KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 4/2022

JAHRESTAGUNG 04 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ 26 Workshop Ärztinnen und Ärzte 2: Chronische Erkrankungen Seltene Krankheiten in der pädiatrischen Praxis In diesem Workshop brachten uns Frau Prof. Dr. med. Anita Rauch und ihre Assistenzärztin Tanja Frey näher, was eine genetische Diagnose für Vorteile bringt, was in der genetischen Sprechstunde gemacht wird, wann in gewissen Fällen eine Abklärung sinnvoll ist, und auch über den Zeitpunkt einer Abklärung haben wir diskutiert. Was bringt eine genetische Diagnose? ■ Informationen zu weiteren möglichen Symptomen und Problemen ■ Gezielte Kontroll- und Vorsorgeuntersuchungen ■ Verzicht auf unnötige weitere Abklärungen ■ Informationen zum Verlauf/Prognose ■ Syndromspezifische Behandlungsleitlinien ■ Vermitteln von Patientenvereinigungen, Therapiestudien ■ Schuldgefühle nehmen, Krankheitsverarbeitung ■ Beratung für weitere Familienplanung, Pränatal-/ Präimplantationsdiagnostik ■ Gezielte medikamentöse Therapien oder Medikamentenempfehlungen Wann ist eine genetische Abklärung sinnvoll? ■ Bei Entwicklungsrückstand: insbesondere plus Hypotonie, Regression der Entwicklung, akute neurologische Symptome, Gedeihstörungen. Der Weg kann über die Neuropädiatrie, die Entwicklungspädiatrie oder aber direkte Zuweisung in die genetische Sprechstunde gehen. ■ Bei Wachstumsstörung: Grössen unter der 3. Perzentile oder über der 97. Perzentile oder Perzentilen- kreuzungen können je auffälliger, desto wahrscheinlicher mit einem genetischen Defekt zusammenhängen. Hier ist ein gutes Augenmass gefragt. Auch hier führt der Weg über die Spezialisten oder direkt zur genetischen Sprechstunde. ■ Bei verschiedensten Anomalien REFERENTIN: PROF. DR. MED. ANITA RAUCH Direktorin am Institut für Medizinische Genetik, Universität Zürich und Präsidentin des Fördervereins für Kinder mit seltenen Krankheiten KMSK MODERATION: DR. MED. HEIDI ZINGGELER FUHRER Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Praxispädiaterin in Chur AUTORIN: DR. MED. DORIS AUF DER MAUR Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin FMH, Kinderarztpraxis Uri, Altdorf Korrespondenzadresse: aufdermaur.doris@bluewin.ch Wann ist der richtige Zeitpunkt für eine genetische Abklärung? Für gewisse seltene genetische Erkrankungen ist es sinnvoll, sie früh zu erkennen, wie zum Beispiel Stoffwechselstörungen, Trisomie 21, spinale Muskelatrophie usw., um entweder eine Behandlung frühzeitig einzuleiten oder um Organschäden rechtzeitig zu erkennen und zu therapieren. Auch wenn bei Eltern ein weiterer Kinderwunsch besteht, kann es wichtig sein, ein betroffenes Kind zeitnah abzuklären, um das Wiederholungsrisiko zu bestimmen und allfällige vorgeburtliche Testungen zu ermöglichen. Bei anderen genetischen Veränderungen, bei denen eine Diagnose keine therapeutischen Konsequenzen mit sich bringt, darf ruhig zugewartet werden, bis die Eltern für eine definitive Diagnose bereit sind. Ob die Diagnose therapeutische Konsequenzen hat, lässt sich jedoch vor der diagnostischen Abklärung oft noch nicht sagen. Die Entscheidung, wann und wie man den richtigen Zeitpunkt für die diagnostischen Abklärungen mit den Eltern zusammen bestimmt, wurde im Workshop intensiv diskutiert. Das Spannungsfeld aus dem Recht auf Nichtwissen der Eltern und dem Recht auf adäquate Behandlung des Kindes wurde von den anwesenden Pädiaterinnen eindrücklich dargestellt und im Dialog besprochen. Es bleibt eine schwierige Frage, bei der ebenfalls ein gutes Augenmass und viel Einfühlungsvermögen gefragt sind. ■

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