21 03 / 2022 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Therapie Die Therapie richtet sich nach dem Beschwerdebild und der Gesamtsituation des Kindes und seiner Familie. Zusätzlich ist hier wichtig, der Familie den Druck zu nehmen und mit ihr zusammen den richtigen Therapieansatz zu finden. Eine Zusammenfassung der häufigsten Blasenfunktionsstörungen findet sich in Tabelle 2. FAZIT: Blasenfunktionsstörungen sind komplexe Beschwerdebilder. Mischformen sind häufig und die genaue Diagnose ergibt sich erst aus dem Resultat sämtlicher Basisabklärungen. Die Verwendung einer einheitlichen Nomenklatur erleichtert die Kommunikation unter den Behandelnden und hilft der adäquaten Therapiefindung. ■ LITERATUR AWMF Leitlinie Enuresis und nichtorganische (funktionelle) Harninkontinenz bei Kindern und Jugendlichen, Mai 2021 The Standardization of Terminology of Lower Urinary Tract Function in Children and Adolescents: Update Report from the Standardization Committee of The International Children’s Continence Society; J Urol. 2014 Jun; 191(6):1863–1865 Austin P, Bauer SB, Bower W, Chase J, Franco I, Hoebeke P, Rittig S, VandeWalle J, von Gontard A, Wright A, Yang S, Neveus T. The Standardization of Terminology of Lower Urinary Tract Function in Children and Adolescents: Update Report from the Standardization Committee of the International Children’s Continence Society (ICCS). Neurourol Urodyn 2016; 35:471–481 Wilhelm-Bals A., Birraux J, Girardin E: Miktionsstörungen im Kindesalter. Schweizerische Arbeitsgruppe für Pädiatrische Nephrologie, SAPN, Paediatrica 2010;21(5):31–36 Tabelle 1: Definition Miktionssymptome Tabelle 2: Zusammenfassung Blasenfunktionsstörungen Begriff Definition LUTS (lower urinary tract symptoms) Überbegriff für sämtliche Symptome und Funktionsstörungen des unteren Harntraktes Kontinuierliche Inkontinenz Konstanter, unwillkürlicher Urinverlust (Tag und Nacht). Meist tropfenweise Intermittierende Inkontinenz Unwillkürlicher Urinverlust tagsüber mit trockenen Phasen Urge-Symptomatik Plötzlicher, imperativer Harndrang durch Hyperaktivität des Detrusors Haltemanöver Sichtbare Strategie zur Unterdrückung des Harndrangs und/oder zur Verzögerung des Toilettengangs (Aneinanderpressen der Beine, Hock-/Kauerstellung, unruhiges Treten von einem Bein auf das andere) Stakkato-Miktion Unterbrochene Miktion/Miktion mit Pausen (Blasendysfunktion neurogene Ursache) Pressen Entleerung der Blase mithilfe der Bauchmuskulatur (infravesikale Obstruktion, neurogene Ursache) Begriff Definition Therapie Hyperaktive Blase Hyperaktivität des Detrusors (Urge-Symptomatik, hohe Miktionsfrequenz, Einnässen tags und nachts) Urotherapie (Trinkmenge!), ggf. Anticholinergica, ggf. Physiotherapie Hypoaktive Blase Minderaktivität des Detrusors («lazy bladder») Strenge Urotherapie (Miktion alle 2–3 Stunden!) Physiotherapie, ggf. temporär Katheterisieren nötig Monosymptomatische Enuresis nocturna (MEN) Isoliertes nächtliches Einnässen (Ursache multifaktoriell) Umverteilung der Trinkmenge, Weckapparat, ADH Non-monosymptomatische Enuresis nocturna (NMEN) Nächtliches Einnässen mit zusätzlicher Tagessymptomatik, meist durch Detrusorhyperaktivität bedingt Zuerst Behandlung der Tagessymptomatik (s. hyperaktive Blase), danach wie MEN Blasendysfunktion/dysfunctional voiding Schwere Blasenentleerungsstörung mit Dyskoordination von Detrusor und Sphinkter Physiotherapie, ggf. Anticholinergica, ggf. Alphablocker Bladder and Bowel Dysfunction (BBD) Kombiniertes Vorliegen einer Blasendysfunktion und Stuhlentleerungsproblematik Zuerst Regulation der Stuhlentleerung, ggf. Antibiotikaprophylaxe, Urotherapie, Physiotherapie Miktionsaufschub Habituelles Hinauszögern der Miktion trotz Harndrang Urotherapie mit streng regelmässigen Miktionen Extraordinary daytime only urinary frequency Sehr hohe Miktionsfrequenz tagsüber (nachts unauffällig), in der Regel keine Inkontinenz Oft selbstlimitierend, ggf. Anticholinergica, ggf. Physiotherapie Lach-/Giggle-Inkontinenz Reflexartige, komplette Entleerung der Blase durch Lachen, Husten, sportliche Betätigung Anticholinergica, Physiotherapie, ggf. Botox in die Blase Postmiktionelles Harnträufeln Tröpfchenweiser Urinverlust kurz nach Miktion, ansonsten kontinente Kinder (Ursache unvollständige Miktion, vaginaler Influx) Verhaltensschulung (Zeit nehmen, Sitzposition, Tröpfeln abwarten)
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