22 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 03 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Im Interview mit Frau PD Dr. med. Giuseppina Spartà haben wir versucht, praxisrelevante Fakten zu Urinkontrollen bei Mikrohämaturie und Purpura SchönleinHenoch zusammenzutragen und hoffen, euch so eine mögliche Vorgehensweise für den Praxisalltag an die Hand geben zu können. Mikrohämaturie KIS: Nicht selten wird bei einem banalen viralen Infekt eine isolierte Mikrohämaturie «zufällig» festgestellt. Wie würdest du weiter vorgehen? Reicht eine Urinkontrolle bei der nächsten Infektfreien Gelegenheit, wenn das Kind wieder mal in der Praxis ist? Giuseppina Spartà: Häufig basiert die Diagnose «Mikrohämaturie» in der Praxis alleine auf dem Urinstreifen-Testbefund. Für die Hämaturie gibt es aber immer wieder falsch positive Urinstreifentest-Befunde (unter anderem bei konzentriertem Urin, oxidierenden Agenzien, alkalischem Urin, …). Wird eine Hämaturie im Urinstreifentest nachgewiesen, sollte diese immer mit einem (frischen! [max. ca. 90 Min.]) Urinsediment verifiziert werden. Erst im Falle einer Erythrozyturie im Urinsediment sprechen wir von einer Mikrohämaturie. Bei fehlender Proteinurie und normotonem Blutdruck empfehle ich eine Nachkontrolle nach einer Woche. Sollte die Hämaturie unverändert vorliegen (ohne Proteinurie, ohne arterielle Hypertonie), ist eine Nachkontrolle nach 4 Wochen zu empfehlen. Bei Persistenz empfehlen wir weiterführende Abklärungen beim Spezialisten. KIS: Wie würdest du die weiteren Kontrollen bei persistierender isolierter Mikrohämaturie vereinbaren? Giuseppina Spartà: Jede erstmals nachgewiesene persistierende isolierte Mikrohämaturie sollte abgeklärt werden, um eine zugrunde liegende Ursache zu verifizieren. Die weiteren Kontrollintervalle sind folglich von der Ursache zu definieren. KIS: Reicht ein in der Praxis durchgeführter UrinStix? Oder braucht es zwingend ein Urinsediment? Giuseppina Spartà: Eine im Urinstreifentest nachgewiesene Hämaturie muss immer im Urinsediment verifiziert werden. Dieser Urin kann zu jeder Tageszeit gewonnen werden, aber möglichst nicht unmittelbar nach einer sportlichen Tätigkeit. Das Urinsediment sollte relativ rasch verarbeitet werden, da je nach Urin-pH bei zu langem Stehenlassen des Urins die Erythrozyten im Urin zerstört werden – und diese somit nicht mehr nachgewiesen werden (u.U. falsch negativer Befund). KIS: Würdest du die Eltern um eine Urinkontrolle bitten und wenn dort ebenfalls eine isolierte Mikrohämaturie feststellbar ist, würde das etwas am Procedere ändern? Werden die Nachkontrollen bei einem erhärteten Verdacht auf eine «benigne familiäre Hämaturie» hinfällig? Giuseppina Spartà: Eine isolierte Mikrohämaturie kann auch familiär auftreten. Diese gehören meist zum Formenkreis der «Kollagen Typ IV Glomerulopathien». Darunter gibt es auch Patienten mit «milderen Verläufen». Für weitere diagnostische Abklärungen ist es in diesem Fall von Vorteil, wenn der Urinbefund bei den Eltern bekannt ist. Es gibt aber bei den Kollagen Typ IV Glomerulopathien eine grosse interfamiliäre phänotypische Variabilität, u. a. mit Proteinurie und Einschränkung der Nierenfunktion im Verlauf. Ich empfehle deshalb in solchen Fällen eine Beratung durch den Spezialisten. Bei komplikationslosem Verlauf können anschliessend 1–2-mal jährlich Urinuntersuchungen mit Bestimmung der Albuminurie und Messung des Blutdruckes auch beim Kinderarzt bzw. bei Auftreten von Auffälligkeiten dann eine erneute Zuweisung an den Spezialisten erfolgen. KIS: Bei welchen Kriterien würdest du weitere Massnahmen empfehlen? Giuseppina Spartà: Bei einer Makrohämaturie ist eine zeitnahe Sonografie zwingend. Bei einer erstmalig durchgeführten Sonografie ist eine Sonografie des gesamten Abdomens mit Fokus Nieren und ableitende Harnwege (idealerweise mit Restharnbestimmung, wenn möglich) wünschenswert. Bei gleichzeitig auftretender Proteinurie oder erhöhtem Serumkreatinin empfiehlt sich ebenfalls die Überweisung zur weiteren Abklärung an eine Kindernephrologie, sowohl bei einer Mikro- als auch bei einer Makrohämaturie. DR. MED. MATTHIAS FURTER FACHARZT FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, MITGLIED REDAKTIONSKOMMISSION, WINTERTHUR Korrespondenzadresse: matthias.furter@hin.ch Interview mit Frau PD Dr. med. Giuseppina Spartà, Abteilungsleiterin Nephrologie, Universitäts-Kinderspital Zürich, Korrespondenzadresse: SekNephro@kispi.uzh.ch. Urinkontrollen in der Praxis zu ausgewählten Krankheitsbildern
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