KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2022

04 / 2022 JAHRESTAGUNG K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 27 Sechs von zehn im Neugeborenenscreening erfassten Krankheiten sind Stoffwechselerkrankungen. In der Schweiz und Liechtenstein wurden 2021 91676 Testkarten analysiert. Bei 123 Neugeborenen lag eine dieser zehn Krankheiten vor (1:700). Meist schickt die Hebamme die Testkarte ein. Wenn Eltern mit einem kranken Neugeborenen in die Praxis kommen, solle man aber nicht davon ausgehen, dass das Screening bereits erfolgt sei. Man müsse immer an die Möglichkeit einer Stoffwechselerkrankung denken, denn es könne um Stunden gehen, um Schaden von dem Kind abzuwenden, betonte Marianne Rohrbach. Akute Stoffwechselentgleisungen manifestieren sich häufig neonatal, können aber in jedem Alter auftreten. Neurologische Symptome sind häufig, ebenso ein intermittierender Charakter der Beschwerden und ein auffälliger Geruch. Typisch für die neonatale Phase sind ein zumeist symptomfreies Intervall von 1 bis 2 Tagen, unspezifische Symptome wie Trinkschwäche, Erbrechen und Tachypnoe sowie eine Progredienz über Stunden REFERENTIN: PROF. DR. MED. ET PHIL . NAT. MARIANNE ROHRBACH Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH und Fachärztin für medizinische Genetik FMH, Leitende Ärztin Abteilung Stoffwechsel, Universitäts-Kinderspital Zürich MODERATION: DR. MED. RALF VON DER HEIDEN Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Praxispädiater in Winterthur AUTORIN: DR. RENATE BONIFER Redaktorin «Pädiatrie», Neuhausen am Rheinfall Korrespondenzadresse: renate.bonifer@rosenfluh.ch Workshop Ärztinnen und Ärzte 3: Metabolismus Stoffwechselkrankheiten – die Perspektive des Praxispädiaters Workshop Ärztinnen und Ärzte 4: Entwicklungspädiatrie Empowerment bei Enuresis In diesemWorkshop ging es unter anderem darum, Altbekanntes zu hinterfragen und Neues aufzunehmen – oder auch nicht… Benjamin Dinkel und Hannah Gräber stellten eine neue Form der Sauberkeitserziehung anhand eines Videos vor. Es ging darum, Säuglinge und Kleinkinder schon sehr früh (ca. ab 6 Wochen) daran zu gewöhnen, nicht mehr in die Windeln, sondern in eine Toilette oder in ein Häfeli zu machen. Die Erziehungsberechtigten halten dabei die Kinder regelmässig ohne Windeln über das Häfeli, oft zu festen Zeiten oder wenn sie den Eindruck haben, ihr Kind müsse urinieren oder stuhlen. Ob und inwiefern es sich beim Erfolg dieser Methode um echte Sauberkeit oder lediglich um ein sehr genaues Beobachten und schnelles Reagieren der Eltern handelt, ist wohl von Fall zu Fall verschieden. Im gezeigten Video hat der 18-Monatige ganz bewusst sein Geschäft in die Toilette gemacht. Einwände der Kursteilnehmenden waren, dass dies für vielbeschäftigte, berufstätige Eltern schwierig durchzuführen sei, dass das nicht mit allen Kindern so funktioniere, sondern lediglich mit denen, die sowieso früh (eineinhalb bis zweijährig) trocken werden (ca. 20%, wie Remo Largo in der uns allen so bekannten Longitudinalstudie aufzeigte) und auch, ob es sich wirklich um «trockene» Kinder handle… siehe oben. Wie immer in der Medizin schlägt das Pendel in verschiedene Richtungen und wieder zurück! REFERIERENDE: MED. PRACT. BENJAMIN DINKEL Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Praxispädiater in der Praxis «Kind im Zentrum», Zürich DR. MED. HANNAH GRÄBER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Oberärztin UniversitätsKinderspital Zürich, Fellow Entwicklungspädiatrie, Praxispädiaterin in der Praxis «Kind im Zentrum», Zürich KD DR. MED. SEPP HOLTZ Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin FMH mit Schwerpunkt Entwicklungspädiatrie, Praxispädiater in der Praxis «Kind im Zentrum», Zürich, ehemaliger Bettnässer AUTORIN: DR. MED. BETTINA ZUPPINGER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Praxisgemeinschaft für Familienmedizin, Zürich Korrespondenzadresse: bettina.zuppinger@bluewin.ch Sepp Holtz zeigte Videos über Gespräche, die er mit betroffenen Kindern im Alter zwischen 6 und 8 Jahren und mit ihren Eltern führte. Sein Ansatz war dabei, immer an die Eigenverantwortung, die Stärke und die Kompetenz des Kindes zu appellieren, um mit dem Kind zusammen Wege zu finden, wie das Problem gelöst werden könnte. Er arbeitete mit Protokollen (Sonnen/Wolken) und lobte die Kinder in Grund und Boden und wieder zurück, wenn es Erfolge gab. Die positive Bestärkung sei dabei unglaublich wichtig, damit die Kinder beim Erreichten bleiben und weiter Fortschritte machen! Ebenso wies er darauf hin, dass gewisse Kinder einfach noch nicht reif genug seien, um die Enuresis anzugehen. Denn ohne die Zusammenarbeit mit dem Kind gehe gar nichts, da können Eltern und Kinderärzte noch so wollen. (Aus verlässlicher Quelle haben wir später erfahren, dass Sepp Holtz im Alter von 3 Jahren noch nicht trocken war, es aber selbstverständlich gewesen wäre, hätte er es denn selbst gewollt! What else. ) Falls das Kind sich trotz aller Verführungskünste, die wir Kinderärztinnen ja immer wieder anwenden, verweigert, soll nicht mit der Therapie begonnen werden. Hier gilt es, Geduld zu haben und zu warten, bis sich die Eltern wieder melden, um dann erneut zu versuchen, ob das Kind motivierbar ist. Tja, sauber werden sie ja (fast!) alle, die Frage ist und bleibt lediglich wann…? ■ oder Tage, Somnolenz, Koma und Krampfanfälle. Eine intermittierende Symptomatik kann vom Säuglings- bis zum Erwachsenenalter auftreten. Bei jeglichem Verdacht auf eine seltene Erkrankung sollte man jederzeit eines der neun Schweizer Zentren für seltene Krankheiten kontaktieren. Für allgemeine Fragen sind die Helplines der Zentren zuständig, für ärztliche Fragen die Referenzzentren (Kontaktadressen: www.kosekschweiz.ch). Falls bei einem Kind im Lauf des Lebens Symptome auftreten, die für eine Stoffwechselerkrankung sprechen, können weitere, primär nicht ausgewiesene Befunde aus dem Neugeborenenscreening am Zürcher Labor angefordert werden. ■

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