20 FORTB I LDUNG: THEMENHEFTTE I L 03 / 2022 K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Bladder and Bowel Dysfunction (BBD) Bei der Bladder and Bowel Dysfunction (BBD) liegt eine Kombination aus Blasendysfunktion und Stuhlentleerungsproblematik, meist einer Obstipation, vor. Die Blase steht in enger Beziehung zum Darm. So wird die oben beschriebene Problematik einer Blasendysfunktion durch das zusätzliche Vorhandensein einer Stuhlentleerungsstörung verstärkt. Die BBD äussert sich mit folgender Klinik, wobei meist mehrere Symptome gleichzeitig vorhanden sind: Dranginkontinenz, Miktionsaufschub, rezidivierende HWI, Dysurie, Bauchschmerzen und/oder Obstipation sowie Enkopresis. Bleibt die BBD unbehandelt, kann sie langfristig zur Schädigung des oberen Harntrakts führen. Lach-/Giggle-Inkontinenz Die Giggle-Inkontinenz ist eine reflexartige Entleerung der Blase, ausgelöst durch Lachen, Husten oder sportliche Belastung (z. B. Trampolinspringen). Dabei kommt es, anders als bei der Stressinkontinenz, nicht nur zu tropfenweisem Urinverlust, sondern zur kompletten Entleerung der Blase. Sie tritt vor allem bei Mädchen kurz vor oder zu Beginn der Pubertät auf und verschwindet in den allermeisten Fällen wieder von selbst, wobei der Zeitrahmen sehr unterschiedlich ist. Da die Giggle-Inkontinenz eine Sonderform der Blasenhyperaktivität ist, kann eine unterstützende Therapie mit Anticholinergika hilfreich sein. Extraordinary daytime only urinary frequency Ist eine Sonderform der hyperaktiven Blasenmuskulatur. Das Beschwerdebild besteht in einer Pollakisurie mit sehr häufigen Miktionen (bis zu 20×/Tag) und sehr kleinen Urinportionen (meist < 100ml) bei ansonsten Toiletten-trainierten Kindern. Eine Inkontinenz ist praktisch nie vorhanden und die meisten Kinder können nachts durchschlafen. Miktionsaufschub Bezeichnet das Hinauszögern der Miktion trotz bestehendem Harndrang. Dieser wird ignoriert oder nicht wahrgenommen, bis es zur Inkontinenz kommt. Typischerweise findet man hier Haltemanöver, die Miktionsfrequenz ist eher niedrig. Postmiktionelles Harnträufeln Tröpfchenweiser Urinverlust direkt nach Miktion. Ursachen können zu wenig Zeit auf der Toilette, eine unvollständige Miktion oder häufig auch ein vaginaler Influx sein. Das Tropfen hört nach 5–10 Minuten in der Regel wieder auf. Diese Kinder haben sonst eine normale Blasenkontrolle. Miktionssymptome Die nachfolgend aufgeführten Symptome sind Merkmale, die bei den verschiedenen Funktionsstörungen auftreten. Dabei liegen häufig mehrere gleichzeitig vor. Eine Zusammenfassung dieser Begriffe zeigt Tabelle 1. Urge-Symptomatik Die Urge-Symptomatik beschreibt einen plötzlichen, imperativen Harndrang. Die Kinder bemerken den Harndrang erst, wenn es schon fast zu spät ist. In der typischen Anamnese berichten Kinder und Eltern meist, dass unterwegs sofort eine Toilette gesucht werden muss, wenn das Kind Harndrang hat. Ein Zurückhalten des Urins geht meist nicht oder nur für wenige Minuten. Oft kommt es dann zum Einnässen auf dem Weg zur Toilette. Die Urge-Symptomatik ist häufig Zeichen einer hyperaktiven Blasenmuskulatur. Haltemanöver Typische Haltemanöver sind Aneinanderpressen der Beine, Hock-/Kauerstellung, unruhiges Treten von einem Bein auf das andere, Anspannen der Beckenbodenmuskulatur. Durch Haltemanöver versuchen die Kinder, den Toilettengang trotz Harndrang hinauszuschieben. Stakkato-Miktion Als Stakkato-Miktion wird eine unterbrochene Miktion (viele kleine Urinportionen mit Pausen) bezeichnet. Sie tritt auf bei funktioneller oder neurogener Blasendysfunktion. Eine infravesikale Obstruktion kann ebenfalls ursächlich sein. Pressen Entleerung der Harnblase unter Zuhilfenahme der Bauchmuskulatur («Bauchpresse»). Typisch bei Knaben mit einer infravesikalen Obstruktion (Urethralklappen, Meatusstenose) oder Patienten mit neurogener Blase. Diagnostik Die Basisabklärungen sind bei allen Formen der Blasenfunktionsstörungen gleich (Diagramm 1) und sollten bis auf wenige Ausnahmen frühestens nach dem 5. Lebensjahr erfolgen. Diese sind essenziell, da häufig nur die Kombination dieser Befunde zur korrekten Diagnose und damit zur adäquaten Therapie führt. Diagramm 1. Basisabklärungen Anamnese (Fragebogen) körperliche Untersuchung Zuweisung bei Inkontinenz Miktions-/ Trink-/ Stuhlprotokoll Sonografie Harnwege Uroflow
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