KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 3/2022

43 03 / 2022 ERFAHRUNGSBER I CHT K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Täglich nutzen wir sie, nahezu täglich untersuchen wir sie: die Augen. Somit war diese KIS Fortbildung für MPAs und Ärztinnen von grossem Interesse und folglich ausgebucht. Die Referierenden Jana Meier (Orthoptistin) und Stefan Langenegger (Augenarzt) führten uns durch das Fachgebiet dieses wichtigen Sinnesorgans: Theorie, Untersuchungen, Verletzungen, Erkrankungen, Fehlsichtigkeit – alle Themenbereiche interessant sowie verständlich präsentiert und von Helena Gerritsma Schirlo gut moderiert. So hat wohl niemand bereut, diesen sonnigen Samstag für einen Kurs «geopfert» zu haben. Hier ein paar Schlagworte und «red flags» dieses spannenden Tages: Theorie: ■ Die Testung ist von Geburt an wichtig, denn die sensitive Phase im visuellen Kortex dauert nur bis zum ca. 12. Lebensjahr – mit höchster Sensitivität bis 3 (– 4) Jahre, bis 7 Jahre geht man dann von einer mittleren Sensitivität aus, gefolgt noch von einer tiefen Sensitivität bis 12 Jahre. ■ Unerkannte/unbehandelte Probleme führen zur Amblyopie («stumpfes Sehen»), die dann nicht mehr korrigierbar ist – dies betrifft etwa 3% aller Kinder. Frühzeitig erkannt, kann man an die 90% dieser Fälle erfolgreich behandeln. ■ Hier stellt sich die Frage eines allgemeinen Sehscreenings mit ca. 3 Jahren bei einem Augenarzt (wie in anderen Ländern üblich) – doch dies ist ein (berufs-) politischer Punkt, der im Rahmen dieses Kurses naturgemäss nicht geklärt werden konnte – medizinisch sinnvoll/wünschenswert? ■ Die Entwicklung des Auges kann durch Folgendes behindert werden: • Schielen: Exo-, Eso-, Hypo- oder Hypertropie ➞ Ausnahmen: bis ca. 6 Monate physiologisch, Pseudostrabismus (auf Spiegelbilder im Auge und Epikanthus achten) ist ebenso unproblematisch • Verlegte Sehachse – Ptosis, Hämangiom, … • Trübung der ansonsten klaren Medien – Hornhaut, Linse oder Glaskörper. Testung: Hier gibt es von Geburt an verschiedene Möglichkeiten. Beginnend direkt nach der Geburt mit Durchleuchtung des Auges (cave Katarakt!), später Lang Test – sehr gute, aber auch anspruchsvolle Untersuchung – und dann natürlich die «gängigen» Sehtests: «Landolt» («C»), «E-Haken» oder «LEA» (Hyvärninen) Tests. Es sollen KEINE Bildertafeln genommen werden. Aufpassen muss man auf streng einseitige Untersuchung: Abdecken mit der Hand ist vollkommen unzulässig, von der Orthoptistin bevorzugte Methode ist das Abkleben (wegen Abziehen des Klebers nicht immer angenehm), eine Alternative mögen Piratenklappen sein, bei denen man aber gut auf «Schummeln» aufpassen muss (daher in der augenärztlichen Praxis nicht erste Wahl). Ergänzend gibt es den Covertest, den Bruckner Test und vieles mehr. Im Kurs konnte man viele dieser Untersuchungen üben. Eine ergänzende Methode ist das «plusoptix» Gerät (oder vergleichbare Modelle), das viele Informationen über das Auge geben kann. Allerdings kann man die Untersuchung mit diesem mehrere Tausend Franken teuren Gerät (ca. 6500 bis 8250 CHF je nach Ausführung) nicht mit Tarmed abrechnen… erneut eine (berufs-)politische Frage. Tränengangstenose: betrifft 20% aller Neugeborenen, manchmal lästig (ständiges Tränen, Folgereizungen/-entzündungen des Auges und der periokulären Haut), aber in der Regel harmlos. > 90% gehen bis zum ersten Geburtstag von selbst auf, ansonsten ist Sondierung möglich. Konjunktivitis: ein breites Feld mit vielen Facetten. Prinzipiell ist eine banale (insbesondere auch die bakterielle) Konjunktivitis harmlos und selbstlimitierend. Auf keinen Fall ist sie ein Grund für KiTa-, KiGa- oder Schulausschluss! Gute (Hand-) Hygiene ist in der Regel ausreichend. Folgende drei Formen sind hingegen problematisch und behandlungsbedürftig (Augenärztin): ■ Blepharokeratokonjunktivitis (BKC) – chronische Infektion der Meibomdrüsen mit Photophobie, brennenden Augen sowie roten Augen und Lidrändern und rezidivierendem Hordeolum oder Chalazion. Dies kann zu Hornhautnarben, Astigmatismus und Amblyopie führen. ■ Keratokonjunktivitis vernalis (VKC): ausgeprägter Juckreiz unter dem Oberlid (Anheben des Oberlids lindernd) und unscharfer Irisrand. Hier ist die Untersuchung unter dem Oberlid wichtig, wo man Papillen sehen kann. ■ Atopische Keratokonjunktivitis (AKC): periokuläre Hautveränderungen – Therapie: Protopic® oder Elidel®. An dieser Stelle sei besonders betont: Steroide um oder im Auge (Tobradex®!) beinhalten ein hohes Risiko für Glaukom und Katarakt – insbesondere, wenn sie mehr als 2×/Tag und länger als 1 Woche angewendet werden ➞ gehören eigentlich nur in die Hände von Augenärzten! Traumata: mit steigender Gewalteinwirkung Contusio bulbi (cave Augendruck, Netzhautablösung, Katarakt), Berstung und Perforation – hier empfiehlt sich bei Unsicherheit eine augenärztliche Konsultation. Immer auch an einen Fremdkörper denken und eine Verletzung der Lidkante immer zur (augen-)chirurgischen Versorgung zuweisen. Dies ist nur ein kleiner Auszug aus diesem Kurs – bei Wiederholung lohnt sich also eine eigene Anmeldung! Zum Abschluss ein letzter Merksatz: Kinder haben keine trockenen Augen. ■ DR. MED. JAN CAHLIK FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN, AFFOLTERN AM ALBIS Korrespondenzadresse: jan.cahlik@hin.ch Kinderaugen im Team vom 11. Juni 2022 Fotos: Helena Gerritsma Schirlo

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