KINDERÄRZTE.SCHWEIZ 2/2022

49 02 / 2022 ERFAHRUNGSBER I CHT K I N D E R Ä R Z T E. SCHWEIZ Die Kursleitung hatte Dr. med. Jan Cahlik, Praxispädiater in Affoltern am Albis mit den Referenten Dipl.- Psych. Frank Zimmermann, Psychologischer Kinder- und Jugendpsychotherapeut in Darmstadt, und Dr. med. Viktor E. Kacic, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie in Aschaffenburg. Die Themenblöcke Angststörungen, Depressionen und Suizidalität wurden praxisnah beleuchtet. In einer Zeit, in der sehr lange Wartezeiten für psychologische Hilfe an der Tagesordnung sind, wurden wir ermutigt, unseren Beziehungsbonus bei den betroffenen Familien zu nutzen. Kostenlose Werkzeuge wie der «SDQ Fragebogen zu Stärken und Schwächen» von Dr. Hüwer wurden aufgezeigt. Dies ist eine einfache Möglichkeit, auch in vielen verschiedenen Sprachen, einen ersten breiteren Eindruck unseres Patienten zu erhalten. SDQ Fragebogen zu «Stärken und Schwächen» von Dr. Hüwer Angesichts der aktuellen verstörenden weltpolitischen Berichterstattungen ist uns einmal mehr die enorme Macht der Bilder bewusst geworden und wir erhielten konkrete Tipps zur Gesprächsführung über schwierige Themen mit Kindern, siehe auch www.projuventute.ch. In unsicheren Zeiten ist die Bindungsbasis DIE stabilisierende Plattform und wichtiger denn je. Ängste haben eine Tendenz, rasch zu chronifizieren. So ist eine frühzeitige Psychoedukation wichtig im Sinne von Angstbewältigung durch Habituation und Exposition. Dem intuitiven Vermeidungswunsch vonseiten der Eltern wird aktiv entgegengehalten. Als einfaches Mittel zur Beruhigung lernen wir die tiefe Bauchatmung, die sich messbar auf unseren Puls auswirkt und uns sofort ins «Jetzt» bringt – weg vom Grübeln. Depression manifestiert sich je nach Alter sehr unterschiedlich: Weinen und Schreien im Kleinkindesalter, Bauch- oder Kopfschmerzen und Abwehr im Schulalter und beim Jugendlichen dann zunehmend die vom Erwachsenen bekannten Muster. Die grosse Gefahr lauert in der Abnahme menschlicher Kontakte und im Eintauchen in die mediale Welt. Unbedingt soll zwischen Lernen und Gamen eine körperliche Aktivität stattfinden. Eine Stunde aktiver Sport wirkt so gut wie ein Antidepressivum. Zudem wichtig sind natürlich klare Regeln im Tagesablauf. Antidepressiva wie Fluoxetin, ein Selektiver Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitor (SSRI), gehören zu den am besten erforschten Arzneimitteln. Zusammen mit einer Verhaltenstherapie können sie lebensrettend sein. Nicht zu lange zögern und bei langen Wartezeiten auf einen Therapieplatz nach Rücksprache mit einem Kinderpsychiater auch schon einmal mit einer medikamentösen Therapie beginnen. Suizidalität: In erster Linie ist es wichtig, proaktiv Suizidgedanken anzusprechen. Bei Bejahung nachfragen: wie oft? wann letztmals? Pläne zur Ausführung? Es ist wichtig, genau hinzuhören. Die Suizidalität entwickelt einen Sog und führt zu einer massiven Verengung der Wahrnehmung. So ist es hilfreich, die Möglichkeiten dazu im Umfeld einzuschränken wie etwa durch Verordnen kleinster Medikamentenpackungen, Wegschliessen von Rasierklingen, Verschliessen des Medikamentenschranks, etc. Im «Sog» verlieren wir nebst der Resilienz auch die Kreativität, neue Suizidtechniken zu finden – dies ist eine Chance. Abschliessen möchte ich mit dem Satz: «Suizidgefährdete Menschen möchten nicht sterben, aber sie wollen SO nicht mehr weiterleben.» Die schweren Themen wurden vom eingespielten Referententeam mit viel Herz ausgebreitet und auch immer wieder mit Humor aufgelockert. Nach zwei prallvollen Tagen mit viel praxisrelevanten Informationen und Anleitungen bin ich leichteren Fusses heimgegangen und fühle mich in Zukunft bei diesen Themen etwas kompetenter. ■ DR. MED. REGULA ZIEGLER-BÜRGI FACHÄRZTIN FÜR KINDER- UND JUGENDMEDIZIN FMH, KINDERARZTPRAXIS SEEFELD, ZÜRICH Korrespondenzadresse: regula.ziegler@bluewin.ch Prävention von und Umgang mit psychischen Erkrankungen in der pädiatrischen Praxis 11./12. März 2022, Zürich Fotos: Jan Cahlik

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