtung einer nachhaltigen Zukunft. Jetzt braucht es auf allen Ebenen Initiativen, sowohl in Politik, Wirtschaft, Bildung als auch Gesundheit. Auch die FMH hat im Oktober 2021 mit der Annahme der Strategie Planetary Health einen Schritt in Richtung nachhaltige Praxis gemacht. Die Strategie Planetary Health sieht vor, dass die Ärzteschaft in den Bereichen Reduktion der Treibhausgasemissionen und Ressourcenverbrauch, Anpassung an die beobachteten und zu erwartenden Folgen der Veränderungen des Klimas, der Information der Ärzt:innen als auch der Patientinnen und Patienten und der Wahrnehmung einer Vorbildrolle im Schutz von Umwelt und Gesundheit aktiv wird. Damit diese Auch in Bereichen, die weniger offensichtlich als beispielsweise der Flugverkehr sind, kann die Umwelt belastung signifikant reduziert werden.

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